Mit welchen Massnahmen kämpfen wir effektiv gegen den Klimawandel? Diese Frage wird momentan in unzähligen Ländern heiss diskutiert. So auch in Grossbritannien. Prominent in der Debatte ist die Forderung nach einem Verbot für Banken, in fossile Energien zu investieren. Da die Forderung auch in der Klimastreikbewegung in der Schweiz wiederholt aufgetaucht ist, veröffentlichen wir zu diesem Thema den folgenden Artikel von unseren britischen GenossInnen von Socialist Appeal.

Momentum (eine Organisation zur Unterstützung des Parteivorsitzenden von Labour, Jeremy Corbyn) hat eine nationale Kampagne lanciert, welche die Banken dazu auffordert, nicht mehr in Konzerne für fossile Brennstoffe zu investieren. Die Labour Partei hat mit dem Aufruf für einen «Green New Deal» ihrerseits ein Projekt zur Förderung von «grünen» Investitionen vorgebracht. Das zeigt die Notwendigkeit, die Monopole in öffentliches Eigentum zu überführen.

Anfang April hat Momentum an einem Wochenende über 40 Proteste vor Ablegern der Barclays Bank im ganzen Land organisiert. Die Initiative soll Barclays davon abbringen, die Industrie der fossilen Brennstoffe zu finanzieren. Wie sie selbst erklären:

Statt mehr Kohlenminen auszugraben, mehr Ölfelder auszubohren und noch mehr Pipelines zu verlegen, müssen wir unsere Energieinfrastruktur radikal umbauen und eine grüne Wirtschaft für alle bauen. Um diesen Kampf zu gewinnen, müssen wir die Banken bekämpfen. Auch wenn Fossilbrennstoffkonzerne sehr viel Geld haben, haben sie nicht die Milliarden, die notwendig sind, um ihre Infrastruktur zu bauen. Das wird von den Banken finanziert, welche stattdessen in erneuerbare Energien investieren könnten. Einer der grössten Übeltäter ist Barclays. Zwischen 2012 und 2017 finanzierte Barclays 15 Fossilbrennstofffirmen mit über 30 Milliarden US Dollar, einschliesslich Unternehmen, welche Pläne vorantreiben, die Frackingindustrie in Grossbritannien zu entwickeln.

Die Monopole der fossilen Brennstoffe und die Finanzgiganten sind sich so nahe, dass es schwer ist zu sagen, wo die einen beginnen und die anderen aufhören. Diese zwei Industrien dominieren und leiten faktisch die Weltwirtschaft. Sie beuten die Welt aus – sowohl ihre natürlichen Ressourcen wie ihre Menschen –, um daraus obszöne Profite zu schlagen.

Tatsächlich sollten die Proteste weit über Barclays und weit über die Forderung nach einem Investitionsstopp in fossile Brennstoffe hinausgehen. Jeder weiss, dass die Banken 2008 die Weltwirtschaft ruiniert haben – ein Ereignis, welches die Geschichte verändert hatte und zu weltweiter Sparpolitik geführt hat. Selbst Lord Turner, Vorsitzender der Financial Services Authority (eine Finanzregulierungsbehörde, die 2013 aufgelöst wurde), sagte 2009, dass die Finanzmonopole mit «gesellschaftlich nutzlosen Tätigkeiten» beschäftig wären.

Zusätzlich sind die Banken in endlose Skandale verwickelt. So zum Beispiel: die Manipulation des LIBOR (Londoner Referenzzinssatz); geheime Absprachen über Geldwäsche im grossen Stil bei HSBC und vielen anderen Banken; der betrügerische Verkauf von Restschuldversicherungen an tausende von Kleinunternehmen; und das Ausschütten von schockierend hohen Boni – Bob Diamond von Barcalys wurde im Jahr 2011 17 Millionen Pfund in Boni inklusive Steuerabzüge ausbezahlt!

Dass Momentum diese Initiative übernommen hat, um die Umweltverschmutzung und den Klimawandel mit den finanziellen Nervenzentren des Kapitalismus zu verbinden, ist sehr gut. Aber wie sollte Momentum diese Kampagne führen?  Welche Aktivität wäre die effektivste? Und welche politischen Forderungen sollten wir aufstellen?

Verstaatlichen

Statt zu fordern, dass Barclays nicht mehr in fossile Brennstoffe investiert, sollten wir dafür kämpfen, dass die Labour Party den Bankensektor verstaatlicht.

