Wir verurteilen den Angriff der russischen Armee auf die Ukraine und die zynische Haltung der NATO-Mächte. Die Leidtragenden der kaltblütigen Machtpolitik der kapitalistischen Staaten sind immer die ArbeiterInnen, Unterdrückten und Ausgebeuteten der verschiedenen Länder. Welche Haltung sollten ArbeiterInnen und Revolutionäre in der Schweiz zu diesem Konflikt einnehmen? Was ist die Position der MarxistInnen?

Wir veröffentlichen hier eine aktualisierte Version unseres Statements vom 25.2.2022. Unsere Position hat sich keinen Millimeter verändert. Aber die Veränderung der Haltung des Bundesrates sowie die allgemeine Verwirrung in breiten Teilen der Linken über die Sanktionen drängten uns dazu, unsere Position in dieser Frage etwas länger auszuführen. Die ursprüngliche Version kann weiterhin hier aufgerufen werden.

Kein Krieg zwischen den Völkern! Kein Frieden zwischen den Klassen!

Wir dürfen uns nicht blenden lassen vom Propagandakrieg beider Seiten dieses Konfliktes. Lassen wir uns nicht hineinreissen in ihr Spiel, «wer angefangen hat» oder welche Seite Schuld am gegenwärtigen Konflikt ist! Wir müssen von den Interessen der Arbeiterklasse aller Länder ausgehen. Hinter beiden Seiten stecken reaktionäre imperialistische Bestrebungen, die sich gegenseitig zur Eskalation hochgeschaukelt haben.

Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion im 1991 dringen der US-Imperialismus und seine europäischen NATO-Verbündeten in die ehemals russische Einflusssphäre ein. Die Maidan-Bewegung 2014 wurde vom deutschen und US-Imperialismus entfacht. Sie führte zum Sturz der Regierung in der Ukraine und ihrer Ersetzung durch ein vom Westen unterstütztes reaktionäres Regime, das seither den ukrainischen Chauvinismus schürt. Wann immer der westliche Imperialismus aggressiv agiert, schiebt er die Schuld auf einen Sündenbock und inszeniert sich als Kraft für «Frieden und Demokratie». Er zieht dabei eine blutige Spur hinter sich nach: ob in Jugoslawien, Afghanistan oder an den Grenzen der Festung Europa. Putin und seine Oligarchie auf der anderen Seite sind sicher keine Freunde der Arbeiterklasse, weder in Russland noch sonst wo. Die Invasion der Ukraine ist lediglich eine Fortsetzung von Putins eigener reaktionären Agenda. 

Nichts ist fortschrittlich bei irgendeinem der kapitalistischen Akteure dieser dramatischen Ereignisse. Das gilt für die USA und die westlichen Imperialisten ebenso wie für das Putin-Regime oder die vom Westen unterstützten ukrainischen Nationalisten und die Regierung Selenski. Das ist kein Konflikt zwischen einem «demokratischen» Westen und einem «diktatorischen» Putin, sondern ein Kampf zwischen zwei gegensätzlichen imperialistischen Blöcken um ihre Einflusssphäre. Die Leidtragenden von ihren Kriegen, von Unsicherheit, Ausbeutung, Chauvinismus und Spaltung der Klasse sind immer die Arbeiterklasse und die Unterdrückten der verschiedenen Länder. Die Arbeiterklasse weltweit hat nichts zu gewinnen und kann nur verlieren, wenn sie eine der beiden Seiten in diesem abscheulichen Konflikt unterstützt.

