Im Kanton Waadt haben bereits zwei Streiks stattgefunden, um den vollen Teuerungsausgleich zu erreichen. Heute, am 9. Februar, ist der dritte Streiktag. Tausende von Angestellten im Kanton legen die Arbeit nieder. Was sind die Bedingungen zum Sieg?

Die Arbeitsbedingungen im öffentlichen und halböffentlichen Dienst des Kantons Waadt verschlechterten sich bereits seit mehreren Jahren. Nun kam noch die starke Inflation dazu. Der Waadtländer Staatsrat hat beschlossen, die Löhne um nur 1,4 Prozent anzuheben, während die offizielle Inflationsrate bei 2,8 Prozent liegt. Dieser miserable Ausgleich ist der Tropfen zu viel für viele Arbeitnehmer, die zu Beginn des Jahres mit einem starken Gefühl der Ungerechtigkeit und dem Gefühl, «dass der Arbeitgeber ihnen ins Gesicht spuckt» in den Streik getreten sind.

Streiks im öffentlichen Dienst

Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes hatten zusammen mit der Gewerkschaft vpod u.a. für den 23. Januar zu einem Streik aufgerufen, an dem 1’500 Beschäftigte, darunter mehrheitlich Lehrpersonen, teilnahmen. 4’000 Personen waren am Ende des Tages an der Demonstration in Lausanne. Ihre Forderung war klar: ein Teuerungsausgleich von 5 Prozent auf ihr Gehalt. Das ist minimal notwendig, um die realen Einbussen des Jahres 2022 aufzuholen. Am ersten Tag kam es bereits zur grössten Demonstration des öffentlichen Dienstes seit zehn Jahren im Kanton Waadt. Angesichts der niederträchtigen Haltung des Staatsrats, der weder zu Zugeständnissen noch Gesprächen bereit war, wurde der Streik in der darauffolgenden Woche fortgesetzt. 

Am 31. Januar schlossen sich den Lehrpersonen auch andere Sektoren an und traten in den Kampf ein. Die Sozial-, Pflege- und Sicherheitsbereich mobilisierten. Insgesamt streikten mehr als 2’000 Beschäftigte und 10’000 Menschen demonstrierten am Abend in Lausanne vor der kantonalen Regierung, um ihre Wut zu zeigen. Eine solche Mobilisierung hatte es in der Waadt seit 2008 nicht mehr gegeben. Die Exekutive zeigte sich jedoch weiterhin taub, sodass für den 9. Februar ein weiterer, dritter Kampftag angesagt wurde.

Der Klassengegensatz wird immer deutlicher

Was an diesen Streiktagen deutlich wurde, war der grosse Widerspruch zwischen einerseits der Notwendigkeit dieses Teuerungsausgleichs und der Tatsache, dass jeder andere Ausgang eine Verschlechterung der Lebensbedingungen der Arbeiter bedeute. Dem steht die geringe Aussicht auf Zugeständnisse des Staatsrats und den vollen Teuerungsausgleich entgegen. 

Allerdings ist das Geld vorhanden, wie die Steuergeschenke an verschiedene Unternehmen in den letzten Jahren belegen. Laut dem VPOD «sitzt der Staat auf einem Vermögen von 5,3 Milliarden Franken». Doch der Staatsrat steht eindeutig auf der Seite der Kapitalisten und verteidigt ihre Profite auf Kosten der Lohnabhängigen. Der Klassengegensatz wird immer offensichtlicher: Es geht um die Profite der Bosse gegen die Löhne der Arbeiterklasse. In Krisenzeiten ist vom Staatsrat nichts zu erwarten, kein Geschenk wird umsonst gegeben: Jede Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeiter muss erkämpft werden. Diese Schlussfolgerung haben die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes gezogen, und deshalb sind sie in den Kampf getreten.

Lehren aus früheren Kämpfen in der Schweiz

Der 5%-Lohnausgleich ist eine Notwendigkeit, wenn die Beschäftigten nicht draufzahlen sollen. Es geht nun darum, wie wir dies erreichen können. Was können wir lernen aus den letzten Kämpfen, die in der Schweiz stattgefunden haben? 

Im Juni 2021 trat das CHUV in den Streik. Nach einem Tag der Mobilisierung bot der Staatsrat an, Verhandlungen mit den Gewerkschaften aufzunehmen. Er schlug Verbesserungen vor, die unter den Forderungen der Streikenden lagen und keine Aussicht auf Umsetzung hatten. Die Gewerkschaften stimmten in den Verhandlungen zu. Aber nach den Gesprächen änderte sich nichts. Welche Schlussfolgerungen ziehen wir aus den Erfahrungen des CHUV? Man darf sich nicht von schönen, aber unverbindlichen Versprechungen täuschen lassen.

Im Oktober 2022 streikten die Genfer Verkehrsbetriebe (TPG) für eine Indexierung von 1,2 %. Nach einem Streiktag, an dem sich 70% der Beschäftigten beteiligten, blieb die Direktion der TPG unflexibel. Daraufhin fand eine Vollversammlung (VV) der Beschäftigten statt, und der Streik wurde am nächsten Tag fortgesetzt. Nach einem weiteren halben Tag des Kampfes gab die Geschäftsleitung auf und gestand die Lohnerhöhung zum geforderten Satz von 1,2 % zu. 

Welche Schlussfolgerungen ziehen wir aus diesem Kampf? Der Kampf zahlt sich aus! Wir können den Arbeitgebern nicht trauen, wir müssen sie unter Druck setzen, und das geht am besten durch die Verlängerung des Streiks.

Was ist in der Waadt zu tun?

Angesichts dieser Erfahrungen muss der Kampf des öffentlichen und halb-öffentlichen Dienstes fortgesetzt werden, bis die Forderungen erfüllt sind. Im Falle von Verhandlungen muss die Mobilisierung der Beschäftigten aufrechterhalten werden. Jede Vereinbarung über die Beendigung des Streiks muss den Beschäftigten zur Abstimmung vorgelegt werden. Die VV hat immer das letzte Wort. 

Der Funke steht zu 100 % hinter diesem Kampf. Es ist ein Beispiel, wie in der ganzen Schweiz Kämpfe geführt werden sollten. Wenn dieser Kampf ernsthaft und korrekt geführt wird, kann er zu einem wichtigen Sieg führen, materiell für die Staatsangestellten und politisch als Lektion im Klassenkampf.

Mathieu D., Der Funke