Erstens ist es sehr unwahrscheinlich, dass AktivistInnen von Momentum genügend Druck aufbauen können, dass Barclays nicht mehr in fossile Brenstoffe investieren würde, welche extrem lukrativ sind, da sie lebenswichtig für die Weltwirtschaft sind. Um ehrlich zu sein, Barclays ist es egal, was Labour-AktivistInnen über sie denken. Und was ihre Profite anbelangt haben sie ohne die Drohung der Verstaatlichung kaum etwas zu befürchten.

Selbst wenn es funktionieren würde und Barclays komplett aufhören würde, zu investieren, gibt es viele weitere Finanzinstitutionen, welche die Gelegenheit nutzen und sofort die Lücke füllen würden. Nichts würde sich ändern.

Was es braucht, ist nicht so sehr, dass Barclays nicht mehr investiert, sondern ein fundamentaler Wandel in der Wirtschaft.

Zweitens sind Investitionen in fossile Brennstoffe nur ein Teil eines riesigen Portfolios an Ausbeutung und Verbrechen, die von Barclays und anderen Banken begangen wurden. Verstaatlichung ist der einzige Weg, wie man diese Geschäfte kontrollieren und sie komplett umwandeln kann, so dass sie gesellschaftlichen Bedürfnissen dienen, inklusive Umweltschutz, und nicht dem privaten Profit.

Mutig sein

Es gibt keinen Grund, einen so mutigen Schritt zu scheuen. Die Banken sind überall verhasst. 50% der Bevölkerung unterstützen bereits jetzt ihre Verstaatlichung, laut einer aktuellen Meinungsumfrage des Legatum Instituts.

Und es ist komplett gerechtfertigt. Die Öffentlichkeit hat die Banken bereits gerettet, wobei die Kosten auf über 1 Billion Pfund geschätzt werden, laut des Chefs der früheren Bank von England Mervyn King. Die Banken erhöhen die öffentlichen Kosten, indem sie umfassende Steuervermeidungstricks für die Reichen organisieren. In der Broschüre der Feuerwehrgewerkschaft über die Verstaatlichung der Banken steht:

Untersuchungen für die Kampagne Netzwerk für Steuergerechtigkeit schätzten, dass zwischen 13 und 20 Billionen Pfund an Finanzanlagen vor den globalen Steuerbehörden in Offshore-Banken versteckt werden. Das umfasst noch nicht einmal nichtfinanzielle Anlagen wie Kunst, Jachten oder Villen. Selbst ein Bruchteil dieses Reichtums könnte die Staatsschulden tilgen, Investitionen in öffentliche Dienste statt Sozialabbau bezahlen und einen wirtschaftlichen Aufschwung subventionieren.

Fire Brigades Union, It’s Time to take over the banks

Die Banken helfen gigantische Summen Geld anzuhäufen, welche nicht investiert werden. Während Grossbritannien eine der niedrigsten Investitionsraten in der ganzen Welt hat – daher unsere verspäteten Züge und kollabierende Produktion – sitzen private Firmen auf ungefähr 750 Milliarden Pfund, welche nicht investiert werden.

Wann immer SozialistInnen grosse Ausgabenerhöhungen bei Dienstleistungen wie dem NHS (Staatliches Gesundheitssystem in GB) vorschlagen, werden wir jedes Mal gefragt: «Woher soll das Geld dafür kommen? Geld wächst nicht auf den Bäumen, weißt du!»

Eine notwendige Ausgabe ist natürlich grüne Energie. Zig Milliarden müssen jedes Jahr investiert werden, um die Britische Wirtschaft zu «entkarbonisieren», sprich: um die Emissionen von Kohlenstoffverbindungen zu eliminieren. Das ist vollkommen machbar. Die Technologie existiert bereits und sie wird in hohem Tempo verbessert. Und diese notwendigen Ausgaben sind in Tat und Wahrheit relativ klein, wenn man ihre enorme Wichtigkeit bedenkt. Sie sind auch viel geringer als die Geldsumme, die benötigt wurde, um die Banken zu retten. Wie also erreichen wir, dass diese Investitionen getätigt werden?

