Am 15. November sollten KubanerInnen in allen Städten für den Sturz der kubanischen Regierung demonstrieren, so die Pläne der pro-imperialistischen Opposition. Daraus wurde nichts, stattdessen traten die „Panuelos Rojos“, ein Zusammenschluss revolutionärer Jugendlicher, in Aktion.

Nach den Juli-Protesten (wir berichteten: „Kuba: Die Revolution verteidigen!“, Funke Nr. 196) gruppierte sich die Spitze der Konterrevolution rund um die Plattform „Archipiélago“, ein Bündnis aus KünstlerInnen und Intellektuellen, die im Kern bereits seit November 2020 durch Aktionen in Erscheinung getreten waren. Im vergangenen Jahr gelang es der Konterrevolution dabei erstmals, eine breitere Schicht von Studierenden, Intellektuellen und KünstlerInnen in Aktionen einzubinden. Über Monate wurde nun der N-15, der 15. November 2021, als Beginn einer pastellfarbenen Konterrevolution propagiert. Als Vorbild der Aktion galten erfolgreiche Regime-Change-Mobilisierungen wie die „orange Revolution“ in der Ukraine. Zentraler Kopf der Mobilisierung war der bekannte, in Havanna lebende Schauspieler Yunior García.

Das Programm der Konterrevolution fordert neben dem „Ende der Diktatur“ gleich an zweiter Stelle „wirtschaftliche Freiheit“ und das „Recht“ kubanischer BürgerInnen auf „Eigentum“. Sie „erkennen die Privatinitiative und die Ausübung wirtschaftlicher Freiheiten, die die Produktionskapazitäten entwickeln, an“. Der Hintergrund dieses Ansatzes ist, dass v.a. im Milieu der von Intellektuellen und KünstlerInnen, der sogenannten Zivilgesellschaft, marktliberale Ideen einen sozialen Boden bekommen haben. Zentrale Akteure dieser Zivilgesellschaft stehen in Zusammenhang mit US-finanzierten Online-Portalen, privaten Galerien, Studios, etc. Gleichzeitig beginnen Privatunternehmen in Landwirtschaft und Tourismus Kapital anzusammeln und wirtschaftliche und politische Interessen eines entstehenden Kleinbürgertums auszuformulieren.

Der Umstand, dass diese pro-imperialistische Opposition mit keinem Wort die Aufhebung der Blockade Kubas durch die USA forderte und ihre Effekte sogar kleinredet, isoliert sie aber in der kubanischen Gesellschaft. JedeR KubanerIn spürt die Effekte der Blockade aus eigener Erfahrung (keine Ausstellung von Visa durch die USA, keine Geldüberweisungen, keine wissenschaftlichen Publikationen in US-Journalen, …) . Dass führende Oppositionelle seit Jahren mit imperialistischen Agenturen zusammenarbeiteten, diskreditierte diese Figuren in den Augen der Massen. Statt wie lauthals angekündigt auf die Straße zu gehen, führte der einzige Weg von „Western Yunior“ direkt auf den Flughafen „José Martí“ und von dort ins spanische Exil.

Erfolg gegen Corona

Innerhalb von weniger als einem Jahr gelang es den staatlichen Labors, hochwirksame Corona-Impfstoffe zu entwickeln und zu produzieren. Die von Anfang an als Dreifach-Impfung konzipierte Impfkampagne wurde im Juni ausgerollt und umfasst die gesamte Bevölkerung ab dem Alter von zwei Jahren. Für Allergiker wurden spezifische Impfstoffe hergestellt. Die Impfquote liegt nun bei 92% und ist damit eine der höchsten weltweit. Impfpflicht besteht keine, sehr wohl aber ein dichtes Netz medizinischer Betreuung durch die sogenannten „Familienärzte“, eine öffentliche wissenschaftliche Debatte, Vertrauen in das Gesundheitssystem und eine sozial-politische Mobilisierung durch Massenorganisationen. Von der Entwicklung der Impfstoffe bis zur Impfkampagne zeigt sich die Überlegenheit einer Planwirtschaft. Doch diese Errungenschaften stehen massiv unter Druck.