Heisst das, dass die «Neutralität» der Schweiz korrekt ist? Sicher nicht! Die Schweizer Neutralität ist ein Mittel, mit dem das Schweizer Kapital seine eigenen Profitinteressen auf internationaler Bühne verteidigt. Die erste Reaktion des Bundesrates und der bürgerlichen Parteien war es, sich im Namen der Neutralität nicht vollumfänglich den Sanktionen der EU und der USA anzuschliessen. Stattdessen sollte die Schweiz ihre «Guten Dienste» als Vermittler zwischen den Konfliktparteien anbieten. Das ist pure Heuchelei! Die Kapitalisten und ihre Regierung interessieren sich nicht für das Schicksal derjenigen, die unter dem Krieg leiden. Sie interessieren sich nur für gute Geschäfte – mit beiden Seiten. Rund 80% des russischen Rohstoffhandels erfolgt über die Schweizer Finanzdienstleistungszentren Genf, Zug, Lugano und Zürich. Diese Interessen des Finanzplatzes wollen die Bürgerlichen unter dem Deckmantel der Neutralität verteidigen. Auf der anderen Seite geschäften sie munter in den USA, der EU und natürlich auch in der Ukraine, wo die Schweizer Kapitalisten dankend vom Geschäftsklima unter der reaktionären Maidan-Regierung seit 2014 profitierten: Die Schweiz ist in den letzten Jahren zum viertgrössten Investor in der Ukraine geworden. Das ist die Bedeutung der Neutralität: Sie ist die Art und Weise, wie der Schweizer Imperialismus traditionell seine Interessen auf internationaler Ebene verteidigt: Er balanciert zwischen den grossen Blöcken und vergrössert seinen Reichtum durch die bestmögliche Ausbeutung der globalen Arbeiterklasse. Die Neutralität ist kein Teil der Lösung, sie ist integraler Bestandteil dieses barbarischen kapitalistischen Systems, das diese Kriege hervorbringt. Die Schweizer Neutralität verteidigen heisst, den parasitären Schweizer Imperialismus verteidigen. Das Schweizer Kapital hat keinerlei gemeinsames Interesse mit der ukrainischen oder der russischen Arbeiterklasse. Und die Schweizer Arbeiterklasse hat keinerlei gemeinsames Interesse mit dem Schweizer Kapital und seiner Regierung!

Einige Tage nach dem russischen Einmarsch ist der Bundesrat unter dem grossen internationalen Druck des westlichen Imperialismus eingebrochen. Am 28. Februar erklärte er, die EU-Sanktionen vollumfänglich mitzutragen. Mehr als sonst irgendetwas, zeigt uns das die Krise des Schweizer Kapitalismus und die relative Schwächung seiner Position im globalen Kapitalismus.

Wenn die Neutralität falsch ist, sollten wir dann die Übernahme der Sanktionen gegen Russland bejubeln? Sicher nicht! Wir verstehen alle ehrlichen Menschen, die aus aufrichtiger Empörung über den hässlichen Angriff der Putin-Regierung irgendetwas gegen diese tun möchten. Aber von der bürgerlichen Regierung Sanktionen gegen eine der kapitalistischen Konfliktparteien zu fordern, heisst nichts anderes, als sich ins Lager der anderen imperialistischen Konfliktpartei zu stellen: der USA, EU und NATO und der reaktionären nationalistischen Regierung der Ukraine. Man muss sich nur den Applaus von Joe Biden oder die euphorische Reaktion auf die Schweizer Sanktionen in den führenden westlichen bürgerlichen Medien anschauen, um das zu verstehen.

Dass die Rufe nach Sanktionen vom ersten Moment an aus den Reihen der traditionellen Linken und insbesondere der SP kamen, ist ein Skandal! Die Sanktionen sind nicht ein Mittel, um den Krieg zu beenden. Die Sanktionen sind eine der Waffen der westlichen herrschenden Klasse in diesem Krieg. Mit der Übernahme der Sanktionen unterstützt der Bundesrat die zynische westliche Politik, welche bereit ist, die ukrainischen Lohnabhängigen zu Tausenden auf dem Schlachtfeld eines Stellvertreterkrieges zwischen den USA/EU und Russland zu opfern. Den westlichen Ländern geht es nicht darum, den Krieg zu beenden, um das Leid der Zivilbevölkerung in der Ukraine zu stoppen. Alle ihre Aktionen in den ganzen letzten Jahren beweisen das! Ihnen geht es einzig darum, die Ukraine nicht aus dem eigenen Einflussgebiet zu verlieren. Dafür haben sie in der Vergangenheit den Krieg riskiert und mitprovoziert. Und dafür sind sie jetzt bereit, durch Sanktionen, Waffenlieferungen und anti-russischem Chauvinismus den Konflikt weiter anzustacheln und den Krieg in die Länge zu ziehen. 

