Auf Anweisung Erdoğans starteten die Freie Syrische Armee und türkische Truppen im Januar eine Militäroffensive auf Afrin, um die kurdische Volksverteidigungseinheit anzugreifen. Nachdem sich die YPG zurückziehen musste, sind sie Anfang März einmarschiert.
Im syrischen Bürgerkrieg hat sich das kurdische Volk in den letzten Jahren das Gebiet Rojava erkämpft. Das autonome Gebiet Rojava bildet eine Frontlinie im Kampf zwischen den KurdInnen und den dschihadistischen Kämpfern: Seitdem die YPG, die kurdische Kampfeinheit in Syrien, im Jahr 2013 dem IS den Kampf angesagt hat, spielen die KurdInnen eine zentrale Rolle im Krieg gegen den IS.

Angriff auf Afrin
Die im Westen Rojavas liegende Provinz Afrin wurde im Januar von Türkei-loyalen Truppen angegriffen. Um sich mit dem Angriff auf Afrin im eigenen Land nicht unbeliebt zu machen, hat Erdoğan bewusst Kämpfer der «Freien Syrischen Armee» rekrutiert. Diese Armee setzt sich aus Söldner islamistischer und dschihadistischer Gruppen zusammen.
Dass die Operation, Afrin zu übernehmen, zwei Monate dauerte, zeigt, dass die Offensive eine Herausforderung für die türkischen Kräfte war und sich die KurdInnen mit vollem Einsatz wehrten. Der türkischen Offensive jedoch militärisch unterlegen, haben die kurdischen Führungen beschlossen, sich zurückzuziehen. Mittlerweile haben die von Erdoğan angeleiteten Truppen die kurdisch besetzte Provinz vollständig übernommen.
Erdoğan spricht von friedlichen Kämpfern. Aber  tatsächlich herrschen seit Übernahme von Afrin barbarische Zustände. Das Zuhause und die Infrastruktur unzähliger kurdischer ZivilistInnen in Afrin wurde bombardiert und zerstört. Seit dem Einmarsch und der Plünderung in Afrin sind rund 250’000 ZivilistInnengeflüchtet, vor allem KurdInnen.
Erdoğan führt auch im Innern der Türkei Krieg gegen die KurdInnen. Ein autonomes kurdisches Gebiet an der Grenze zur Türkei kann er nicht tolerieren. Jegliche Spur von kurdischer Unabhängigkeit stellt für ihn eine Gefahr dar, die die Millionen von unterdrückten KurdInnen in der Türkei aktivieren und seine Machtposition bedrohen könnte. Erdoğans höchstes Ziel ist es, die kurdischen Kämpfer-Truppen auszulöschen und deren Gebiete im Westen Syriens zu übernehmen.

Imperialistische Interessen
Alle Handlungen der im Nahostkonflikt involvierten Akteure lassen sich einfach erklären: Es geht um die Übernahme von syrischem Boden und den dadurch möglich gemachten politischen und wirtschaftlichen Einfluss im Nahen Osten. Der syrische Bürgerkrieg ist nur scheinbar ein «Bürgerkrieg»: Syrien ist der Schauplatz einer Konfrontation von regionalen und imperialistischen Grossmächten.
Verschiedene Grossmächte, insbesondere die USA, haben sich in den letzten Jahren auf die kurdische YPG gestützt, die am vehementesten und erfolgreichsten gegen den IS gekämpft haben. Aber wie sich die Kräfteverhältnisse im Krieg verschieben, ändern sich auch die Allianzen. Wenn die kurdischen KämpferInnen gerade nicht mehr gebraucht werden, werden sie einfach weggeworfen. So haben die USA und Russland der Türkei freie Hand gelassen für ihre Zerstörung von Afrin.
In diesem Streit um politischen Einfluss gibt es keinen Platz für ein unabhängiges Kurdistan, und jeglicher Kampf für ein freies Kurdistan steht den regionalen und imperialistischen Machthabern im Weg. Darin haben das Assad-Regime, die Türkei und der Iran ein gemeinsames Interesse: Sie alle wollen das kurdische Volk zum Schweigen bringen und den Kampf der YPG und aller kurdischen Bewegungen im Keim ersticken. Sie fürchten die kurdische Bewegung, die für Selbstbestimmung, Unabhängigkeit und Demokratie kämpft. Sie fürchten den Funken, der ein Feuer entfachen und alle KurdInnen in den Ländern um Syrien herum zum Aufstand mobilisieren kann.

Nur auf die eigenen Kräfte zählen
Für das kurdische Volk heisst das, dass es sich niemals auf imperialistische Grossmächte verlassen kann, die nur ihre eigenen kapitalistischen Interessen verfolgen. Es kann sich nur auf sich selber, auf alle KurdInnen im Irak, im Iran, in der Türkei und in Syrien und auf die internationale ArbeiterInnenklasse verlassen. Ihr Kampf ist derselbe den alle Lohnabhängigen weltweit gegen die Kapitalistenklasse führen: Jene die das kurdische Volk unterdrücken, sind dieselben die uns ArbeiterInnen ausbeuten. Deswegen gilt es diese Kämpfe zu verbinden. Es ist an den fortgeschrittensten Gruppen im Westen, die imperialistischen Machenschaften in Syrien zu entblössen und zu verurteilen und unsere gemeinsamen Interessen aufzuzeigen.

Shivani König
JUSO Stadt Bern

Bild: NATO (Public Domain)