[dropcap]V[/dropcap]or 100 Jahren wurde Rosa Luxemburg ermordet. SPD und Linke allen Couleurs wollen sich in der Tradition der «roten Rosa» wissen. Doch wer war sie und welche Ideen vertrat sie wirklich?

15. Januar 1919: Rosa Luxemburg wird zusammen mit Karl Liebknecht von den Schergen des SPD-Regimes gefoltert und beseitigt. Ihr Tod ist Teil der konterrevolutionären Offensive gegen die junge Kommunistische Partei und die aufständischen Arbeiter in Berlin. Sie kostete Tausenden das Leben und raubte der Revolution ihre Köpfe. Der wohl talentierteste dieser Köpfe war Rosa Luxemburg. Sie hatte sich seit Jahrzehnten als fundierte Theoretikerin, herausragende Kritikerin des Reformismus und Internationalistin einen Namen gemacht. Ihre wahre Tradition zu verteidigen heisst, sie unter dem Schutt und Staub von 100 Jahren Reformismus auszugraben. Hände weg von der Revolutionärin: Rosa gehört zu uns!

Kampf gegen die Revision des Marxismus

1871 als polnische Jüdin geboren, war Rosa zuerst in Warschau, dann in Zürich politisch tätig. Ende der 90er emigrierte sie nach Deutschland, wo sie fortan in der deutschen Sozialdemokratie (SPD) agitierte. Die SPD war die mit Abstand grösste und einflussreichste Arbeiterpartei und stand in der Tradition des Marxismus. Unter dem Einfluss des Wirtschaftsbooms Ende des 19. Jahrhunderts fokussierte sich die Parteiführung aber zunehmend auf parlamentarische Sitze. Obwohl sie sich in Worten noch auf Marx, die Revolution und das Ziel des Sozialismus stützte, wurden Stellvertreterpolitik und Alltagspragmatismus zur vorherrschenden Praxis. Damit ging die Revision (Neuauslegung) des Marxismus einher: sie sollte beweisen, dass der Kapitalismus nicht revolutionär, sondern im Parlament und mit Gesetzesreformen überwunden werden könne.

In ihrem noch heute brandaktuellen Werk «Sozialreform oder Revolution» (1899) tritt sie den Kampf gegen den Reformismus in der Partei an: «Es ist grundfalsch und ganz ungeschichtlich, sich die gesetzliche Reformarbeit bloss als die ins Breite gezogene Revolution und die Revolution als die zusammengedrängte Reform vorzustellen. Eine soziale Umwälzung und eine gesetzliche Reform sind nicht durch die Zeitdauer, sondern durch das Wesen verschiedene Momente. […] Während die Revolution der politische Schöpfungsakt der Klassengeschichte ist, ist die Gesetzgebung das politische Fortvegetieren der Gesellschaft.» Der alltägliche praktische Kampf für Sozialreformen bezeichnet Rosa als Schule, welche die Ergreifung der politischen Macht und Aufhebung des Lohnsystems vorbereitet. Dabei dürfe allerdings nie das Ziel, die soziale Umwälzung oder Revolution, aus den Augen verloren werden. Die reformistische Essenz «Das Ziel ist nichts, die Bewegung ist alles» macht allerdings das Mittel zum Selbstzweck. Damit verabschiedete sich die SPD-Führung vom Ziel des Sozialismus und vom Klassenkampf. Die hier noch theoretisch geführte Debatte wird bald zur Frage von Leben und Tod von Millionen von Arbeitern und der Sozialdemokratie selbst.

Der Revisionismus materialisiert sich

Der Übertritt ins 20. Jahrhundert war geprägt von verschärften Konkurrenzbedingungen, was kriegerische Absichten zwischen den imperialistischen Staaten vermuten liess. Die SPD und die Sozialistische Internationale wappneten sich: An den internationalen Kongressen wurden Resolutionen gegen den Krieg und die nationale Spaltung der Arbeiterklasse verabschiedet. Rosa forderte Taten: mit Massenaktionen müsse gegen den Krieg mobilisiert werden. Doch davon wollte die SPD-Führung nichts hören. Pazifistische Reden schwingen ja, aber aktiven Widerstand aufbauen und damit die Parlamentssitze gefährden? Als der Erste Weltkrieg 1914 begann, stimmte die SPD-Reichstagsfraktion einstimmig für die Kriegskredite – kein Wimpernschlag trennte ihr Friedensgeschwafel vom Kriegspakt mit dem Kapital.

