[dropcap]A[/dropcap]m 6. April hat die US-Marine eine Reihe von Raketenangriffen auf den Luftstützpunkt al-Shayrat südlich von Homs in Syrien geführt. Dabei sollen sieben Menschen getötet worden und einige Kampfflugzeuge zerstört worden sein.

Ohne weitere Rückfragen und ohne Rücksicht auf die Unterstützung durch die internationalen Institutionen, hat Trump eine Kehrtwende seiner früheren Position, nicht in Syrien zu intervenieren, unternommen und einen unilateralen Angriff gegen die Streitkräfte der syrischen Regierung geführt.
Die vorgetragene Rechtfertigung für diesen Angriff war die Verwendung von chemischen Waffen in der Stadt Chan Scheichun im Nordwesten Syriens bei einem Angriff syrischer Luftstreitkräfte. Es gibt bisher keine Beweise, was wirklich passiert ist und wer dafür verantwortlich ist. Die von den westlichen Medien zitierten „Experten“ kommen aus Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen oder den Weißhelmen, eine stark diskreditierte Organisation mit Beziehungen zu al-Kaida und der islamistischen Bewegung in Syrien. Chan Scheichun und die Provinz Idlib, in der die Stadt liegt, werden vom syrischen Flügel der al-Kaida mit dem Namen Hayat Tahrir Al-Sham (HTS) kontrolliert. Alle Informationen aus dieser Region werden von den Islamisten genau kontrolliert, deshalb gibt es keine Möglichkeiten sie zu bestätigen.

Reaktion auf beiden Seiten
Das Assad-Regime ist letztendlich für die Ausführung derartiger Angriffe voll verantwortlich. Aber zum jetzigen Zeitpunkt kann es durch die Verwendung chemischer Waffen keine Vorteile erreichen. Dank der Unterstützung Russlands hat Assad in diesem Bürgerkrieg die Übermacht. Auf dem militärischen Gebiet macht sie kontinuierlich Fortschritte und steht kurz vor „Friedenverhandlungen“, die ihre Position festigen würden. Vertreter der Trump-Administration haben wiederholt erklärt, dass sie Assad als die einzige Kraft betrachten, welche in der Lage ist, die Islamisten zu besiegen und Syrien zu stabilisieren. Eine andere Fraktion der herrschenden Klasse in den USA ist aber sehr besorgt über diese Situation, in der die USA Assad und den Russen Raum gewähren. Diese Fraktion, die von Saudi Arabien unterstützt wird, betrachtet den Sieg Assads, Russlands und des Irans als direkte Bedrohung ihrer Positionen in der Region.

Ihre Marionetten von der HTS und deren Verbündete befinden sich seit der Rückeroberung von Aleppo im Dezember 2016 in einer geschwächten Lage. Das wurde vor einigen Wochen deutlich, als die von den Saudis und der CIA gestützten Gruppen in Idlib sich schnell zurückziehen mussten, nachdem sie eine größere Offensive auf die Stadt Hama gestartet hatten. Eine Offensive, mit der zum ersten Mal der landesweite Waffenstillstand, auf den sich die wichtigsten Kriegsparteien im letzten Dezember geeinigt hatten, gebrochen wurde. Von der jetzt einsetzenden Entwicklung profitieren die Islamisten und deren Unterstützer wesentlich mehr als die anderen am Krieg beteiligten Kräfte. Zusammenfassend kann man feststellen, dass es keinen endgültigen Beweis gibt, dass das Assad-Regime diesen chemischen Angriff durchgeführt hat. Aber trotzdem  hat das Fehlen eines Beweises den US-Imperialismus nicht davon abgehalten, die Bombenangriffe zu führen.

Der Einsatz chemischer Waffen ist eine besonders grausame Art der Kriegsführung. Aber der zynische Gebrauch dieser chemischen Angriffe für Propagandazwecke durch die Imperialisten war gelinde gesagt widerlich. Als ob die Barbarei, das Morden und Plündern in der gesamten Region nicht schon schlimm genug wäre, bevor jemand chemische Waffen eingesetzt hat. Als ob ein nie enden wollender Krieg, der Tod von hunderttausenden Kindern und die Zerstörung der Grundlage des zivilisierten Lebens moralisch akzeptabel wäre, solange dieses Morden nur mit Schwertern, Gewehren, Bomben, Luftangriffen und Sanktionen geschieht.

