Das Ende der Ära des billigen Geldes ist eingeleitet: Nach der amerikanischen FED erhöht nun auch die Schweizer Nationalbank erstmals seit 2007 den Leitzins. Der Kapitalismus steckt in der Sackgasse.

Die SNB hat den Leitzins von -0.75 % auf -0.25 % erhöht. Damit wird es erstmals seit 15 Jahren wieder teurer, sich Geld auszuleihen. Das erklärte Ziel ist es, die Inflation zu bremsen, die immer stärker in die Schweiz drückt.

Damit folgt die SNB den amerikanischen und britischen Nationalbanken, welche ihre Leitzinsen ebenfalls erhöht haben. Die europäische Zentralbank zögert aktuell noch, doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch sie von der Inflation zu Zinserhöhungen gezwungen wird.

Die Zinswende ist ein sehr bedeutender Schritt. Es ist das Eingeständnis der Kapitalisten und ihrer Ökonomen, dass die Inflation keinesfalls «temporär» ist, wie sie uns monatelang erzählten. Im Gegenteil, die Inflation steigt unkontrolliert an. Die einzige kapitalistische Möglichkeit, der Inflation entgegenzuwirken, ist die Zinserhöhung.

Damit werden die Kapitalisten zu Zins-Schritten gezwungen, die sie über lange Zeit unbedingt vermeiden wollten. Denn in der heutigen Zeit werden Zinserhöhungen verheerende Konsequenzen haben: tiefe Rezession, Schuldenkrise, Platzen von Spekulationsblasen und vor allem heftiger Klassenkampf.

Der Kapitalismus hat alle diese Brandherde, genauso wie die Inflation, in den letzten Jahren hochgezüchtet. Mit der Zinswende kommt die Rechnung der Ära des billigen Geldes.

Die Ära des billigen Geldes

Auf die Wirtschaftskrise von 2008 reagierten alle Regierungen der Welt auf die gleiche Weise: Die Zinsen wurden drastisch gesenkt und die Märkte mit billigem Geld geflutet. Damit sollte ein noch grösserer Wirtschaftseinbruch verhindert werden. 

In der Coronakrise wurde die gleiche Übung in noch höheren Geld-Sphären durchgeführt: Staatlich gedrucktes Geld sollte den kapitalistischen Markt von dem Zusammenbruch retten. Die weltweite Verschuldung stieg seit 2008 von knapp 100 % der jährlichen weltweiten Wertschöpfung auf unglaubliche 360 % des Welt-BIPs an.

Doch diese Berge von Staatsgeldern konnten die tiefen Probleme des Kapitalismus nicht lösen. Alle Indikatoren für gesundes kapitalistisches Wachstum zeigen seit spätestens 2010 abwärts: Sowohl die Investitionen in die Realwirtschaft als auch die Produktivität und die Integration des Weltmarktes sind rückläufig. Ein untrüglicher Beleg für die Überproduktionskrise und die fehlenden profitablen Investitionsmöglichkeiten in der Produktion.

Stattdessen floss das billige Geld in die Spekulation. Während die Arbeiterklasse seit 2008 sinkende oder stagnierende Lebensbedingungen erfährt, häufen die Aktionäre, Banken und Immobilienbesitzer unermessliche Reichtümer an.

Doch nach dieser Gelddruck-Orgie folgt nun der Kater. Denn die riesigen neuen Geldsummen hatten meist keinen realen Gegenwert in der Produktion. Dies legte die Grundlage für eine der gefährlichsten kapitalistischen Krankheiten: die Inflation. Ist diese erst einmal losgetreten, lässt sie sich kaum mehr aufhalten. Die Geschichte zeigt, dass die Folgen davon extreme wirtschaftliche Verwerfungen, soziale Unruhen und potenziell sogar Revolutionen sind.

Deshalb sind die Regierungen nun gezwungen, die Inflation einzudämmen. Die Zinserhöhungen sind das Eingeständnis der Kapitalisten und ihrer Nationalbanken, dass ihre Billiggeldpolitik die Inflation hochgezüchtet hat. Die herrschende Klasse muss zugeben, dass Karl Marx recht hatte: «Wodurch überwindet die Bourgeoisie die Krisen? Dadurch, dass sie allseitigere und gewaltigere Krisen vorbereitet und die Mittel, den Krisen vorzubeugen, vermindert.»

