[dropcap]N[/dropcap]och bis 3. Januar 2016 zeigt das Landesmuseum Zürich die Ausstellung „Arbeit“. Diese fasst in der Hauptausstellung dem thematischen Feld entsprechend, chronologisch geordnete Fotografien von 1860 bis 2015 aus der Sammlung des Schweizerischen Nationalmuseums. Einzelne Schwerpunkte werden in kleinen Nebenausstellungen vertieft.

Mechanische Ziegelei Allschwil, 1898, Foto: Eduard Müller. © Schweizerisches Nationalmuseum

Ob Schlosser zum Enden des vorletzten Jahrhunderts, ein Schweisser in einer Fabrik, eine Schuhputzerin, Bauarbeiter beim Errichten eines Gebäudes, oder die Ablösung von Werkstätten durch Fabriken und die damit einhergehende industrielle Massenproduktion – dokumentiert wird „wahllos“ der Wandel und die Vielseitigkeit des Broterwerbs in der Schweiz, hauptsächlich der Wandel des Alltags der Schweizer Arbeiterklasse.

Arbeit im Wandel der Zeit
Augenfällig ist die Veränderung einzelner Berufe im Zuge der Technisierung. So sieht man etwa die Fotografie eines Basler Metzgers zu Beginn des letzten Jahrhunderts, abgelichtet im Kreise seiner Familie, mit dem Schlachtermesser hinter der Ladentheke – für diese Zeit wohl ein typischer Familienbetrieb. Eine Fotografie aus der Zeit kurz vor der Mitte des 20. Jahrhunderts zeigt ein schon verändertes Bild des Berufs: mehrere Schlachter in einem Raum, uniformiert, bei der Arbeit. Die Arbeit in einer Fleischfabrik gegen Ende des letzten Jahrhunderts wird durch mehrere Momentaufnahmen dokumentiert – unter ihnen Bilder von ArbeiterInnen, die verkaufsfertige Waren nur noch in Kisten packen. Dieses Beispiel ist kein Einzelfall beim visuellen Gang durch dieses Stück Zeitgeschichte. Anstelle von Sujets, die belegen, dass einst der ganze Produktionsprozess einer Ware in kleinen Geschäften und Werkstätten durch wenige oder gar nur zwei Hände erfolgte, treten zunehmend abgelichtete Szenen, welche die Teilung des Prozesses in einzelne Arbeitsschritte, zeigen. Mit dieser Entwicklung wird auf den Fotos das zunehmende Erscheinen von Maschinen, die Vergrösserung der Arbeitsstätten und der Produktionskapazität realisierbar.

Fotografie im Wandel der Zeit
Neben dem zu beobachtenden technischen Fortschritt in der Arbeitswelt und der damit einhergehenden Veränderung der Lohnarbeit wird auch der technische Fortschritt der Fotografie selbst ersichtlich. Weg von der steif inszenierten Studienfotografie mit stereotypen, dem Beruf zugehörigen Attributen – so etwa mitabgelichtete Werkzeuge oder auch einfach ein verschmiertes Kaminfegergesicht vor sauberer Studienkulisse – hin zu Aufnahmen ganzer Szenerien mit Arbeitenden in Heimwerkstätten oder der Fabrik selbst, im Klassenzimmer, aber auch Aussenaufnahmen eines Verkehrspolizisten oder von Landwirten, die heuen. Allesamt nur möglich durch tragbare Kameras und kürzere Belichtungszeiten.

Nebenausstellungen
Die Hauptausstellung ist erweitert durch verschiedene andere das Thema betreffende fotografische Dokumente. Unter ihnen filmisch aufgearbeitet Fotoreportagen zu Berufen in der Schweiz der 1940er- und 1950er-Jahre aus der damaligen Serie der Illustrierten Wochenzeitung. Des Weiteren sind Fragmente zu den Aspekten Arbeitsmigration, Arbeit während den Kriegsjahren, das Verschwinden traditioneller Berufe und Handwerke, geschlechtsspezifische Berufssparten, Berufsausbildung und Arbeitskämpfen ausgestellt. Diese fotografischen Zeitdokumente sind im Gegensatz zur Hauptausstellung mit Texten versehen, welche versuchen, einen Einblick in die jeweilige Thematik zu gewähren. Leider bleibt es auch bei dem Versuch. Informationen zu diesen Aspekten, die teilweise im aktuellen historischen Kontext verankert werden könnten, sind wenig erläuternd.
Gesamthaft gesehen liegt der Schwerpunkt der Ausstellung auf der ästhetischen Komponente. Viele Aufnahmen erinnern in ihrer Formsprache und objektiven Haltung des Dokumentierens gegenüber dem Abgelichteten an Arbeiten des Fotografen August Sanders, ein Vertreter der „Neuen Sachlichkeit“. Im Unterschied zu Fotografen wie Lewis Hine, der aus politischen Absichten heraus, die Arbeiterklasse zu seinem Hauptsujet machte, zeigt die Ausstellung nicht das häufig an Arbeitsplätzen vorgefundene, mit dem Arbeiterdasein verbundene Elend und die herrschende Not. Ungeschminkte Realität sieht anders aus und doch ist die Ausstellung eine Hommage an die Arbeit und an diejenigen, die sie leisten, diejenigen, die gesellschaftlichen Reichtum überhaupt ermöglichen können.

Aline Waitschies
VPOD Zürich