Über einen Monat marschierten Migrantinnen und Migranten aus Zentralamerika in Richtung USA. Auf der Flucht erlebten sie Repression, Solidarität und Xenophobie. Obwohl sie die Strapazen kennen, entscheiden sie sich für diese Odyssee. Wie kam es zu diesem Exodus und was ist der Weg vorwärts?

Die erste Karawane bildete sich in der Stadt San Pedro Sula in Honduras. Das industrielle Zentrum ist ein Symbol für ganz Honduras und El Salvador. In der Stadt gibt es auf 100‘000 Einwohner jährlich 52 Homizide. Die Macht der Drogenkartelle spüren die ArbeiterInnen täglich. Morddrohungen, Erpressung und Vergewaltigung sind für MigrantInnen und EinwohnerInnen auf der Tagesordnung. Diese grassierende Kriminalität überlebt und wächst nur dank der ökonomischen Perspektivlosigkeit der Massen.

Das Imperium und die RebellInnen
Diese hoffnungslose Situation der Massen hat ihren Ursprung im Staatsstreich von 2009 gegen den amtierenden Präsidenten Zelaya. Der Coup wurde von Hillary Clinton, Obama und Co. tatkräftig unterstützt, denn Zelaya stellte mit seinen Reformen eine Gefahr für die US-amerikanischen und lokalen Kapitalinteressen dar. Die ArbeiterInnenklasse und die Bauernschaft versuchten auf der Strasse über Wochen hinweg den Sieg der Putschisten zu verhindern und damit die Reformen Zelayas zu verteidigen. Die Oligarchie und die US-ImperialistInnen konnten diese Proteste jedoch siegreich niederschlagen.

Die heutige Regierung um Juan Orlando Hernández (JOH) ist die konsequente Weiterführung des Coups von 2009. Mit eiserner Hand reduzierte er das staatliche Defizit. Seine Tieflohnpolitik führte zu einem gewissen Wirtschaftswachstum. Das war aber nur auf Kosten der ArbeiterInnen möglich. Die Arbeitslosigkeit stieg, ebenso die Kosten für Elektrizität und andere grundlegende Dienstleistungen. Der Fond der Sozialversicherung der öffentlichen Angestellten wurde gleichzeitig als persönlicher Geldhahn des Präsidenten missbraucht.

Bei den Präsidentschaftswahlen von 2017 zeigten ihm die Ausgebeuteten die rote Karte. Doch seine Klasse war nicht bereit, die Macht abzugeben. Der Wahlbetrug trieb Hunderttausende auf die Strassen. Dabei kam es zu Aufständen, welche die Autorität der Regierung ins Schwanken brachten. Schlussendlich setzte sich JOH durch und schlug die Proteste nieder. Unter der schützenden Hand der USA hält die honduranische Bourgeoisie die Bevölkerung jetzt dank Polizeigewalt und Kartellen in Schach.

Die Karawanen, die wir heute sehen, sind also nichts anderes als ein verzweifelter Versuch der ärmsten Schichten, vor der blockierten Situation in der Heimat zu flüchten. Mit dem Exodus hoffen sie auf ein Leben fernab der organisierten Kriminalität, dem korrupten Staat, und der extremen Ausbeutung von Mensch und Natur.

Solidarität und Repression
In ganz Mittelamerika verschliesst der Kapitalismus der breiten Bevölkerung den Weg zu einem besseren, sicheren Leben. Dieselben Fluchtursachen finden wir in weiteren Staaten wieder. Es ist diese gemeinsame Erfahrung der Misere und Ausbeutung, welche bei der lokalen Bevölkerung in Mexiko und Guatemala zu grosser Solidarität mit den Karawanen führte.

Ganz anders verhielten sich der mexikanische Staat und die reaktionären Massenmedien. Als Lakaien des US-Imperialismus versuchte die Regierung Peña Nieto von Anfang an die Karawane mit Gewalt am Eintritt in Mexiko zu hindern. Seit 2014 unterstützt die US-Regierung ein Programm der mexikanischen Regierung zur Sicherung der südlichen Grenze. Das bedeutet, dass die Grenze der USA faktisch bereits zwischen Mexiko und Guatemala beginnt.

Dann versuchte Peña Nieto die MigrantInnen mit netten Worten und Versprechen in Mexiko zu halten. Doch die wirtschaftlich und sozial desolate Situation in Mexiko bietet den Flüchtlingen keine langfristige Alternative. Der einzige Lichtblick ist für viele immer noch das Land des «American Dream». Trump ist jedoch ganz klar in seinen Worten: «Wir werden diese Karawanen, welche einige Banditen mitführt, nicht in die USA lassen. Die Grenze ist heilig. Müssen legal kommen. DREHT UM!»

Eine geeinte Klasse, ein geeinter Kampf
Die ArbeiterInnenklasse kennt keine Grenzen. Dies bewies die überwältigende Solidarität, die den Flüchtlingen entgegengebracht wurde. In den USA entstand dieses Jahr eine breite Bewegung, welche die unmenschlichen Zustände in den Migrations-gefängnissen anprangert. Doch Solidarität alleine reicht nicht! Wir müssen die Ursache der barbarischen Vertreibung von Millionen von Menschen auf der Welt an der Wurzel packen und ausreissen, sodass in Zukunft niemand mehr flüchten muss. Dafür müssen wir den Kapitalismus und damit die alte Gesellschaft über den Haufen werfen. Wir schliessen uns unseren Schwestersektionen der IMT in Honduras, El Salvador und Mexiko an, wenn sie sich mit den Karawanen solidarisieren: «Unser Kampf ist der Kampf aller Ausgebeuteten. Schulter an Schulter mit ihnen werden wir siegen!»

Sebastián Eisenring
JUSO Stadt Zürich

Bild: Nación321