Kalter Drogenentzug

Die Kapitalisten haben jahrelang die Inflationsgefahr komplett ignoriert, um den Kapitalismus künstlich am Leben zu erhalten. Unweigerlich wurde das kranke System von der Inflation befallen. Nun muss die Krankheit der Inflation mit der Erhöhung der Leitzinsen geheilt werden. Doch in diesem Fall könnte das Medikament schädlicher sein als die Krankheit selber.

Der ganze Kapitalismus – alle Wirtschaftsbereiche und alle Länder – ist inzwischen regelrecht süchtig nach billigem Geld. In den letzten zwei Jahren wurden dem süchtigen Körper nochmals grosse Dosen dieser verlockenden Droge verabreicht. Doch nun soll der Geldhahn zugedreht werden. Ein kalter Drogenentzug – die Qualen werden schrecklich sein.

Erstens steht die Weltwirtschaft ohnehin bereits am Anfang einer nächsten Krise (siehe Editorial, S. 2). Alle seriösen Wirtschaftskommentatoren sprechen von einem «sehr, sehr hohen Rezessions-Risiko» (z.B. der CEO von Goldman Sachs). 

Bereits die aktuellen, kleinen Zinserhöhungen könnten die kommende Krise massiv beschleunigen und vertiefen. Die Zinsen zu erhöhen bedeutet, dass die billigen (oder mit Negativzinsen oft gar kostenlosen) Kredite teurer werden. Dies senkt den Konsum, die Investitionen und Profite. Tausende Unternehmen, die sich in den letzten zwei Jahren mit billigem Geld noch knapp über Wasser halten konnten, könnten nun untergehen. Dies wird zwingend die ArbeiterInnen treffen und den Klassenkampf anheizen.

Ein zweiter direkter Brandherd sind die Spekulationsblasen. Das ganze billige Geld, das aufgrund der Überproduktionskrise nicht in die Produktion investiert wurde, floss in die Spekulation. Auf allen Finanzmärkten – bei den Aktien, Tech-Startups, Kryptowährungen, etc. – fand insbesondere in den vergangenen 24 Monaten riesige Blasenbildung statt. 

Nun machen die Zinserhöhungen das Geld teurer. Dies bedeutet, dass das Geld ruckartig aus den Spekulationblasen rausgezogen wird. Die Blasen drohen zu platzen. Was aktuell vorbereitet wird, ist nichts weniger als eine Finanzkrise, welche jene von 2008 um ein Vielfaches übertreffen wird. Milliarden von ArbeiterInnen weltweit werden direkt getroffen und somit gezwungen, für ihre Lebensbedingungen zu kämpfen.

Unvermeidliche Schuldenkrise

Doch die grösste Gefahr für den Kapitalismus ist, drittens, die historisch hohe Verschuldung. Das grosse Problem mit Schulden ist, dass sie zurückbezahlt werden müssen. Die bereits erwähnte Weltverschuldung von 360 % bedeutet, dass 3.6 Jahre der weltweiten Produktion geschuldet werden! Hinzu kommt die harte Tatsache, dass der Kapitalismus tiefkrank ist und kaum wächst. Somit ist es völlig ausgeschlossen, dass diese Rekordschulden «normal» abgezahlt werden.

Durch die Zinserhöhungen wird es teurer, neue Schulden zu machen. Bisher konnten dank den tiefen Leitzinsen einfach neue Schulden aufgenommen werden, wenn die alten fällig wurden. Nun werden die Staaten wirkliche Zinsen bezahlen müssen – mit Geld, das sie nicht haben. 

Deutliche Anzeichen davon sind bereits jetzt zu sehen. So verachtfachte sich beispielsweise die Rendite der italienischen Staatsanleihen seit August 2021. Es ist somit für den italienischen Staat achtmal teurer, sich weiter zu verschulden. Dabei hat die europäische Zentralbank ihre Leitzinsen noch gar nicht erhöht. Grund dafür ist die extrem hohe Verschuldung in verschiedenen EU-Ländern. Eine Schuldenkrise würde die grossen Risse innerhalb der «europäischen Integration» weiter vertiefen.

Ab einem gewissen Knotenpunkt sind die Schulden schlicht nicht mehr haltbar. Die Schuldenkrise wird zwingend kommen, die Frage ist nur wann. Dies wird direkt zu einem Dominoeffekt im Finanzsektor und der gesamten Weltwirtschaft führen. Die Auswirkung davon wird eine Wirtschaftskrise sein, welche in der Tiefe und Breite alle vorangehenden Krisen übertreffen wird. Die Kosten dafür werden die lohnabhängigen Massen auf der ganzen Welt zahlen, was die Grundlage legt für eine regelrechte Explosion des Klassenkampfes.