Wirtschaftskrise

Die Wirtschaftsleistung der Insel ist im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie um 13 Prozent eingebrochen. Dies ist hauptsächlich dem Zusammenbruch des Tourismus und des Außenhandels geschuldet. Das Land musste die Bedienung der internationalen Schulden einstellen und zentrale Handelspartner wie China und Russland räumen keine neue Kreditlinien ein, sondern machen Druck. Fehlende Deviseneinnahmen bedeuten auch, dass immer mehr Land brach liegt, da Reifen, Diesel und Dünger fehlen, um die Felder zu bestellen. Die Regierung reagiert darauf, indem sie selbst radikale Marktreformen durchsetzt, um „Produktivkräfte freizusetzen“.

Am 6. Parteitag der Kommunistischen Partei (PCC) im April 2021 haben sich die sogenannten „Reformer“ durchgesetzt, die die Lösung der Krise im Markt und dem Privatsektor sehen. Politischer Ausdruck davon ist die seit Jänner implementierte „tarea ordenamiento“ („Ordnungsaufgabe“), die im Kern darin besteht, die Preise von autonom gemanagten Betrieben durch Marktmechanismen zu bilden und die Produktion („kontrolliert“) zu dollarisieren. Im Herbst wurde nun die Gründung von privaten Betrieben erlaubt, innerhalb kurzer Zeit wurden 1000 gegründet. Diese Mechanismen beschleunigen eine durch die Krise selbst angelegte schnelle soziale Polarisierung, was sich für die Arbeiterklasse aktuell in Mangel und exorbitanten Preisen für Alltagswaren ausdrückt. Vergleichbar sind die wirtschaftlichen Auswirklungen mit den Effekten von IWF-verordneten Strukturanpassungsprogrammen.

Der Unterschied liegt darin, dass die Regierung sich bemüht, durch Rationierung eines Teiles des Nahrungsmittelangebotes, durch soziale Unterstützung von 400.000 besonders gefährdeten Menschen (Alte, Behinderte, …) und die Verteidigung des Rechtes auf ein frei zugängliches Bildungs- und Gesundheitssystem die Errungenschaften der Revolution abzusichern.

Klassenkampf, um Revolution zu verteidigen

Die großen Proteste am 11. Juli zeigten, dass konterrevolutionären Gruppen die einzigen waren, die auf die Entwicklungen vorbereitet waren, was es ihnen ermöglichte, rasch die sozialen Proteste in den Vororten Havannas zu dominieren. Was die Situation diesen Sommer gerettet hat, war nicht der Staatsapparat, sondern die Initiative von KommunistInnen, die dem Aufruf des Präsidenten folgend landesweit gegen die Konterrevolution auf die Straße gingen.

Als Folge dieser Erfahrung bildete sich ein Bündnis vorwiegend junger RevolutionärInnen, das sich pañuelos rojos (Rote Halstücher) nennt. Diese beschlossen zum Datum der angekündigten Konterrevolution vom 15.11. mehrtägige öffentliche Aktionen gegen das US-Embargo und in Verteidigung des Sozialismus zu organisieren. Seither wurde auch eine Demonstration zum Todestag Fidel Castros abgehalten („Danke Fidel“) und der Debattenprozess „teatro adreno“ gestartet, um einen „kommunistischen, humanistischen und progressiven“ Ausweg aus der Krise zu formulieren. Die IMT und der Funke stehen solidarisch zu diesem Prozess.

Der Aktivist Luís Emilio Aybar etwa warnte vor falschen Versprechen und falschen Lösungen: Wenn die Staatsbetriebe „nicht funktionieren, wird uns gesagt, dass sie privatisiert werden müssten. Wenn sie [die USA] ein Embargo gegen uns verhängen, dann sagt man uns, wir müssten unser Land preisgeben, damit sie uns nicht boykottieren“. Er betonte die Notwendigkeit der Kontrolle von unten, der „Volksmacht“, um der Korruption und Ausnützung der Staatsbetriebe für die individuelle Bereicherung einen Riegel vorzuschieben. So geht Revolution! In den internationalen Medien wurde der Protest der „Pañuelos Rojos“ natürlich geflissentlich ignoriert (beziehungsweise ging als Anti-Regierungsprotest über die Nachrichtenagenturen).

Für Revolutionäre weltweit bedeutet die Formierung eines politischen Faktors, der die Revolution unabhängig von den tagesaktuellen Bedürfnissen des Staatsapparates und der Bürokratie verteidigt, dass die kubanische Revolution politisch an Kraft gewinnt. In diesem Sinne: Hoch die internationale Solidarität! Für eine sozialistische Föderation Lateinamerikas!


Vera Kis und Emanuel Tomaselli, IMT