Was im Revisionismus-Streit noch unter der Oberfläche schlummerte, wurde nun in aller Schärfe sichtbar. Vor die Frage Sozialismus oder Imperialismus gestellt, entschieden sich die Lippenbekenner des Sozialismus für Letzteres. Rosa fasst zusammen: «Es gibt keinen Sozialismus ausserhalb der internationalen Solidarität des Proletariats, und es gibt keinen Sozialismus ausserhalb des Klassenkampfes. Das sozialistische Proletariat kann weder im Frieden noch im Kriege auf Klassenkampf und auf internationale Solidarität verzichten, ohne Selbstmord zu begehen.» Doch es war zu spät: Mit der «Burgfriedenspolitik» verzichteten die sozialdemokratischen Parteien Europas auf jeglichen Klassenkampf. Die Sozialistische Internationale brach zusammen. Mit ihrer Junius-Broschüre (1915) legte Rosa das erste Programm gegen den imperialistischen Krieg fest und forderte den Aufbau einer neuen Arbeiterinternationalen.

Anfang vom Ende

Der zunehmende Widerstand der Arbeiter und Soldaten gegen den Weltkrieg mündete 1917 zuerst in die russischen Revolution, in die Spaltung der SPD in Kriegsbefürworter und -gegner (USPD) und schliesslich in die revolutionäre Erhebung der deutschen Arbeiter und Soldaten von 1918, welche dem Ersten Weltkrieg ein Ende setzte. In dieser turbulenten Periode wäre die entscheidende Aufgabe gewesen, die revolutionären Kräfte zu bündeln, und den aufständischen Arbeitern eine politische Führung zu geben. Die Gründung zuerst des Spartakusbundes, dann der KPD im Dezember 1918 waren entscheidende Schritte und wurden von Luxemburg politisch begleitet.

Auf der Gründungskonferenz der jungen KPD bekämpfte Rosa die abenteuerlichen Linksradikalen, welche Parlamentswahlen und die Gewerkschaften boykottierten und den sofortigen bewaffneten Regierungssturz forderten. Das bedeutet allerdings nicht, dass sie Pazifistin gewesen wäre. Im von ihr verfassten Gründungsdokument lässt sie keine Illusionen zu: Sie fordert, «den drohenden Gefahren der Gegenrevolution die Bewaffnung des Volkes und Entwaffnung der herrschenden Klassen» entgegen zu stellen. Rosa unterlag in den entscheidenden Fragen. Leider blieb ihr nicht die Zeit, die jungen Kader von ihren Positionen zu überzeugen. So isolierte sich die Organisation für eine ganze Periode von den Arbeitermassen.

Wenige Wochen nach der Konferenz kam es zum Aufstand der Berliner Arbeiter, dem sogenannten Spartakusaufstand. Da er isoliert blieb, wurde er blutig niedergeschlagen. Rosa, die vor einem Abenteuer ohne breite Massenunterstützung gewarnt hatte, starb am 15. Januar auf «ihrem Posten»: der Revolution.

Unser Erbe!

Ihr Erbe ist der unermüdliche Kampf für die sozialistische Revolution in Tat und Wort. Lernen wir von Rosa Luxemburg, aus ihren Schriften, ihren Erfahrungen, wie auch aus ihren Fehlern.

Ihr letzter Artikel zeigt ihren unermüdlichen Kampfgeist: «’Ordnung herrscht in Berlin!’ Ihr stumpfen Schergen! Eure ‘Ordnung’ ist auf Sand gebaut. Die Revolution wird sich morgen schon ‘rasselnd wieder in die Höh´ richten’ und zu eurem Schrecken mit Posaunenklang verkünden: ich war, ich bin, ich werde sein!»

Der Funke und die IMT (International Marxist Tendency) steht für Rosa Luxemburgs Erbe und führt ihren Kampf weiter – gegen den Reformismus und für die internationale sozialistische Revolution!

Illustration: Rosa Luxemburg Stiftung