Die einzige Alternative der Kapitalisten, um die Schuldenkrise abzuwenden ist es, die Schulden von der Inflation auffressen zu lassen. Inflation bedeutet, dass Geld abgewertet wird, womit auch die Schulden abgewertet werden. Allerdings bräuchte es über längere Zeit sehr hohe Inflationsraten, um die aktuellen Schuldenberge entschieden zu verringern. Dies kann sich die herrschende Klasse weder ökonomisch (Inflationsspirale) noch sozial (Klassenkampf) erlauben.

Stagflation und Slumpflation

Die Kapitalisten und ihre Nationalbanken sind in einer totalen Sackgasse: Es wäre fatal, die Zinsen nicht zu erhöhen und somit die Inflation weiter ansteigen zu lassen. Deshalb kommen nun die Zinserhöhungen. Doch genauso fatal ist es, die Zinsen zu erhöhen und die Weltwirtschaft zum Chaos zu verdammen.

Genau dieses Dilemma erklärt die aktuelle zögerliche Zinspolitik der Nationalbanken. Sie müssen sich zwischen Inflation (Zinsen tief lassen) und Wirtschaftskrise (Zinsen erhöhen) entscheiden. Weil beide Entscheidungen verheerend wären, versuchen die Nationalbanken den Mittelweg über kleine Zinserhöhungen. Das grosse Problem dabei ist, dass sie schlussendlich keine der beiden Gefahren verhindern können. Die kleinen Zinserhöhungen sind unzureichend, um die Inflation zu stoppen. Und die Weltwirtschaft steuert auch ohne die Zinserhöhungen auf die nächste Krise hin. 

Die Financial Times, das Mundwerk des westlichen Imperialismus, ist sich dessen bewusst:

«Das Risiko einer Rezession auf beiden Seiten des Atlantiks ist jetzt sehr hoch. Vielleicht ist es bereits zu spät, der Geist der Inflation ist aus der Flasche und die Geldpolitik muss eine Rezession auslösen, um ihn aus dem System zu vertreiben. Oder die politischen Entscheidungsträger sind zu vorsichtig, zu langsam und lassen zu, dass die Inflation anhält und sich in der Wirtschaft festsetzt – mit den gleichen Folgen.

Der Weg, den wir uns alle wünschen, ist schmal und liegt in der Mitte zwischen diesen wirtschaftlichen Katastrophen. Es ist möglich, dass wir die hohe Inflation ohne einen tiefen wirtschaftlichen Abschwung beseitigen können, aber die Chancen für dieses günstige Ergebnis sind jetzt sehr gering.»

Diese Zeilen bringen das ganze kapitalistische Dilemma zum Ausdruck. Jahrelang trauten sich die Kapitalisten nicht, die Zinsen zu erhöhen, weil sie die verheerenden Konsequenzen der Zinswende genau kannten. Heute sind die Gefahren um ein Vielfaches grösser: die Coronakrise und die dazugehörigen riesigen Rettungspakete, der Protektionismus, die zerbrochenen Lieferketten, die Klimakatastrophen und der Krieg in der Ukraine haben die allgemeine Krise des Kapitalismus nochmals massiv vertieft.

Dass die Kapitalisten trotz dieser Gefahren nun doch gezwungen sind, die Leitzinsen zu erhöhen, zeigt ihre verzweifelte Lage. Die Inflation bleibt und gerät zunehmend ausser Kontrolle.

Es ist zudem entscheidend zu unterstreichen, dass die Nationalbanken mit ihren aktuellen, kleinen Zinserhöhungen die Inflation nicht stoppen, sondern höchstens deren rasanten Anstieg bremsen kann. Um die Inflation mit geldpolitischen Mitteln tatsächlich zu bekämpfen, bräuchte es einen Leitzins mindestens auf der Höhe der Inflationsrate. 

In der Schweiz würde das Leitzinsen von über 3 %, in den USA von mindestens 9 % verlangen. Dies würde praktisch augenblicklich zur wirtschaftlichen und sozialen Verwüstung führen. Die Kapitalisten versuchen verzweifelt, diese Verwüstung mit ihren kleinen Zinserhöhungen zu umgehen. Damit verkommt allerdings ihr Kampf gegen die Inflation zur Illusion. Gleichzeitig steigt die Rezessionsgefahr trotzdem weiter an.

