Der Sieg der Arbeiterklasse bei der Abstimmung am 3. März ist ein politischer Donnerschlag von historischer Bedeutung.

Zum ersten Mal in der Geschichte wurde der Ausbau eines Sozialwerkes an der Urne angenommen. 58.2% der Wähler stimmten für die 13. AHV-Rente und 75% gegen die Rentenaltererhöhung. Das Resultat zeugt von einem Sprung in der Entwicklung des Klassenbewusstseins. Die Arbeiterklasse hat sich gegen alle Drohungen der Kapitalisten durchgesetzt. Die Bürgerlichen testeten jedes Argument aus, doch nichts zeigte Wirkung. 

Ein bürgerlicher Politgeograf kommentierte im Tagesanzeiger: «Mir scheint das Thema stärker zu sein als jede Person. Wenn die Lawine einmal rollt wie in diesem Fall, kann man sich kaum mehr dagegenstellen.» Ein passender Vergleich für die enorme Kraft der Arbeiterklasse, wenn sie sich entschieden hat, für ihre Interessen einzustehen! 

Das Abstimmungsresultat bringt einen tiefen gesellschaftlichen Prozess an die Oberfläche: Die Erfahrungen in der Krise des Kapitalismus haben das Bewusstsein breiter Schichten der Arbeiterklasse verändert. Das ist Ausdruck einer neuen Periode, in der die Arbeiterklasse immer offener in den Klassenkampf treten wird.

Die Arbeiterklasse entscheidet

Die Arbeiterklasse stimmte fast geschlossen für ihre Interessen. Arbeiter mit einem Lohn bis 7 000 Franken stimmten zu zwei Dritteln für die Vorlage. Aber auch bei Monatsgehältern von 13 000 Franken hatte die Vorlage noch eine Mehrheit – und das entspricht dem oberen Kader! Nur die bewussten Verteidiger und Profiteure des Kapitalismus stimmten dagegen. 

Das Abstimmungsresultat war ein erhobener Mittelfinger gegen all jene, die in Politik, Staat und Wirtschaft tagtäglich die Profitinteressen einer Minderheit verteidigen. Doch es ging nicht nur um eine symbolische Ohrfeige. Es ging um eine wirkliche, dringend notwendige, materielle Verbesserung für die Arbeiterklasse. Die Klassenfrage stand unverhüllt im Mittelpunkt. 

Das öffnete einen enormen Spalt mitten durch die SVP! Die Führung dieser Partei entblösste sich vor der eigenen Basis – als Lakaien der Banken und Bonzen. Was die bürgerliche Presse als «links-konservatives» (sic!) Abstimmungsverhalten bezeichnet, ist nichts anderes als der erneute Beweis, dass mit konsequenter Arbeiterpolitik, die Arbeiter und armen Bauern von der SVP weggebrochen werden können! Auf dieser Basis kann aufgezeigt werden, wie schädlich die Spaltung mit Rassismus und Sexismus ist. Nicht die Ausländer profitieren von der Konkurrenz auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt, sondern die Kapitalisten. Sie kämpfen konsequent gegen gute Löhne und Renten. Den spaltenden Kulturkampf kann man nur mit Klassenpolitik überwinden. Wie umfangreich diese Politik die Arbeiter mobilisiert, zeigt sich auch an der hohen Stimmbeteiligung von fast 60%.

Die Einheit der Klasse hinter ihren Interessen erklärt, wieso die Bürgerlichen im gesamten Abstimmungskampf in der Defensive waren. Der Politgeograf Hermann verbildlicht: «Jeder, der sich gegen die Initiative exponierte, wurde von einer Flut an Gegenreaktionen wie weggespült. Das habe ich so noch nie erlebt. (…) Mir kam es vor, als trinke man [die Gegner der Initiative] sich Mut an, um etwas zu wagen, was man sonst nicht machen würde.» Egal wie viel diese Vertreter der Kapitalisten tranken, wie viel Geld sie in Propaganda investierten, wie viel sie die Kernschmelze der AHV an die Wand malten, überall kam ihr wahres Gesicht zum Vorschein. Mit voller Klarheit entlarvten sie die Klasseninteressen, die sie selbst verteidigen.