Die widerliche Heuchelei der USA
Nur vor einigen Wochen musste die vom Westen unterstützte Operation in Mossul beendet werden, nachdem 200 ZivilistInnen, die sich in einem Keller versteckt hatten, bei einem Luftangriff der US-Amerikaner getötet wurden. Der wahre Grund für diese Feuerpause war nicht so sehr die Tatsache, dass Menschen starben, sondern dass die Menschen in Mossul, die in den vergangenen Jahren unter der Herrschaft des IS gelebt haben, sich zunehmend feindlich gegenüber den irakischen Streitkräften und denen der Koalition verhalten. Als aber die Russen und Syrer Aleppo bombardierten, wurden dies missbilligt und es flossen Krokodilstränen ohne Ende. Aber von Mossul spricht heute keiner.

Der Bürgerkrieg in Jemen ist eine weitere, praktischerweise vergessene Angelegenheit. Die verkommene saudische Monarchie lässt dort 13 Millionen Männer, Frauen und Kinder absichtlich verhungern. Täglich werden Schulen und Krankenhäuser mit verbotener Streumunition bombardiert, die den Saudis von britischen und US amerikanischen Unternehmen verkauft wurden. Welche Rolle spielen der britische und US-Imperialismus dort? Aktive logistische, geheimdienstliche und Marineunterstützung für den Krieg und die Blockade.

Keine Macht der Welt hat mehr Menschen im Nahen und Mittleren Osten getötet als der US-Imperialismus. Die Besetzung des Iraks geschah auch auf der Grundlage von Behauptungen aus „Expertenquellen“ und Beschuldigungen der Anwendung von chemischen und anderen Massenvernichtungswaffen, die sich als falsch erwiesen. Nach Erkenntnis der Ärzte für soziale Verantwortung, die den Nobelpreis erhielten, hat der Irakkrieg eine Million Opfer gefordert. In der Zeit davor, starben laut UN 1,7 Millionen irakischer ZivilistInnen an den Folgen der von den USA verhängten Sanktionen. D. h., seit 1990 wurden drei Millionen IrakerInnen von den USA getötet. Und wie steht es mit dem abgereicherten Uran, das in beiden Kriegen verwendet wurde? Und den weißen Phosphorbomben, welche die USA 2004 auf Falludscha abgeworfen haben, die bis heute eine hohe Zahl von Geburtsschäden in der Stadt zur Folge haben? Als die US-Außenministerin Madeleine Albright 1996 nach der halben Million Menschen, die in Folge der US-Sanktionen im Irak starben, gefragt wurde, sagte sie: „Wir glauben, sie waren den Preis wert.“

Mit dem Beginn seines barbarischen Kriegs im Irak hat der US-Imperialismus die gesamte Region destabilisiert. In Syrien haben die USA und ihre regionalen Verbündeten die Türkei, Jordanien und Saudi Arabien interveniert, um die ursprünglich revolutionäre Bewegung in Beschlag zu nehmen und diese in einen reaktionären sektiererischen Konflikt zu führen. Die direkte und indirekte Unterstützung für al-Kaida und andere dschihadistische Organisationen hat ein frankensteinsches Monstrum geschaffen, das die gesamte Region, aber auch den Westen heimsuchen wird, wie eine Seuche, die uns in den nächsten Jahren erhalten bleibt.

Es ist klar, dass für Donald Trump und die herrschende Klasse in den USA das Schicksal der syrischen Bevölkerung vollkommen unwichtig ist. Es interessiert sie auch nicht, wer wen getötet hat oder ob chemische Waffen verwendet wurden. Die plötzlich Wende in Trumps Politik gegenüber Assad ist eine 180-Grad-Wende gegenüber der Position, die er noch vor wenigen Wochen eingenommen hatte, als er behauptete, der einzige Ausweg aus dem Chaos in Syrien sei eine gemeinsame Anstrengung mit Russland und Assad. Trump steht deutlich unter dem Druck verschiedener Fraktionen der herrschenden Klasse in den USA, die seine Annäherung an Putin beenden wollen. Das soll nicht bedeuten, dass Trump irgendwelche moralischen Bedenken bei seinem Vorgehen hätte. In diesem Zusammenhang war der Chemiewaffenangriff eine „bequeme“ Ausrede, um die öffentliche Meinung für die Vorbereitung eines Angriffs zu schärfen.