Es gibt kein Entkommen aus der kapitalistischen Krise. Die wirkliche Perspektive ist das schlechteste aus beiden Welten: Jahrelange Stagflation oder sogar Slumpflation – steigende Inflation und wirtschaftliche Stagnation, gepaart mit heftigen Kriseneinbrüchen.

Sackgasse der bürgerlichen Ideen

Das kapitalistische Dilemma drückt sich zudem in der totalen Hilflosigkeit der beiden grossen bürgerlichen geldpolitischen «Theorien» aus. Dort stehen sich der Monetarismus und der Keynesianismus gegenüber, letzterer in seinem neuen schicken Gewand der «Modern Monetary Theory» (MMT). Die MMT steht für tiefe Zinsen, expansive Geldpolitik und dafür, die Inflationsgefahr schlicht zu ignorieren. Die Monetaristen fordern eine restriktive Geldpolitik, den entschiedenen Kampf gegen die Inflation durch hohe Zinsen und sind bereit, dafür eine tiefe Rezession in Kauf zu nehmen.

Die aktuelle Situation hat die Träumereien der MMT des letzten Jahrzehnts komplett entblösst. Die Inflation ist heute nach der Ära des billigen Geldes knallharte Realität – eine logische Konsequenz, welche die MMTler jahrelang verneint haben. Dass sich solche realitätsfremden «Theorien» tief in der Kapitalistenklasse (und sogar Teilen der Linken) verankert haben, ist ein untrügliches Zeichen für den senilen Zustand des Systems. Schlussendlich ist die MMT eine erzreaktionäre Idee, denn für die ignorierte Inflationsgefahr und die hohe Verschuldung muss nun die Arbeiterklasse mit tiefen Löhnen und Sparmassnahmen bezahlen.

Die Monetaristen sehen zwar die Inflationsgefahr der expansiven Geldpolitik. Aber ihre Ideen sind ebenso einseitig, starr und schlussendlich falsch. Denn die zirkulierende Geldmenge ist nicht der einzige Faktor für die Inflation. Wie wir Marxisten in verschiedenen Artikeln detailliert erklärt haben, ist die aktuelle Inflation sehr vielschichtig. 

Zu den wichtigsten Faktoren zählen die mit künstlichen Staatsgeldern gepushten Nachholeffekte nach der Pandemie; die Protektionismus-Politik der Herrschenden; die Verwerfungen des irrationalen kapitalistischen Marktes während der Lockdowns; Und die schamlosen Preissteigerungen der Grosskonzerne in Krisenzeiten. Insbesondere die letzten drei Faktoren werden durch den Krieg in der Ukraine nochmals massiv verschärft.

Das unweigerliche Resultat dieses Cocktails ist die Inflation – eine widersprüchliche Situation, in welcher die Preise steigen, ohne dass die geschaffenen Werte (gleich hoch) ansteigen. Die Inflation kreiert keinen zusätzlichen Reichtum, sondern transferiert ihn nur. Zu einem gewissen Teil von den Kleinunternehmern zu den Grosskonzernen, welche die hohen Preise ansetzen und direkt weitergeben können. Aber vor allem ist die Inflation ein Reichtumstransfer von den Arbeiterklasse hin zu den Kapitalisten, weil die Löhne weniger steigen als die Preise.

Die Monetaristen sind folglich genauso unfähig, die Inflation zu erklären und zu bekämpfen. Einseitig die Geldmenge zu verringern ist unzureichend, um die Inflation zu stoppen. Die Inflation wird nicht verschwinden, weil die Leitzinsen ein bisschen ansteigen. Sehr viele Faktoren, welche zur aktuellen Inflation führten, werden nicht verschwinden. Im Gegenteil, insbesondere der Protektionismus sowie die Kapitalkonzentration in Grosskonzernen spitzt sich deutlich zu (siehe Editorial, S. 2). Die Rezession ist unausweichlich. 

Insofern sind die Monetaristen genauso reaktionär wie die MMTler: Die Wirtschaftskrise bedeutet für die Arbeiterklasse sinkende Löhne, steigende Arbeitslosigkeit und Sparmassnahmen.

Die MMT und der Monetarismus sind beides streng bürgerliche Ideen. Das heisst, dass beide Theorien tief in der kapitalistischen Sackgasse stecken. Die Kapitalisten müssen zwischen Inflation und Wirtschaftskrise entscheiden. Die zwei Theorien reflektieren insofern die beiden Seiten des kapitalistischen Dilemmas. Beide Seiten haben verheerende Konsequenzen.