Bundesrat Keller-Suters Heuchelei entblösste sich, als sie sich über die Ungerechtigkeit erboste, dass höhere Renten «mit der Giesskanne auf alle Rentnerinnen und Rentner verteilt» würden. Nachdem sie die CS nicht mit 8, sondern mit 259 Milliarden gerettet hatte! 

Am eindrücklichsten zeigte sich die Klassenpolarisierung in der totalen Fehlzündung des öffentlichen Briefes von drei Altbundesräten. Diese Truppe – verantwortlich für den kontinuierlichen Sozialabbau der letzten 30 Jahre – rief auf zu «Vernunft» und «Verzicht». Dabei heimsen sie selbst monatlich eine durchschnittliche AHV-Jahresrente ein – als Bundesratsrente auf Lebenszeit! Ihre Glaubwürdigkeit verpuffte. 72% der Befragten taxierten dieses zynische Manöver von drei alten Bonzen als «unpassend».

«Das Ende des liberalen Sonderweges»

Die Bourgeoisie hat eine historische Niederlage eingesteckt. Sie waren sich so sicher, dass die Initiative an der Urne versenkt würde. Immerhin hatten sie es noch immer geschafft, der Arbeiterklasse einzureden, dass eine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen nicht in ihrem eigenen Interesse sei. 

In der Sprache der Abstimmungszahlen konstatieren konsternierte Politologen: 2013 existierte die heile Welt noch. Die Stimmbevölkerung lehnte eine sechste Ferienwoche ab. 2016 erreichte die letzte Initiative zum Ausbau der AHV nur gerade 40% Unterstützung. Am letzten Samstag stieg diese auf über 58%. Im Kontext der Schweizer Politik, wo Verschiebungen von über einem Prozent bereits als Erdrutsche bezeichnet werden, ein enormer Sinneswandel!

Das bürgerliche Kampfblatt NZZ stellt fest: «Die Alterung seit 2016 kann aber den Sprung von fast 18 Prozentpunkten zusätzlichen Ja-Stimmen innert acht Jahren selbst unter Berücksichtigung der viel höheren Mobilisierung nicht voll erklären. (…) Jährliche Umfragen lassen mutmassen, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Privatunternehmen gesunken ist. (…) Das Gefühl der Abgehobenheit von Grosskonzernen, die für das breite Publikum unverständlich hohen Löhne auf den Chefetagen und zwei staatliche Subventionspakete innert 15 Jahren wegen Versagens von Grossbanken dürften hier eine wesentliche Rolle spielen.» Korrekt! Und für sie noch schlimmer: Das Vertrauen in ihr ganzes kapitalistisches System ist gesunken!

Doch der grundlegende Prozess hinter diesem Umschwung können und wollen sie nicht verstehen: Es ist die historische Sackgasse des globalen Kapitalismus und der Niedergang des Schweizer Imperialismus. Seit 2020 ist die Krise sprunghaft präsenter, in der Weltpolitik und im Portemonnaie der Schweizer Bevölkerung: Pandemie, Krieg, Inflation und Lebenskostenkrise mit Miete, Krankenkassenprämien, etc. Die Krise des Kapitalismus ist längst auch in der Schweiz angekommen. Und wie wir Marxisten seit längerem erklärt haben, wirkt sich das notwendigerweise auf das Bewusstsein der Arbeiterklasse aus. Es gärt in der gesamten Arbeiterklasse. Unmut macht sich breit. 

An der Urne kam zum Ausdruck, dass viele erkannt haben, dass der Reichtum offensichtlich da ist! Aber das System hilft nur den Kapitalisten. Heute ist es Zeit, uns zu holen, was uns zusteht. Das ist nicht egoistisch, sondern eine korrekte Erkenntnis der sich widersprechenden Klasseninteressen! 