Es war ein zynischer und geplanter Schritt mit dem ausschließlichen Zweck die beschränkten Interessen der herrschenden Klasse in den USA und der ihrer Verbündeten zu verteidigen und Signale, besonders an Russland, zu senden, dass der US-Imperialismus immer noch „im Spiel“ ist, um die Allianz zwischen Russland, dem Iran und Assad zu spalten und Verhandlungen über die Zukunft Assads vorzubereiten. Das bedeutet nichts Weiteres als die Fortsetzung des reaktionären imperialistischen Kriegs, der für die Menschen in Syrien noch mehr Elend bedeutet.

Leider ist ein großer Teil der Linken im Westen auf den fahrenden Zug aufgesprungen und stimmt in den Chor des westlichen Imperialismus und der Massenmedien mit ein. Natürlich sind weder das Assad-Regime noch die schmutzigen Spiele Russlands in Syrien fortschrittlich. Aber bei dem Versuch, gegen diese Mächte Stellung zu beziehen, sind sie im Lager der reaktionärsten Kräfte auf diesem Planeten, denen des US-Imperialismus – gelandet. Sie stellen sich übereilt hinter den US-Bombardierungen und scheinen dabei zu vergessen, dass die westliche Intervention im Nahen und Mittleren Osten ohne Ausnahme zu mehr Instabilität und Barbarei geführt hat. Trotzdem kritisieren diese „Linken“ die USA nicht dafür, dass sie interveniert haben, sondern, dass sie nicht ausreichend interveniert haben!

Da es keine revolutionäre Bewegung auf der Grundlage einer echten ArbeiterInnenklasse gibt, würde ein vom Westen unterstützter Sturz des Assad-Regimes bedeuten, dass Syrien vom IS und von vom Westen geförderten al-Kaida-Gruppen, die sich nicht großartig vom IS unterscheiden, überrollt würde. Das barbarische Chaos, das durch die westliche Intervention in Libyen verursacht wurde, sollte bezüglich des reaktionären Charakters solcher Einmischungen eine Lehre sein. Die Bevölkerung in Syrien ist sich dessen bewusst. Dieser Angriff wird Assad helfen, sie hinter sich zu scharen.

Der Feind steht im eigenen Land!
Die einzige Lösung ist eine klare unabhängige Klassenposition. Wir müssen den ArbeiterInnen und der Jugend im Westen, die das Elend und die Barbarei im Nahen und Mittleren Osten wirklich beenden wollen, sagen: Der Feind steht im eigenen Land! Die gleichen Menschen, welche die ArbeiterInnenklassen im Westen angreifen, die für die brutale Austeritätspolitik, die Arbeitslosigkeit und den sinkenden Lebensstandard im eigenen Land verantwortlich sind, haben den Tod oder die Ermordung der arbeitenden Massen im Nahen und Mittleren Osten seit Jahrzehnten oder noch länger auf dem Gewissen.
Die reaktionärsten Kräfte im Nahen und Mittleren Osten sind die des westlichen Imperialismus und seiner Verbündeten, welche die Menschen in dieser Region beherrschen, fesseln und ausbeuten wollen. Dazu stützen sie sich auf die reaktionärsten Gruppen und Schichten dieser Länder. Ohne die Unterstützung des westlichen Imperialismus würden alle dschihadistischen Gruppen und fast alle reaktionären Diktaturen in der Region zusammenbrechen. Gleichzeitig können wir die Gegenspieler unserer eigenen Imperialsten, Putin, Assad und den Mullahs im Iran, nicht unterstützen, denn diese sind alle bereit, mit ihnen Abmachungen zu treffen, solange ihre eigenen beschränkten Interessen geschützt werden.

Die Krise im Nahen und Mittleren Osten ist das direkte Ergebnis der Sackgasse, in der sich der Weltkapitalismus befindet. Ein anarchisches System, in einer tiefen Krise, das in seiner „Peripherie“ in Barbarei versinkt. Die US-Intervention wird die Dinge nur verschlimmern. Wir brauchen keine Ausweitung des Kriegs im Nahen und Mittleren Osten, sondern müssen ihn in Form des Klassenkampfes gegen die herrschende Klasse ins eigene Land tragen. Eine herrschende Klasse, die keine produktive Rolle spielt, sondern überall Terror und Zerstörung verbreitet.