[dropcap]D[/dropcap]ie Wahlen vom 4. März trafen die italienische Politik wie ein Hammerschlag. Die Parteien, die die vergangenen Jahrzehnte eine relativ stabile Regierung des Kapitals garantiert hatten, wurden hart abgestraft. Nach dem rechten Sieg scheint die Linke machtlos. Ein Blick unter die Oberfläche zeigt aber auch Chancen.

Wie in vielen anderen Ländern hat auch in Italien der Versuch des Kapitals, nach Ausbruch der Krise wieder stabile ökonomische Verhältnisse herbeizuführen, gleichzeitig das politische und soziale Gleichgewicht untergraben. Eine wichtige Rolle kommt hierbei der «Mitte» zu – den Parteien, die von der Bourgeoisie als am vertrauenswürdigsten erachtet werden, ergo: diejenigen, die ihre Profite schützen. Die bisher regierende Demokratische Partei (PD) hat 2,5 Millionen Stimmen eingebüsst, Berlusconis Forza Italia (FI) gar 2,7 Millionen. Seit Mitte der 90er Jahre wechselten sich diese beiden Parteien jeweils an der Spitze von sogenannten Mitte-links- und Mitte-rechts-Koalitionen ab. Die italienische und internationale Bourgeoisie sieht sich nach diesem 4. März mit dem Dilemma konfrontiert, dass ihre Wunschkoalition von PD und FI nicht mehr möglich ist und in nächster Zeit keine stabile Regierung zu erwarten ist.

Der Hass auf die Austerität
Ob linke oder rechte Koalitionen: Seit über 20 Jahren musste die italienische ArbeiterInnenklasse mit ansehen, wie ihre Löhne gesenkt wurden und sich ihre  Lebens- und Arbeitsbedingungen zunehmend verschlechterten. Begründet werden diese Massnahmen durch den Schuldenabbau und trotzdem ist die Staatsverschuldung heute auf 130% des BIP angewachsen. Dies wird in der EU nur noch von Griechenland übertroffen. Italien ist in einem Teufelskreis aus Schulden, Kredit und Zinsen gefangen und verwendet mehr Geld zur Zahlung der Schulden als für das Bildungssystem.

Die Jugendarbeitslosigkeit ist – dank mehr Temporärarbeit – auf offiziell 33% zurückgegangen. Im Süden (Sizilien, Kalabrien) liegt sie aber bei weit über 50%. Das BIP pro Kopf im Süden ist halb so hoch wie in den nördlichen Regionen. 2015 emigrierten 100’000 Menschen in der Hoffnung, so ihr Glück zu finden. Diese harte Realität hat das Vertrauen in die PD und FI nachhaltig untergraben. Der Erfolg der Rechten – der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) und der Lega – kann nicht einfach auf Demagogie und Rassismus zurückgeführt werden, sondern ist Ausdruck der Wut auf die alten Parteien und die herrschenden Lebensbedingungen.

Die Stärke der Rechten …
Die Lega wurde mit 17.4% erstmals die stärkste Kraft innerhalb der Mitte-rechts-Koalition. Ursprünglich eine nördliche Sezessionspartei, hat sie ihre Anti-süd-Rhetorik abgelegt, um landesweit punkten zu können. Dafür hat sie auf eine besonders widerliche rassistische Kampagne gesetzt, die auch zur Erstarkung neofaschistischer Gruppen wie CasaPound beiträgt. Lega-Chef Salvini warb im Wahlkampf für eine «Säuberung von Piazza zu Piazza […] mit harten Mitteln». Ein Teil der Lega-WählerInnen ging dieser Rassenlüge sicher auf den Leim und vertritt sie auch. Die grundsätzliche systemskeptische Stimmung trug aber ebenfalls dazu bei, da man der FI nicht mehr traute wie früher. Das Wahlversprechen, die letzte Rentenreform zurückzunehmen, war ein wichtiger Faktor für den Stimmengewinn unter den ArbeiterInnen, von denen jedeR Vierte die Lega wählte.

Die Fünf-Sterne-Bewegung ist mit 32,7% Stimmenanteil und 227 Abgeordneten die grösste Partei im Parlament. Sie sprach viele Probleme an und konnte so die Proteststimmen breiter Schichten auffangen: enttäuschte Lohnabhängige, KleinbürgerInnen, Studierende, Arbeitslose, Prekärbeschäftigte. Bei allen Altersgruppen war die Partei zuvorderst – die Rentner ausgenommen. Die Hochburgen des M5S liegen besonders im Süden. Hauptgründe hierfür sind die Perspektiven- und Mittellosigkeit. Doch auch im restlichen Land liefen ihr jene zu, die den Stiefel des Kapitals in der Krise am härtesten zu spüren bekamen. Doch gegenüber ihren Anfängen vor knapp zehn Jahren hat sich die Partei verändert: Aus der Protestbewegung wurde eine Partei, die auf die Regierung schielt. Dabei wurde sie um Längen weniger radikal, kommt den KapitalistInnen entgegen und setzt auf die Rassismus-Karte.

… ist die Schwäche der Linken
Die Linke hat in den Wahlen eine katastrophale Niederlage erfahren. Der PD, eine seit Langem völlig verbürgerlichte Partei, verlor 180 Sitze im Senat. Die Rifondazione Comunista, eine Nachfolgerin der alten kommunistischen Partei Italiens, war einst eine Massenpartei. Doch hat sie sich durch die Unterstützung der Sparpolitik in diversen Regierungen und auf regionaler Ebene langsam aber sicher das eigene Grab geschaufelt. Die Nachfolgerin der einst grössten kommunistische Partei Westeuropas ist nun reduziert auf ein paar tausend Mitglieder und möchte verzweifelt wieder ins Parlament. Der PD wollte sie nicht in seinem Bündnis, also organisierten sie die linke Sammelliste «Potere al Popolo», die 1.13% erzielte. 2013 hatte ihre Liste «Rivoluzione Civile» noch das Doppelte erreicht. An ihrer Politik oder den Führungspersonen hat sich auch durch dieses Bündnis nichts geändert. Dass sie sich für die Unterstützung von Alexis Tsipras aussprachen, beweist das hinlänglich.

Für eine revolutionäre Linke!
Das Proletariat testet eine Partei nach der anderen: Sowohl der Sturz von PD und FI, als auch der Aufstieg der M5S zur stärksten Partei sind bereits Ausdruck dieses Prozesses. Die Illusionen in M5S sind riesig: Hinter den Stimmen für die M5S verbergen sich Stimmen gegen die Parteien, die als verantwortlich für die zunehmend schlechteren Lebensumstände angesehen wird und gegen diese selbst – Stimmen gegen das System als Ganzes. Früher oder später wird M5S in der Regierung sein, doch gibt es in der Partei kein Konzept, wie man die kapitalistischen Zwänge kontern könnte; das ist aber auch nicht ihr Anspruch. In Rom und Turin, wo M5S die Bürgermeisterinnen stellt, steigt die Unzufriedenheit über die anhaltenden Skandale in der Verwaltung, und die Situation ist immer noch so problematisch wie früher. Das ist ein Vorgeschmack auf die M5S in der nationalen Regierung: Sie wird nicht die Probleme lösen können, die ihr in die Regierungsverantwortung verholfen haben. Dies wird die Klasse widersprüche innerhalb des M5S aufbrechen lassen und eine Chance auf den Vormarsch einer klassenkämpferischen Linken bieten. Es gilt nun, die Kräfte des revolutionären Marxismus aufzubauen und sich auf die Erdbeben, die noch vor uns liegen, vorzubereiten.