Ein auf einer chinesischen Videoplattform (Bilibili) bekannter junger Arbeiter starb im Januar 2021 in Armut. Er verhungerte in seiner Mietwohnung und sein Leichnam wurde erst Tage später von seinem Vermieter gefunden. Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die soziale Lage sowie die explosive Stimmung in der chinesischen Arbeiterklasse. Sima Hei erzählt.

Am 5. April 1998 wurde Muocha, der mit echtem Name Chen Songyang hieß, in einer der ärmsten Regionen Chinas geboren – im Bezirk Liangshan in der Provinz Sichuan. Seine Familie war ursprünglich weder arm noch reich. Dies änderte sich, als seine Großmutter krank wurde. Laut Muochas Internetbekanntschaften hatten seine Eltern große Schulden aufgrund der hohen Behandlungskosten. Muocha und seine Eltern lebten sich langsam auseinander, bis er schließlich auszog.

Er musste die Berufsschule abbrechen. Als er 18 Jahre alt wurde, versorgte er sich selbst, da er von seiner Mutter kein Geld bekam. Während dieser Zeit wohnte er in einem Internetcafé und suchte nach Arbeit. Er lieh sich Geld von Personen, die er im Internet kennenlernte. Nachdem er ein Jahr lang obdachlos war, ging er nach Chengdu, um zu arbeiten.

Die Arbeit in Chengdu ließ ihn nur noch tiefer in die Armut sinken. Unerfahren und ohne Schulabschluss war Muocha heftigster Ausbeutung ausgesetzt. Er erhielt einen Monatslohn von 800 Yuan (103 €), was nur der Hälfte des erlaubten Mindestlohns in Chengdu entsprach. Die Miete für eine leistbare Wohnung betrug 500 Yuan (64,4 €) monatlich. Die übrigen 300 Yuan (38,6 €) reichten für drei Mahlzeiten am Tag nicht aus. Genug Essen zu bekommen war eine tägliche Herausforderung für Muocha. Von Hunger und harter Arbeit gequält, zog er sich Darmerkrankungen zu. Zwischen April und Mai 2018 hatte er eine Auseinandersetzung mit seinem Boss, der sich weigerte, ihm seinen Lohn auszuzahlen und als Antwort seinen Ausweis zerstörte. Angesichts dieser Schwierigkeiten wuchs Muochas Klassenbewusstsein rasant. Er begann, zahlreiche Videos, Artikel und Kommentare mit linken und sozialistischen Ideen im Internet zu veröffentlichen.

Als Muocha keine körperliche Arbeit mehr verrichten konnte, entschied er sich, zurück nach Hause zu gehen und Hilfe zu suchen. Er litt lange Zeit an starken Magenbeschwerden und suchte das örtliche Krankenhaus auf. Seine Schulden verhinderten jedoch, dass die Kosten vom chinesischen Gesundheitswesen übernommen wurden. Er musste somit seine letzten Ersparnisse aufwenden und finanzielle Hilfe seiner Freunde in Anspruch nehmen. Im Krankenhaus stellte sich seine Darmerkrankung als ein Magengeschwür und Gastritis heraus. Da er sich einen längeren Krankenhausaufenthalt nicht leisten konnte, ging er nach ein paar Tagen wieder nach Hause.

Seine Freunde rieten ihm, staatliche Einkommensstützung anzusuchen. Dazu bräuchte er allerdings ein Zertifikat, das vom Dorfkomitee und der Polizei ausgestellt wird, wo er seinen Ausweis vorweisen müsste. Denselben Ausweis, der von Muochas vorigem Boss zerstört worden war.

Muocha arbeitete 10 Stunden am Tag und streamte zwei bis vier Stunden am Abend. Seine Accounts wurden oft gelöscht, da er Videos zu Themen wie der Oktoberrevolution postete. Als die Pandemie ausbrach, verlor Muocha seinen Job und streamte hauptberuflich weiter. Um weiteren Account-Sperrungen auszuweichen, hörte er auf, politische Videos hochzuladen. Er konnte sich nur Instantnudeln, Reis und Obst leisten, was sich wiederum negativ auf seine angeschlagene Gesundheit auswirkte. Je härter er arbeitete, umso ärmer wurde er.

Gegen Ende seines Lebens hatte Muocha keine warme Kleidung und kein Essen. Er konnte sich nicht einmal für ihn wichtige Medikamente um 1,8 Yuan (ca. 0,23 €) leisten. Er starb mit 22 Jahren – das ist etwa die Hälfte der Lebenserwartung britischer ArbeiterInnen in den 1800ern zur Zeit der industriellen Revolution. Die offizielle Todesursache lautete diabetische Ketoazidose, die durch Verhungern ausgelöst wurde. Anders ausgedrückt: Der Kapitalismus hat diesen jungen Arbeiter bis auf den letzten Blutstropfen ausgepresst bis er verhungerte.

Reaktionen und Auswirkungen

Staatsmedien versuchten den wahren Charakter seines Todes zu vertuschen und als Einzelfall abzutun. Doch die Reaktionen in den Sozialen Netzwerke zeigen ein ganz anderes Bild.

Muocha starb im Januar 2021. Zu der Zeit hatte er ein paar hundert Follower. Innerhalb von wenigen Tagen wuchsen diese auf 1,3 Mio. an und seine Geschichte wurde in verschiedenen Internetforen heiß diskutiert. Dieses Ereignis zeigt die Lüge, dass sich unter der Kommunistischen Partei Chinas das Leben der Menschen jeden Tag verbessern würde.

Die Arbeiterklasse kann sehr gut mit den Leiden mitfühlen, die Muocha ertragen musste. Es ist in China mittlerweile gang und gäbe, dass ArbeiterInnen so enden wie er. Dies zeigt ein weiter Fall eines Arbeiters, der ebenfalls im Januar starb, nachdem er 60 Stunden ununterbrochen gearbeitet hatte.

Das ist nur die Spitze der Verbrechen des chinesischen Kapitalismus. Die Jugend beginnt, dieses System zu hinterfragen.

Wieso passieren solche Dinge? Wie konnte ein Staat, der im ersten Artikel seiner Verfassung behauptet, „ein sozialistischer Staat unter der demokratischen Diktatur des Volkes, der von der Arbeiterklasse geführt wird und auf dem Bündnis der Arbeiter und Bauern beruht“ zu sein, so reaktionär werden? Sind Gewerkschaften und Arbeitsgesetze nur zur Zierde da? Warum fließen die Profite in die Taschen der BürokratInnen und KapitalistInnen, während die ArbeiterInnen wortwörtlich verhungern? Wenn die ArbeiterInnen die Gesellschaft führen und vom Staat beschützt werden sollten, warum gibt es keine Sozialbeihilfe?

In China brodelt es. Unter der Oberfläche bereiten sich revolutionäre Wellen vor. Der Marxismus ist eine notwendige Waffe, damit die revolutionäre Jugend und Arbeiterklasse diese von den Bürgerlichen und totalitären Bürokraten beherrschte Gesellschaft stürzen kann. Nur das Programm des revolutionären Sozialismus und der Arbeiterdemokratie kann uns dorthin führen. Dafür kämpfen wir auf der ganzen Welt. Das ist das beste Andenken, dass wir Muocha setzen können.

Der Funke Österreich
Nummer 192
17.3.2021