Die Bürgerlichen sind sich der Tragweite ihrer Niederlage bewusst. Politgeograf Hermann sieht die Annahme der Vorlage als ein Zeichen für «das Ende des liberalen Sonderwegs der Schweiz. Also das endgültige Erlahmen der Revolution von 1848.» Damals hätte man dem Volk «grosses Mitspracherecht (gegeben). Die Armeewaffen wurden zu Hause aufbewahrt – man vertraute also darauf, dass das Volk sie nicht gegen die Obrigkeit einsetzt.» 

Der ganze «Sonderfall» der Schweizer Politik, die Zauberformel im Bundesrat und die Konkordanz – das heisst die Integration der Führung der Arbeiterklasse in der bürgerlichen Regierung – basierte darauf, dass die Arbeiterklasse überzeugt werden konnte, ihre eigenen Interessen denen der Bourgeoisie unterzuordnen. Das funktioniert nicht mehr. Deshalb macht sich auch die Chefin des Grosskonzern-Verbandes Economiesuisse Sorgen um «die Solidarität zwischen gut und weniger gut Verdienenden». Im Klartext: Sie haben Angst vor dem Klassenkampf von unten – sehr berechtigte Sorgen!

Das Resultat ist Ausdruck einer neuen Periode. Ihr System ist in der Krise. Um ihre Profite zu verteidigen, müssen die Kapitalisten die Arbeiterklasse frontal angreifen – in Zukunft noch viel härter, denn wir stehen erst am Beginn der neuen Periode. Nach der ökonomischen Stabilität schmilzt nun auch die politische. Die Arbeiterklasse zieht bereits politische Schlussfolgerungen und beginnt, entsprechend zu handeln. Heute noch an der Urne. Doch die Zeichen stehen auf offenem Klassenkampf! Darauf bereitet sich die Revolutionäre Kommunistische Partei vor.

Die 13. Rente ist noch lange nicht ausbezahlt!

Die Arbeiterklasse hat sich klar ausgedrückt: Sie will eine höhere AHV-Rente. Doch was an der Urne beschlossen wurde, ist noch lange nicht Realität. Die Schockstarre der Bourgeoisie dauerte nicht lange. Seit dem Folgetag intrigiert sie mit der Absicht, die Kosten auf die Arbeiterklasse abzuwälzen. 

Die Argumentation, mit der die Bürgerlichen die Umsetzung der Abstimmung verweigern, ist die gleiche wie immer: Es sei kein Geld da. Das ist eine dreiste Lüge. In der gleichen Woche hat sich der Novartis CEO sein Jahresentgelt verdoppelt – auf 16.2 Millionen Franken. Und der Willy Wonka der Schweiz, Lindt & Sprüngli, schloss das letzte Geschäftsjahr mit 671 Millionen Franken Gewinn – dank einer staatlichen Gewinnsteuersenkung. 

Reichtum ist also genug da. Doch der Kapitalismus produziert eine enorme Polarisierung dieses Reichtums. Ein gutes Leben und einen Ruhestand in Würde wären heute möglich, und zwar für alle! Doch solange die Kapitalisten an der Macht sind, passiert das Gegenteil: Alle Verbesserungen der letzten hundert Jahre werden heute wieder zurückgenommen. Die dreizehnte Rente steht ab Tag Eins unter Beschuss. 

Die steinreiche Klasse, die einem guten Leben für alle im Weg steht, muss gestürzt werden. Die Revolutionäre Kommunistische Partei kämpft für eine Arbeiterregierung, die mit einem kommunistischen Programm eine Mehrheit der Arbeiterklasse hinter sich organisiert. Durch die Enteignung der Kapitalisten kann die Arbeiterklasse den enormen Reichtum der Gesellschaft erstmals kontrollieren und dafür einsetzen, die Probleme der Menschheit zu lösen: Von der Altersarmut bis zur Kernfusion!

