Die Dringlichkeit der Klimakrise kann man kaum in Worte fassen. Polschmelze, Abbrennen von riesigen Waldflächen: das alles sind nur Ausschnitte eines Prozesses, der unaufhaltsam auf die Katastrophe zuläuft. Wir müssen handeln. Doch wer denkt, das CO2-Gesetz täte das an unserer Stelle, der ist auf dem Holzweg. Die Kapitalisten und ihr bürgerliches Parlament wollen uns weismachen, dies sei der erste Schritt zur Rettung des Planeten. Doch das Gesetz ist für die Kapitalisten gemacht und wir werden mit diesem Gesetz verarscht: Es lädt eine riesige Last auf die Arbeiterklasse ab, während die wahren Übeltäter nicht bestraft werden!

100 Konzerne sind weltweit für 70% der Ausstösse von Treibhausgasen verantwortlich. Sie haben über Jahrzehnte bewiesen, dass sie sich gegen jede Einschränkung sperren. Wie wird das Referendum zu einem Schritt nach vorne für den Kampf gegen den Kapitalismus, der das Klima auf dem Altar des Profits opfert?

Die Situation

Am 25. September wurde das Gesetz im Bundeshaus verabschiedet und seit der Publikation im Bundesblatt vom 6. Oktober läuft die Frist von 100 Tagen, um das Referendum zu sammeln. Die Sektionen des Klimastreiks, die das Referendum ergreifen wollen, verdienen ein grosses Lob dafür und haben unsere volle Unterstützung. Sie brechen damit mit der gängigen linken Praxis, die sich in Feigheit übt. Wir haben beim Rentenklau (AV2020) schon 2017 gesehen, wie das funktioniert. Die rechten Elemente in der Arbeiterbewegung machen Druck und drängen die linken zum sogenannt kleineren Übel hin. Es erfordert Rückgrat und Prinzipientreue, um in einer solchen Situation nicht einzuknicken. 

Inhaltlich ist die Sache eigentlich klar. Es ist ein politisch-strategischer Entscheid, ob man kämpfen oder mit den Bürgerlichen faule Kompromisse machen will. Die Verteidigung des Gesetzes ist schwierig, wenn man es genauer anschaut. Denn es ist nicht nur ein schlechter Witz in Sachen Umweltschutz, sondern vor allem eine asoziale Gebührenschleuder auf Kosten der Arbeiterhaushalte.

Das Gesetz

Das Gesetz setzt das Ziel fest, dass die Erderwärmung bis 2030 maximal 1,5℃ gegenüber dem vorindustriellen Niveau betragen soll. Dafür soll der CO2-Ausstoss gegenüber dem Stand von 1990 halbiert werden. Dazu erhält der Bundesrat die Kompetenz, für Branchen Ziele und Vorgaben zu erlassen. Die Frage drängt sich auf: Was hat er denn bis jetzt gemacht, um griffige Resultate herbeizuführen? Mit dem neuen Gesetz wird ein Fonds geschaffen, um die Massnahmen zu bezahlen. Und wer zahlt dafür? Die Konzerne? Nein! Es werden diejenigen zur Kasse gebeten, die das Klima im Alltag “belasten”, also alle Lohnabhängigen. Auf Benzin und Diesel wird eine Abgabe von bis zu zehn und ab 2025 zwölf Rappen pro Liter fällig. Auf jedes Flugticket wird eine Gebühr von 30 Franken plus draufgeschlagen. Das ist zu wenig, um jemanden wirklich vom Fliegen abzuhalten, aber genug, um Hass zu ernten. Ganz allgemein geht das Gesetz so vor: Die Unternehmen haben die Möglichkeit, sich den Abgaben zu entziehen. Aber die Lohnabhängingen nicht. Denn wo ist der Gesetzesparagraph, der einen Taktfahrplan für den ÖV ausserhalb der Stadt einrichtet, damit man um sechs Uhr die Arbeit bei Coop, auf der Baustelle oder im Spital antreten könnte? Kein einziges Problem wird mit diesem Gesetz gelöst. Aber es lädt eine happige Belastung auf die Arbeiterklasse.

Das Gesetz und die Grünen

Wie konnte ein solches Gesetz zustande kommen? Es wurde drei Jahre lang beraten und vom FDP-SVP-dominierten Parlament bis 2019 immer wieder abgelehnt. Seit 2018 ist der Klimastreik aktiv und machte Druck, ein richtiges CO2-Gesetz auszuarbeiten. Mit dem Wahlerfolg der Grünen kam 2019 neuer Schwung in die Sache. Doch die Grünen haben spätestens mit diesem Gesetz bewiesen, dass sie keine Verbindung zur Arbeiterbewegung haben und auch keine aufbauen wollen. Den Klimastreik-Slogan “System change, not climate change” schlagen sie in den Wind. Das System akzeptieren sie für das kleinste bisschen Umweltschutz – so ihre Botschaft.

Der Präsident der Grünen, Balthasar Glättli, griff den Klimastreik dafür an, das Referendum zu ergreifen. Noch schlimmer ist aber die Haltung der Gewerkschaften: Wenn der Klimastreik das Referendum ergreift, dann würden die Gewerkschaften den Strike for Future (das Ziel, im Frühjahr 2021 einen Generalstreik fürs Klima zusammen mit den Lohnabhängigen zu organisieren) nicht unterstützen, heisst es aus Klimastreikkreisen. Es zeugt von sehr wenig Verständnis für die Arbeiterklasse, sich nicht klar hinter das Referendum zu stellen, sondern ein Gesetz zu verteidigen, welches die Arbeiterklasse zur Kasse bietet. Genau so treibt man die Büezerinnen und Büezer zur SVP.

