Das CO2-Gesetz treibt einen Keil zwischen den Klimakampf und die Arbeiterklasse. Deshalb ist es kein Schritt zur Lösung, es ist ein Schritt weg von der Lösung. Mit welcher Position führen wir den Kampf gegen den Klimakollaps und das CO2-Gesetz?

Wie ist es dazu gekommen, dass die Linke ein solches Gesetz verteidigt? Und das nach mehr als zwei Jahren Klimastreik? Der Klimastreik stellte von Beginn weg die Frage korrekt: Als internationales Problem, das nur international gelöst werden kann. Und als Frage eines «System-Change», einer grundlegenden Veränderung. Sowie als Frage der «Klimagerechtigkeit»: dass die Massnahmen nicht auf Kosten der «Ärmeren», also der Lohnabhängigen, gehen dürfen. 

Doch wieso verteidigen die gesamte Linke und die Grünen eine Vorlage, welche gegen alle diese Prinzipien verstösst? Und wieso steht der Klimastreik völlig blockiert daneben, verhindert in seinen Strukturen aktiv jede Diskussion zum Gesetz und sabotiert so den Kampf gegen das Gesetz?

Ihr einziges Argument: das kleinere Übel. Das offenbart sich im inhaltsfreien Slogan «Ohne Planet ist doof». Dass die gesamte Linke in dieser Frage keine Alternative aufzeigen kann, bringt die Geschäftsleitung der JUSO am klarsten auf den Punkt. In ihrer Stellungnahme gegen das Referendum erklärt die Führung der Jungpartei: «Bis heute wurde jedoch nicht im Ansatz aufgezeigt, wie diese Alternative aussehe und wer im Falle einer Ablehnung eine bessere Klimapolitik leiste.» 

Wie bauen wir eine Alternative auf?

Diese Frage der Alternative war bereits der Grund der weltweiten Explosion des Klimastreikes. Jahrzehnte pro-kapitalistische Politik weltweit haben es nicht geschafft, eine Alternative zum Kollaps des Klimas und der Ökosysteme aufzuzeigen. Und gerade weil uns die Zeit davon rennt, hat diese Jugendbewegung die Frage der Alternative so laut und klar gestellt: Wie bauen wir eine Kraft auf, welche sich gegen die Profitinteressen der Kapitalisten und ihren Lakaien-PolitikerInnen durchsetzen kann? 

Hier muss klar festgehalten werden: Solange das Profitmotiv die Wirtschaft steuert, solange die UBS die UBS ist, eine Privatbank, mit welcher die reichste Elite die Schicksale tausender Unternehmen kontrolliert und solange Lafarge-Holcim, der Zementkonzern, vier Mal mehr CO2 ausstösst als alle Schweizer Haushalte zusammen, weil sich das rentiert, solange wird sich in der Klimafrage nichts ändern. 

Wir müssen die Macht der Konzerne brechen. Und zwar nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch. Die gesamte bürgerliche Politik ist schlussendlich nur eine gemeinsame Verwaltung der Interessen der Besitzer von Grosskonzernen und Banken.

Die Antwort auf diese Frage versteckt sich im Aufbau dieser Gesellschaft und der Art, wie im Kapitalismus produziert wird. Wirklich «arbeiten» und Werte schaffen, das tun nämlich nicht die CEOs, Banker und Grossaktionäre. Die grosse Mehrheit der Bevölkerung macht Lohnarbeit, Arbeit in einem Betrieb eines Kapitalisten gegen Lohn. Von dieser Arbeit schöpfen dann die Eigentümer den Profit ab. Bei der Familie Blocher erarbeiten im 2020 einige tausend Angestellte über 4 Milliarden für die Bonzen-Familie.

Die Lohnabhängigen sind die natürlichen Verbündeten des Klimastreiks. Nicht nur haben alle Lohnabhängigen das Interesse des Überlebens unsere Klasse und die Abwendung des Klimakollapses. Was ihre Stärke ausmacht, ist, dass sie es sind, welche den ganzen Reichtum der Gesellschaft erschaffen und durch ihre Arbeit täglich das ganze System zum Laufen bringen. 

Die kämpfenden SchülerInnen haben die Aufgabe, die Lohnabhängigen in den Kampf zu ziehen. Im Gegensatz zu den SchülerInnen können diese mit Streiks die Wirtschaft lahmlegen. Und wenn sie gut genug organisiert sind, können sie die Betriebe auch selber übernehmen, verwalten und nach ihren Interessen – und in Harmonie mit der Umwelt – verändern.

Ist das Gesetz also ein kleineres Übel?

Unter diesem Gesichtspunkt erkennt man, dass das CO2-Gesetz eben kein kleineres Übel ist, sondern ein grösseres! Im Abstimmungskampf stellt sich die gesamte Schweizer Linke mit geschwollener Brust vor die Lohnabhängigen und erklärt ihnen:

Ja, ihr müsst für die Klimakrise bezahlen, auch wenn es die Grosskonzerne waren, welche wirklich den Planeten zerstören»

Wieso die Massnahmen im Gesetz völlig zahnlos sind und uns keinen Zentimeter näher ans notwendige Etappenziel von «Netto Null» CO2-Ausstoss bis 2030 bringen, erklärten wir anderswo. Das geben auch die linken VerteidigerInnen des Gesetzes zu. Hier möchten wir auf eine andere Konsequenz dieser Position hinweisen. Nämlich, dass die Linke und die Klimabewegung hier freiwillig einen tiefen Keil zwischen sich selber und die Arbeiterklasse treibt. Es ist unbestritten, dass die Lohnabhängigen die Zeche des gesamten Gesetzes bezahlen werden. 

