Sanktionen und Vergeltungsmassnahmen bereiten einen Handelskrieg zwischen China und den USA vor. Doch warum belässt es Trump nicht beim Bluff und scheint nun Ernst zu machen? Über Protektionismus, Freihandel und die Position der Lohnabhängigen.

Trump macht sein Wahlversprechen wahr und führt Amerika in den Krieg mit China. Anfang 2018 liess er verlauten: «Handelskriege sind gut». Nun macht er ernst und sprach Ende September die zweite Tranche an Zöllen auf Wareneinfuhren aus China aus. Insgesamt betrifft das Volumen der Strafzölle nun die Hälfte der gesamten Importe aus China.
Doch während Trump auf der grossen Bühne gegen den Freihandel wettert und die Liberalen einschüchtert, vereinbart er einen neuen NAFTA-Vertrag mit Kanada und Mexiko. In der Praxis wirft er Protektionismus und Freihandel durcheinander.
Wir wollen hier keine Psychoanalyse an Trump üben, sondern die Zwecke verschiedener Handelspolitiken in der kapitalistischen Krise untersuchen. Dazu müssen wir uns die Frage stellen, wem protektionistische Massnahmen was bringen.

Gelernt von 1929?
2008 sind wir in die grösste Krise seit 1929 und der darauffolgenden Grossen Depression eingetreten. Damals wie heute lösen die kapitalistischen Krisenmassnahmen die Probleme nicht. Nicht der Börsenkrach von 1929 löste den nachhaltigen Einbruch der Weltwirtschaft aus. Dieser setzte erst richtig ein, als führende kapitalistische Länder protektionistische Schutzzölle einführten. Dabei brach der Welthandel ein und bremste jede Erholung aus. Die Krise konnte erst durch den Zweiten Weltkrieg mit seiner massiven Zerstörung von Produktionsmitteln gelöst werden.
Heute versuchen die Kapitalisten eine zweite Grosse Depression abzuwenden. In dieser Hinsicht kann man einen partiellen Lernprozess bei der Bourgeoisie feststellen. Mit ihren Massnahmen konnten sie die Unsicherheit der Märkte leicht zurückdrängen. Über boomende Börsen begannen sie schon bald nach dem Crash wieder einigen Optimismus zu versprühen. Doch weder die Börse noch Kredite können Krisen lösen. Sie verzögern nur einen tieferen Einbruch. Der Bourgeoisie gehen die Rezepte zur Aufrechterhaltung einer solchen Politik aus. Protektionistische Massnahmen kommen angesichts mangelnder Alternativen immer häufiger zum Einsatz, auch um den Preis eines möglichen Abwürgens der Weltwirtschaft.

Was heisst denn Protektionismus?
Mit Protektionismus sollen in erster Linie Produktions- bzw. Absatzgebiete geschützt werden. Protektionismus ist eine staatlich gefasste Handelspolitik, die auf Mittel wie Zölle und Import-Kontingente oder gar -Sperren zurückgreift. Das soll die Stabilisierung des (nationalen) Marktes und somit den Schutz der Profitbedingungen ermöglichen, indem der Druck des Weltmarktes abgefedert wird.

Eine Frage der historischen Periode
Historisch haben vorübergehende Schutzzölle ermöglicht, bestimmte Wirtschaftssektoren geschützt vor der ausländischen Konkurrenz aufzubauen. China hat sich selbst genau so zur Wirtschaftsmacht entwickelt. Als die USA praktisch alleine den Weltmarkt dominierten, hatten sie kein Interesse an einschränkenden Zöllen. Sie drängten mit den anderen entwickelten kapitalistischen Nationen auf Freihandel und Abbau der Zölle, um den Weltmarkt mit den eigenen Waren zu überschwemmen und die rückständige Konkurrenz vom Markt zu drängen. Eine solche Handelspolitik wird allerdings umso schwieriger aufrechtzuerhalten, je gesättigter der Markt ist und je mehr sich die Konkurrenz verschärft. Der Aufstieg Chinas zur Weltmacht und die tiefe Krise des Kapitalismus haben genau diese Verschärfung bewirkt.
Heute bestehen in allen Ländern in allen wichtigen Sektoren massive Überkapazitäten: Es könnte viel mehr produziert werden, als profitabel abgesetzt werden kann. Der zu verteilende Kuchen wächst nicht. Sein eigenes Stück zu vergrössern geht nur auf Kosten der Anderen. Das ist der Hintergrund von Protektionismus und dem drohenden Handelskrieg. «Make America great again» heisst gewaltsame Zurückdrängung der ausländischen Konkurrenz zur Verteidigung des US-Kapitals.

Export der Arbeitslosigkeit
Die Krise erlaubt nicht, dass China und die USA bei voller Auslastung produzieren und die Profite auf dem Markt zu realisieren. Statt also die US-Profite allein dadurch zu sichern, dass die Löhne gesenkt oder die ArbeiterInnen entlassen werden, geht Trump noch einen Schritt weiter. Zölle machen die chinesischen Waren auf dem US-Markt teurer. So versucht er, die Kosten der Krise auf Chinas Kapitalisten abzuwälzen – wofür schlussendlich die chinesischen Lohnabhängigen zu bezahlen haben.
Doch Trump vertritt damit nicht die Interessen der US-ArbeiterInnen, sondern antwortet dem Überlebenstrieb der US-Kapitalisten. In der aktuellen Krise soll mit einem Wirtschaftskrieg auch die drohende Arbeitslosigkeit exportiert werden. Lieber Jobs in China streichen als «zuhause» in den USA, so die Devise. Um jedoch die Arbeitslosigkeit und Unterauslastung in der US-Industrie zu exportieren, müssen die Lohnstückkosten von «Made in USA» chinesischen Bedingungen die Stange halten können. Also wird sich Trump sogenannter Patriotismus in der Handelspolitik eher früher als später auch gegen die Lohnabhängigen in den USA wenden.

Zwei Strategien der Bourgeoisie
Wir müssen klar herausstreichen, dass die Verschärfung des Konflikts zwischen Freihandel und Protektionismus ein Symptom der schweren kapitalistischen Krise ist. Als SozialistInnen können wir keine der beiden Seiten unterstützen. Die BefürworterInnen von Protektionismus preschen blindlings vor, während die Liberalen weiter halbherzig dem Freihandel anhängen. Letztere sind dem Lager der Protektionisten darin voraus, dass sie die Gefahren des Handelskrieges für die Weltwirtschaft sehen. Einen Ausweg aus der Krise haben sie aber ebensowenig anzubieten.
Ob der irrationale Trump das Gaspedal durchdrückt oder die Liberalen auf die Bremse treten, das Vehikel der Kapitalismus steht an der Klippe und zurück geht es nicht. Doch wenn es herunterfällt, dann trifft es die Lohnabhängigen zuallererst und hart. Der einzige Weg die verheerenden Folgen eines Wirtschaftskrieges zu verhindern, liegt im Sturz der Bourgeoisie.
Wir können es uns nicht leisten zwischen Freihandel und Protektionismus zu schwanken. Das ist nicht unser Konflikt, es ist der Konflikt zwischen verschiedenen Kapitalfraktionen und verschiedenen nationalen Bourgeoisien. Die Arbeiterklasse ist international und darf sich nicht von einer solchen Politik spalten lassen. Wir müssen einen unabhängigen Klassenstandpunkt vertreten und den gemeinsamen Kampf gegen die verschiedenen nationalen Bourgeoisien vorbereiten. Nur so können wir uns wehren gegen den reaktionären Wirtschaftspatriotismus der Protektionisten.

Die Redaktion