Der damals französische Zementhersteller Lafarge bezahlte dem Islamischen Staat (IS) Schutzgeld, um eine Fabrik in Syrien weiter zu betreiben. Eine kapitalistische Alltagsgeschichte von Monopolisierung und Profitlogik, die über Leichen geht.

Die Geschichte ist happig. Zwischen 2011 und 2015 soll Lafarge insgesamt knapp 13 Millionen Euro ($15.2 Mio.) an bewaffnete Gruppen in Syrien gezahlt haben, davon monatlich 20’000 Dollar an den sogenannten Islamischen Staat. Die Zahlungen seien für Material, Schutz des Personals und Steuern an den IS verwendet worden. Dies sagten Anwälte der Menschenrechts-NGO Sherpa im nun laufenden Verfahren aus. Sie beriefen sich auf einen veröffentlichten Lafarge-internen Bericht.

Profit bis zuletzt
Zu einer Zeit, in der die meisten ausländischen Firmen bereits das Land verlassen hatten, stieg Lafarge zu Syriens grösstem Investor ausserhalb der Ölindustrie auf. Verantwortlich für die Abwicklung der Geschäfte waren zwar das regionale und lokale Management. Behauptungen, dass auch höhere Abteilungen bis zur Geschäftsleitung informiert waren, scheinen bei einer Operation dieser Tragweite aber nicht unwahrscheinlich. Die Zementfabrik in Jalabiya, einer Stadt 150 Kilometer nördlich von Aleppo, wurde von IS-Kämpfern im September 2014 erobert. Angestellte beschuldigen die Firma, keinen Notfallplan vorbereitet zu haben und konnten nur Stunden vor dem Überfall fliehen (France24).

Erste Berichte über die Verwicklungen des Konzerns in den syrischen Bürgerkrieg erschienen bereits 2016 durch Recherchen der französischen Zeitung Le Monde. Im Frühling 2017 gab die inzwischen mit der Marktführerin Holcim fusionierte Firma schliesslich zu, Gelder „an Dritte“ gezahlt zu haben, um die Produktion aufrecht zu erhalten. Man wisse jedoch nicht genau, wer das Geld erhalten habe. Ein firmeninterner Report gab an, dass die erfolgten Zahlungen an diverse bewaffnete Gruppen nicht mit der Firmenpolitik vereinbar gewesen seien.

Der damalige CEO musste wegen der Affäre den Posten räumen. Im Juni eröffnete die französische Staatsanwaltschaft nach einer Klage von Sherpa und anderen NGO ein Verfahren wegen Korruption und Terrorismusfinanzierung gegen LafargeHolcim. In diesem Zusammenhang wurden die Pariser Büros des Konzerns durchsucht und im November drei Manager verhaftet. Strafanzeige wurde auch gegen den ehemaligen CEO eingereicht.

Alles beim Alten
2015 kam es zum Zusammenschluss von Lafarge mit dem Schweizer Zementriesen Holcim zur LafargeHolcim Ltd. Der neueste Skandal reiht sich ein in eine Tradition von dreckigen Geschäften. Schliesslich hat der Konzern mit Sitz in Jona (ZH) eine der berüchtigtsten Biographien der Schweizer Unternehmenslandschaft. Von 1912 bis Anfang der 2000er Jahre war die Firma »Holderbank« dominiert von der Industriellenfamilie Schmidheiny. In den 1930er- und 40er Jahren stieg die Firma auf dem Weltmarkt auf. Durch Anteile an anderen Firmen, Mandatsanhäufung und ruchlose Geschäftemacherei scheffelte die Familie Millionen. Im Zweiten Weltkrieg verkaufte das Unternehmen seine Dienstleistungen an Alliierte wie auch Nazis. Auch im Apartheid-Staat Südafrika investierte die Firma massiv und verteidigte diesen bis zuletzt, da der Fall des rassistischen Regimes ihre Profite bedrohte.

Ein Schandfleck der Familie war auch die Eternit Gruppe, die Asbestzement herstellte. Auch nachdem die krebserregende Eigenschaft von Asbest wissenschaftlich erwiesen war, wurde dies von der Firmenleitung jahrelang geleugnet und weiterproduziert. Stephan Schmidheiny, Ex-CEO von Eternit, ist im Zuge eines jahrelangen Rechtsstreits nun in Italien in einem zweiten Verfahren wegen fahrlässiger Tötung angeklagt, nachdem eine erste Anklage wegen vorsätzlicher Tötung wegen Verjährung 2014 eingestellt  wurde. Holderbank benannte sich anfangs 2000er in Holcim um, unterzog sich einer Modernisierungskur und die Eternit Gruppe wurde schliesslich verkauft, da der Image-Schaden für die Familie zu gross wurde. Stephan Schmidheiny ist seitdem als »Philantrop« unterwegs und kauft sich einen guten Ruf mit der Unterstützung diverser NGO und Forschungsprojekte zurück.

Seilziehen um das Monopol
Der Merger von Lafarge und Holcim wird in Medien nicht zufällig abwechselnd als Fusion oder Übernahme durch Holcim beschrieben. Um den Deal wurde hart gerungen und er stand mehrmals am Rande des Scheiterns. Die Rivalität der verschiedenen Interessen von Aktionären und Verwaltungsratsmitgliedern setzt sich auch im neuen Konzern fort. Da der Name Lafarge durch den Syrien-Skandal in Verruf geraten ist, ist es gut denkbar, dass sich die Verhandlungsbasis um die weitere Ausgestaltung der Besitzverhältnisse innerhalb des Konzerns nun zu Ungunsten der Lafarge-Fraktion verschiebt.

Die Fusion von Lafarge und Holcim reiht sich ein in eine Tendenz der Zentralisierung und Monopolisierung des Kapitals in den letzten Jahren. Dies ist kein Zufall. Zwar führen Monopole auf den ersten Blick das kapitalistische Credo der »freien Konkurrenz« ad absurdum. Dennoch ist dieser Vorgang keine widersprüchliche sondern logische Konsequenz. In einem auf Profit und Konkurrenzdruck basierenden System muss sich auf Dauer derjenige durchsetzen, dessen Produktionsbedingungen profitabler sind. Das Strafverfahren gegen die Manager von LafargeHolcim wird den Konzern nicht stoppen, auch in Zukunft dreckige Geschäfte abzuwickeln.

Die Doppelmoral der Bürgerlichen aller Couleur ist aber auch hier offensichtlich. Während man vordergründig Muslime pauschal als Terroristen verunglimpft, wird hintendurch mit dem Terrorismus geschäftet. Einen Aufschrei provoziert nur die scheinbare »Amoral«, mit Islamisten zusammenzuarbeiten. Die tagtägliche Ausbeutung der Arbeitenden unter LafargeHolcim mit fatalen Schäden an Mensch und Umwelt werden hingegen schulterzuckend akzeptiert.