Das ist genau die Logik, welche es der SVP erlaubt hat, über Jahrzehnte in einem Teil der Arbeiterklasse Fuss zu fassen. Wenn SVP-Kreise im Wahlkampf erklären, dass «der kleine Mann» die Zeche bei Benzin, Heizöl und Flugtickets bezahlen werden, ist das eine korrekte Aussage. Die Linke entgegnet ausschliesslich moralischen Plattitüden – in Verteidigung eines Gesetzes, welches nichts verbessert. Resultat wird sein, dass gerade die SP noch mehr als eine abgehobene Partei wahrgenommen wird, die leider nichts am Schicksal der Lohnabhängigen ändern kann. Kein Wunder werden sie dann nicht mehr gewählt. 

Es ist das grössere Übel!

Wie sollen wir das Vertrauen der Klasse der Lohnabhängigen gewinnen, wenn wir sie heute anlügen, nur um unser eigenes Bewusstsein zu beruhigen? In der vorliegenden Frage zeigt sich klar die Bedeutung einer unabhängigen Politik der Arbeiterklasse. Um in den stinkenden Gewässern der bürgerlichen Parlamentspolitik die Orientierung nicht zu verlieren, braucht die Arbeiterklasse eine Politik, welche gänzlich unabhängig von den Interessen der Kapitalisten ist. Eine Politik, welche konsequent die Interessen der Lohnabhängigen als Kompass hat. 

Die Klimakrise spielt sich nicht ausserhalb des Klassenkampfes ab, denn wir sitzen nicht alle im selben Boot. Und vor allem: die Klimakrise ist ein Aspekt der aktuellen Systemkrise des Kapitalismus. Mit dem Ausbruch der Wirtschaftskrise seit der Corona-Pandemie hat sich hier noch eine weiter Krisenschicht dazugesellt. Diese Wirtschaftskrise wird die Lebensbedingungen der Lohnabhängigen über Jahrzehnte unter Druck setzen und in den Betrieben jegliche Massnahmen zum klimaneutralen Umbau auf den Sankt-Nimmerleinstag verschieben. 

Das kapitalistische System ist ein krisenanfälliger Moloch, der einem riesigen Teil der Menschheit nichts mehr anzubieten hat ausser Verschlechterungen, Misere und Depression. Und es zerstört unaufhaltsam unsere Lebensgrundlage. Das CO2-Gesetz ist eine grossangelegte Propagandakampagne, welche uns allen Sand in die Augen streuen soll. Davon dürfen wir uns nicht ablenken lassen. 

Wir können es nur selber tun!

Dass bis heute kein Ansatz einer Alternative aufgezeigt worden sei – wie es die JUSO-Führung erklärt – ist erstens falsch und zweitens eine billige Ausrede, um in diesem entscheidenden Kampf keine Verantwortung übernehmen zu müssen. Ihre «kritische Unterstützung» zum Gesetz ist eine Sackgasse, die sie auch mit ihrer sterilen Klimakampagne nicht kaschieren können. Am Tag nach der Abstimmung wird sich erneut die Frage stellen, wie wir uns gegen die Kapitalisten durchsetzen können. Hier braucht es vor allem eines: politische Klarheit. 

Unter dem kapitalistischen System ist eine alternative Gesellschaft, welche einen harmonischen Umgang der Menschen untereinander und mit der Natur ins Zentrum stellt unmöglich! «System Change» bedeutet, den BesitzerInnen der Konzerne, welche für das Gross der Umweltzerstörung verantwortlich sind, die Kontrolle über die Geschicke der Menschheit zu entreissen. Nur die Lohnabhängigen selber können die Grossbanken und Betriebe wie Lafarge-Holcim enteignen und unter die Kontrolle der Allgemeinheit zu stellen.

Kurz: Der Kampf für «Netto Null 2030» ist der Kampf für den Sozialismus. Dieser Kampf kann und muss mit jedem Teilkampf im Hier und Jetzt verbunden werden, also auch mit dem Kampf gegen das CO2-Gesetz! Schritt Eins muss sein, im Klimastreik, in der Juso, der Jugend und bei den Lohnabhängigen klarzumachen, dass wir das Klimaproblem nur im Kampf für den Sozialismus und gemeinsam mit der Arbeiterklasse lösen können. Und diese gewinnen wir nur, indem wir sagen: Eure Krise bezahlen wir nicht! Weder die Klima- noch die Wirtschaftskrise! Diese einfachen Grundsätze müssen wir auch aus einer Minderheit verteidigen. Denn sie sind die einzigen, die eine Mehrheit der Gesellschaft vom Kampf für die eigene Befreiung hinter sich vereinen können. 

Von Caspar Oertli
Bild: Instagram @shots.by.luca