Keine Sanktionen oder diplomatischen Worte der Herrschenden können den Krieg aufhalten. Sanktionen, egal wie «gezielt» sie zu sein vorgeben, treffen in jedem Fall zuerst die Lebensbedingungen der russischen Arbeiterklasse, lange vor den Oligarchen und Putin. Wie um alles in der Welt sollte das der Arbeiterklasse in Russland eine Hilfe sein, ihre eigene Regierung zu bekämpfen? 

Der Krieg stellt alle linken Organisationen auf den Prüfstand – und die Mehrheit von ihnen ist auch in der Schweiz tragisch gescheitert. Sie beziehen Stellung Seite an Seite mit dem EU- und dem US-Imperialismus: der reaktionärsten Kraft der Welt überhaupt. Wir dürfen keine dieser beiden imperialistischen Seiten unterstützen!

Wir Marxistinnen und Marxisten sind in diesem Konflikt weder neutral noch stellen wir uns auf eine der Seiten des Imperialismus. Es gibt nur einen einzigen Weg, gegen den russischen Angriff Position zu beziehen, ohne sich dabei umgekehrt auf die Seite des westlichen Kapitals zu schlagen: Wir müssen uns auf einen konsequenten internationalistischen Klassenstandpunkt stellen. Die Genossinnen und Genossen der IMT kämpfen in allen Ländern gegen jeglichen Chauvinismus und für die internationale Einheit der Arbeiterklasse. Wir sprechen im Namen nur eines Interesses – des gemeinsamen Interesses der Arbeiterklasse aller Nationen. Was heisst das praktisch?

Es ist die Aufgabe der Arbeiterklasse in Russland, das Putin-Regime zu stürzen. Es ist die Aufgabe der internationalen Arbeiterklasse, den Krieg zu beenden. Dafür muss die Arbeiterklasse überall zuerst gegen die herrschende Klasse in ihrem eigenen Land und gegen ihre zynische, kriegstreiberische Politik kämpfen. Der Hauptfeind steht im eigenen Land! Es ist die Aufgabe der Arbeiterklasse in der Ukraine, sich ihrer eigenen verlogenen kapitalistischen Oligarchie entgegenzustellen, die das Land seit Jahren in einem Bürgerkrieg gefangen hält. Es ist unsere Aufgabe in der Schweiz, uns zu organisieren und den Kampf aufzunehmen gegen die Profitinteressen der Konzerne, ihren parasitären Finanzplatz und gegen die Regierung, die diese Konzerne verteidigt.

Diese kriegerischen Auseinandersetzungen sind ein Resultat des Kapitalismus in der Krise, in der sich die Spannungen zwischen den verschiedenen Blöcken zuspitzen. Im Kapitalismus wird es keine dauerhafte Lösung der Ukraine-Krise geben. Und es wird immer wieder zu Kriegen kommen. Der einzig realistische Weg vorwärts ist der Sturz des Kapitalismus. Dafür müssen wir uns organisieren! Das ist der wichtigste Beitrag gegen den Krieg, den wir leisten können. Schreib uns jetzt, wenn du dich diesem Kampf anschliessen willst!

  • Nieder mit den Kriegstreibern und Profiteuren!
  • Enteignung der Bankkonten aller US-, ukrainischen und russischen Oligarchen und Rückführung der Gelder an die Arbeiterorganisationen der entsprechenden Länder!
  • Für die Einheit der Arbeiterinnen und Arbeiter aller Nationen!
  • Hoch die internationale Solidarität!
  • Kein Krieg zwischen den Völkern! Kein Frieden zwischen den Klassen!

Bild: own work