Von der Urne auf die Strasse und in die Betriebe

Am Tag, nachdem 75% der Stimmenden eine Rentenaltererhöhung abgelehnt haben, erklären die Bürgerlichen, die Erhöhung des Rentenalters sei die einzige gerechte Finanzierung. Das ist das Demokratieverständnis der Bourgeoisie: Demokratie nach ihrem Interesse! 

Das Parlament des bürgerlichen Staates wird einen solchen Entscheid im Interesse der Arbeiterklasse nicht durchsetzen. In der NZZ erklärt Hans-Peter Schaub von Swissvotes: Aus einer Niederlagen alleine könne noch nicht geschlossen werden, dass der Verband der Grosskonzerne Economiesuisse seinen Einfluss verloren hätte: «Was die Verbände beim Lobbyieren im Parlament und bei der Verwaltung erreichen, dürfte wesentlich stärker ins Gewicht fallen als die eine oder andere Abstimmungsniederlage.» Wie wahr! Die wirkliche Macht in ihrer «Demokratie» liegt bei den Grosskonzernen und Banken.

Die Arbeiterklasse wird lernen müssen, dass es für echte Verbesserungen nicht reicht, einen Stimmzettel auszufüllen. Sie wird selbst in den realen Kampf treten müssen – auf der Strasse und im Betrieb. 

Doch die Reformisten der SP und der Gewerkschaften befinden sich im Siegestaumel. Sie schüren Illusionen ins Parlament. Wir haben bereits vor der Abstimmung kritisiert, dass die entscheidende Frage, wer bezahlt, umgangen wurde. Es ist die Achillesferse ihres Erfolges. Ihre Aufgabe wäre es, der Arbeiterklasse zu helfen, Illusionen in die bürgerliche Demokratie abzulegen. 

Der einzige Weg zu Verbesserungen führt über die Mobilisierung und den Druck von aussen aufs Parlament. Erste Anzeichen davon sieht man bei den ersten Streiks in Genf und im Tessin. Um allen ein Leben in Würde zu ermöglichen, muss dieser Kampf verallgemeinert werden. Dafür gibt es ein riesiges Potenzial. 1.8 Millionen Menschen haben für die Vorlage gestimmt. Hunderttausende von ihnen wären heute bereit, aktiv für die Umsetzung zu kämpfen. 

Sie brauchen eine Partei, die die Wahrheit sagt und den Weg aufzeigt: Verbesserungen können nur mit den Methoden der Arbeiterklasse, mit Streiks, Demos und dem Druck der Strasse erkämpft werden! Dafür müssen sich die Arbeiter organisieren. Das wird die RKP in wachsendem Ausmass tun – und dafür solltest auch du aktiv werden!

Wir sind in eine neue Periode eingetreten. In dieser gibt es keinen Platz für Kompromisspositionen oder Klassenkollaboration. Die Abstimmung beweist, dass das Bewusstsein mit dieser Realität aufholt. Die nächsten zehn Jahre werden komplett anders sein als die vergangenen zwanzig. Der Auftrag der RKP ist es, alle Schlussfolgerungen aus dem Sieg vom 3. März zu ziehen und entsprechend zu handeln. 

Das diffuse Klassenbewusstsein, das sich an der Urne gezeigt hat, muss sich zu einer Kraft formen, die den Kampf für Verbesserungen mit der geballten Kraft der Arbeiterklasse führt. Dafür müssen die Kommunisten sich organisieren und eine schlagkräftige Organisation aufbauen, die diese Herausforderung annimmt. Wir führen den Kampf für ein Altern in Würde für alle mit der Klarheit, dass dies nur möglich ist, wenn wir uns aus der heutigen Situation der Abhängigkeit von den Kapitalisten, der Willkür ihres Parlaments und ihrer Scheindemokratie befreien. Dafür bauen wir die Revolutionäre Kommunistische Partei auf – im Kampf für den Kommunismus!