Green New Deal

AktivistInnen der Labour Party haben gerade Labour for a Green New Deal lanciert, das von den Plänen von Alexandra Ocasio Cortez in den USA inspiriert ist. Ausserdem wissen wir aus Quellen Folgendes:

Im Parlament werden der Schatzminister von Labours Schattenkabinett Clive Lewis und die Abgeordnete der Grünen Caroline Lucas einen Private Member’s Bill (einen Gesetzesentwurf eines Abgeordneten, der nicht zur Regierung gehört) einbringen. Dieser würde, wenn er abgesegnet wird, die Regierung zur Umsetzung eines Green New Deal zwingen. Das ‘Gesetz für Entkarbonisierung und ökonomische Strategie’ würde die Ministerien verpflichten, eine radikale Strategie der öffentlichen Investitionen für die nächsten 10 Jahre einzuführen, welche zum Zweck haben, die Wirtschaft zu entkarbonisieren und Ungleichheit auszumerzen.
Es würde die Minister rechtlich verpflichten, Gemeinden und ArbeiterInnen dabei zu unterstützen, von einem hohen Kohlenstoffemissionsgrad zu einer Industrie mit niedrigem Grad oder null Kohlenstoffemissionen überzugehen, striktere Umweltschutzregulierungen einzuführen und natürliche Lebensräume wiederherzustellen und zu schützen.

Josiah Mortimer, leftfootforward.org

Diese AktivistInnen fordern eine Labour Regierung, die eine «grüne Industrialisierung» und massive Investitionen in den öffentlichen Transport finanzieren würde. Dazu müsste sich ihnen zufolge «die ganze ökonomische Struktur unserer Gesellschaft ändern». Ganz genau! Es ist offensichtlich, dass diese Kampagnen – welche beide auf der Labour Party basieren – koordiniert werden müssen.

Aber all das benötigt offensichtlich massive Ausgaben und – um «die ganze ökonomische Struktur unserer Gesellschaft» zu verändern – ein mutiges sozialistisches Programm.

Leider bleiben die Green New Deal AktivistInnen sehr vage, wenn es um Banken und Geld geht. Sie sagen nur: «Durch das Verbot der Finanzierung von Banken und staatlichen Subventionen, die diese Giganten über Wasser halten, kann die Gewinnung fossiler Brennstoffe beendet werden». Jene Rechten, welche uns fragen, woher das Geld kommen sollen, würden uns dafür in der Luft zerfetzen!

Gewisse Bankgeschäfte zu verbieten geht nicht weit genug. Banken werden immer einen Weg finden, Regulierungen zu umgehen – schliesslich kann man nicht kontrollieren, was man nicht besitzt. Nicht zuletzt ist die Finanzindustrie global. Die Fossilbrennstoffindustrie ist zu wichtig für den Kapitalismus, und zu profitabel, um von Regulierungen getroffen zu werden. Dazu kommt, dass wir die riesigen Ressourcen der Banken, welche uns jahrelang hintergangen haben (nicht nur indem sie in fossile Brennstoffe investiert haben), um die sozialistische Wirtschaft zu planen, die wir brauchen.

Bringen wir den Artikel 4 zurück!

50% der Bevölkerung unterstützt bereits die Verstaatlichung der Banken, und das bevor die Labour Party überhaupt für diese Forderung gekämpft hat. Es gibt keinen Grund, bescheiden zu sein. Es ist höchste Zeit, dass jemand verlangt, dass die Banken unter öffentliche Kontrolle gestellt werden.

Momentum hätte einen grösseren Einfluss, wenn es in der Partei dafür kämpfen würde, dass Labour seine Position in der Frage ändern würde, statt seine eigene Kampagne gegen Barclays (ausserhalb der Labour Party) zu lancieren.

Die Corbyn-Bewegung sollte sich mit der Labour for a Green New Deal Kampagne verbinden und helfen, ihr mit dem bereits existierenden Netzwerk lokaler Gruppen organisatorisches Gewicht geben. Noch besser: Sie könnten helfen, ihr ein radikaleres sozialistisches Programm zu geben – welches Forderungen nach der Verstaatlichung der Banken und den Energiekonzernen beeinhaltet. Mit diesem Programm hätte Labour eine gesalzene Antwort parat auf die Anschuldigungen, dass man dieses grüne Programm nicht bezahlen könnte.

Vor 100 Jahren verabschiedete Labour den Artikel 4, welcher zum öffentlichen Eigentum der Produktionsmittel aufrief, um «den ArbeiterInnen die Gesamtheit der Früchte ihrer Arbeit zu sichern». Die Labour4Clause4 (Labour für Artikel 4) Kampagne wurde lanciert, um für die Wiedereinführung der sozialistischen Ziele von Labour zu kämpfen. Es ist notwendig, für einen Green New Deal zu kämpfen und die Banken und die Industrie der fossilen Brennstoffe anzugreifen. Aber das zeigt auch die Notwendigkeit des öffentlichen Eigentums dieser wirtschaftlichen Schlüsselindustrien auf. Das ist der Grund, warum der Artikel 4 immer noch relevant ist, und wiedereingesetzt werden sollte.

Daniel Morley, Socialist Appeal (IMT Grossbritannien)