Dies zeigt ganz deutlich: Für die Arbeiterklasse gibt es innerhalb des bürgerlichen Rahmens keinen Ausweg! Sie wird bei beiden Seiten des kapitalistischen Dilemmas verlieren. Deshalb kann sich Arbeiterbewegung nicht eine Seite des zerbrechenden Kapitalismus gegen die andere ausspielen. Die Arbeiterklasse braucht ein von den Bürgerlichen unabhängiges Programm, denn sie muss gegen die Kapitalisten kämpfen.

Periode des Klassenkampfs

Doch die Führungen der Arbeiterbewegung haben die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt. Der Schweizer Gewerkschaftsbund kritisierte den SNB-Entscheid, weil dieser die «Konjunkturrisiken ausblendet» obwohl «die Teuerungsgefahren gering sind». Das heisst, die Gewerkschaftsführungen wählen im kapitalistischen Konflikt zwischen Inflation und Wirtschaftskrise eine Seite, nämlich die MMT-Seite der steigenden Inflation. Es ist allerdings die Arbeiterklasse, welche für die Inflation bezahlt: 80% der Bevölkerung empfinden die Teuerung bereits jetzt als beunruhigend.

Der SNB-Entscheid zeigt, dass alle internationalen Prozesse der kapitalistischen Sackgasse auch in der Schweiz stattfinden. Zwar hat die hiesige herrschende Klasse in gewissen Aspekten eine leicht grössere Handlungsmarge. So führt die Frankenstärke aktuell noch zu einer etwas weniger schnell ansteigenden Inflation. Zudem ist die Staatsverschuldung in der Schweiz im Vergleich zur EU-Zone weniger hoch.

Andererseits hat die Schweiz die im internationalen Vergleich mit Abstand höchste Privatverschuldung, was insbesondere grosse Gefahren für das Platzen der Immobilienblase und eine Bankenkrise mit sich bringt. Die Frankenstärke bedeutet zudem, dass sich die Schweizer Exporte mit der Zinserhöhung nochmals verteuern. Peter Spuhler, einer der mächtigstes Export-Kapitalisten der Schweiz, fürchtet sich vor der Rezession und der Frankenaufwertung: «Ich weiss nicht, was die bei der SNB geraucht haben». Auch die Schweizer Kapitalistenklasse steckt in der Sackgasse zwischen Inflation und Krise fest.

Dies bereitet heftige Angriffe auf die Lohnabhängigen sowie ein Periode des intensiven Klassenkampfes vor. Erste Anzeichen davon sind bereits deutlich sichtbar: Aus eigentlich allen Branchen kommt die Forderung nach einer Lohnerhöhung von 5 % – die höchsten Lohnforderungen in der Schweiz seit mindestens 30 Jahren! 

Die Arbeitskämpfe am Flughafen, im öffentlichen Verkehr in Genf oder in der Pflege zeigen an, dass die Arbeiterklasse beginnt, sich gegen die kapitalistische Krisenpolitik zu wehren. Die massiven Klassenkämpfe in Sri Lanka, USA oder Grossbritannien deuten an, auf welche grossen Prozesse sich die Arbeiterbewegung auch in der Schweiz vorbereiten muss.

Der wichtigste Grundsatz der Lohnabhängigen muss sein: Wir bezahlen ihre Krise nicht! Es ist ihre Sackgasse, weil sie ihr völlig irrationales Profitsystem retten wollen. Die Kapitalisten haben billiges Geld verteilt, um sich ihre temporäre Stabilität künstlich zu erkaufen. Sie haben die protektionistischen Massnahmen als reaktionäres Krisenmittel verwendet. Sie erhöhen die Preise für ihre Monopolprofite. Sie führen Krieg aus imperialistischen Interessen. Sie sollen für die Krise bezahlen!

Die Arbeiterklasse muss für den automatischen Teuerungsausgleich kämpfen, dies ist der einzige Weg, die Patrons für die Inflation zur Kasse zu bitten. Doch schlussendlich muss der Kapitalistenklasse die ökonomische und politische Macht entrissen werden. Die Arbeiterklasse muss die Kapitalisten enteignen und die gesellschaftlich erarbeiteten Reichtümer unter demokratische Kontrolle stellen. Die sozialistische Planwirtschaft ist der einzige rationale Ausweg aus der Krise des Kapitalismus.

Dersu Heri
Für die Redaktion
30.06.2022