Die SVP

Während der ganzen Ausarbeitung des Gesetzes hat die SVP immer wieder angedroht, das Referendum zu ergreifen. In der Schlussdiskussion meldete sich aber niemand aus der Fraktion mehr zu Wort. Natürlich hat die geäusserte Ablehnung nichts mit uns gemein. Sie sperren sich gegen jeden Klimaschutz. Wir hingegen sagen, das Gesetz bringt dafür nichts.

Es gibt nun zwar ein Komitee aus einigen Autogewerbler-Verbänden, aber die SVP selbst sammelt nichts. Die Junge SVP versucht sich opportunistisch an das Referendum des Klimastreiks zu hängen, doch erfuhr bereits eine deutliche Absage.

Letztlich verhält sich die SVP aber genau gleich, wie bei der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative. Sie erklärt etwas zu einem unannehmbaren Gesetz, ergreift aber nicht das Referendum. Das ist quasi ein Steilpass, um ihre Scheinheiligkeit zu entlarven. Die Rammbock-Funktion der SVP im Dienst des Grosskapitals treibt die Reformisten immer wieder zum kleineren Übel. Wir brauchen eine eigene, unabhängige Klassenposition. Wir fassen die Position nicht in Abgrenzung zur SVP und lassen sie uns ebensowenig von den konservativen Verwaltern des Status quo in SP und Grüner Partei diktieren. Gegen den Klimawandel muss man kämpfen. Das ist der Kampf gegen den Kapitalismus. Diesen Kampf können wir nur gemeinsam, als Klasse gewinnen.

Klimastreik und Referendum

Es war eine absolut korrekter Schritt rasch und entschieden zu handeln. Es war wichtig, dass Teile des Klimastreiks als erste erklärten, das Referendum zu sammeln. Doch die Argumente und die Zielsetzung sind im besten Fall unvollständig, oft aber falsch. Die zwei grossen Probleme sind: Erstens wird nicht klipp und klar gesagt, dass man das Gesetz ablehnt, weil es die Kosten der Klimakrise auf die Arbeiter abwälzt und nicht auf die wahren Verursacher, die Konzerne. Zweitens fehlt das strategische Verständnis von einem Referendum: Was kann man damit machen? 

Die reine Zurückweisung des Gesetzes reicht nicht aus und ebensowenig, eine “öffentliche Diskussion darüber zu führen”, wie ein besseres Gesetz erarbeitet werden könnte. Zuallererst ist es wichtig, diesem Vorhaben eine Perspektive zu geben. Warum tut man das? Was will man damit? Was peilen wir statt des Gesetzes an? Das Referendum bringt nur dann etwas, wenn ab dem Sammeln bis über die Abstimmung hinaus eine breite, prinzipielle Front aufgebaut wird.

Diese muss das Ziel verfolgen, den Kapitalismus zu stürzen und so die Klimakrise nachhaltig zu beseitigen. Das will aber öffentlich erklärt werden. Es ist klar: Mässigung überzeugt niemanden. Viele Büezer verabscheuen die Grünen und die SP, weil diese predigen, weniger Auto zu fahren und zu fliegen oder Bio-Produkte zu kaufen. Wir setzen der falschen Strategie der individuellen Mässigung entgegen: Es gibt genug Ressourcen auf der Welt und die Rettung des Planeten ist eine Frage der Planung. Doch das setzt voraus, dass wir, die Arbeiterklasse, die Kontrolle über die Produktion haben. Keine Arbeiterin muss sich in Verzicht üben, wenn wir die Kapitalisten enteignen. 

Strike for Future

Der Strike for Future ist ein korrektes Ziel und das Referendum sollte genutzt werden, diesen vorzubereiten. Statt sich von der Gewerkschaftsführung unter Druck setzen zu lassen, um die Finger vom Referendum zu lassen, muss der Druck in die andere Richtung ausgeübt werden. Die Gewerkschaften können vor ihrer Basis kaum rechtfertigen, dass bereitwillig quasi ein Lohnabbau akzeptiert wird. Also ist es die Pflicht des Klimastreiks, an die Gewerkschaftsbasis zu appellieren und diese in den Referendumskampf einzubinden. Das Referendum kann und darf kein Selbstzweck sein. Es muss eine breite Front gegen die asoziale Politik der Grünen und ihren bürgerlichen Verbündeten herstellen. Denn sie bieten keinen Ausweg aus der Klimakrise!

Das Referendum muss als erster Schritt fungieren, um offensiv an die Arbeiterklasse heranzutreten. Unter den BesetzerInnen des Bundesplatzes hatte dieses Ziel viel Unterstützung. Die Verteidigung des CO2-Gesetzes (von Teilen des Klimastreiks) ist mindestens einen Schritt rückwärts auf diesem Weg. Doch das Aufnehmen des Kampfes mit dem Referendum kann einen Schritt vorwärts bedeuten. Dieses Unterfangen ist es wert, die nötige Energie aufzuwenden, wenn im Kampf etwas aufgebaut wird. Mit der richtigen Zielsetzung hat der Klimastreik unsere volle Solidarität und unsere Unterstützung!

Für die Redaktion
Michael Wepf