Nach dem weitgehenden Lockdown im Frühjahr schien im zurückliegenden Sommer die Corona-Pandemie weitgehend unter Kontrolle zu sein. Die Masse der Bevölkerung nahm die Vorschriften und Abstandsregeln sehr ernst.

Die Zahlen gingen zurück. Doch die jetzt um sich greifende europaweite zweite Welle könnte bald alles in den Schatten stellen, was wir im Frühjahr erlebt haben. Seit der ersten Welle im Frühjahr haben es die Verantwortlichen in Staat und Unternehmen schlicht und einfach versäumt, wirksame Vorkehrungen für die von vielen Experten längst vorausgesagte zweite Welle zu treffen. Sie haben es nicht für nötig gehalten oder hingekriegt, Rückverfolgungssystemse (Contact Tracking), Statistiken oder Massentests zu organisieren, ausreichend Schul- und Wohnraum zu aquirieren, optimal funktionierende Masken an die Bevölkerung zu verteilen, Sicherheit an allen Arbeitsplätzen durchzusetzen, mehr öffentlichen Verkehr vor allem zu Stoßzeiten zu organisieren und vieles mehr.

Wenn die Regierenden und Herrschenden von „Eigenverantwortung der Bürger“ reden, dient dies in erster Linie der Ablenkung von ihrem eigenen Versagen. Wenn sie falsches individuelles Verhalten als Ursache der Ausbreitung des Virus in den Vordergrund rücken, dann blenden sie aus, dass sie mit Kürzungen und Privatisierungen das Gesundheitswesen heruntergefahren und geschwächt haben.

Deutsche Behörden sind mit der Kontrolle der Hygienezustände in Betrieben offenbar völlig überfordert. Die Zahl der Kontrolleure bei Gewerbeaufsicht, Berufsgenossenschaften und Unfallkassen sinkt seit Jahren, während die Zahl der Beschäftigten deutlich gestiegen ist. Im Schnitt findet alle 20 Jahre eine Kontrolle statt. Viele Unternehmer drücken sich um den Arbeitsschutz und der Staat zieht sich weiter zurück.

Viele Gesundheitsämter sind personell so sehr ausgedünnt, dass sie derzeit mit der Auswertung der Meldebögen von Gaststätten aus den verganenen Monaten nicht mehr hinterherkommen. So kritisierte auch der Mikrobiologe Alexander Kekulé von der Universität Halle am 16. November im Deutschlandfunk, dass die zuständigen staatlichen Stellen „viel versäumt“ hätten und der Aufbau notwendiger Testkapazitäten in den Laboren schleppend vorangehe. Es sei „typisch deutsch“, diese Aufgabe der privaten Wirtschaft zu überlassen und darauf zu warten, ob auf privaten Gewinn ausgerichtete Labore ihre Testkapazitäten erweiterten. So etwas müsse zentral organisiert werden, forderte er. Zudem gebe es nach wie vor keine elektronische Vernetzung der örtlichen Gesundheitsämter. „Wir müssen ein bisschen dirigistischer sein“, so sein zaghaft formulierter Appell für mehr staatliche Eingriffe, Zentralisation und Koordination. Schon im August erwiesen sich die von der bayerischen Staatsregierung groß angekündigten Corona-Tests bei der Einreise an der Grenze als Flop. Die damit beauftragten privaten Firmen waren offenbar hoffnungslos überfordert. In etlichen Fällen erfuhren Infizierte mit positivem Testergebnis erst nach Tagen von ihrem Befund.

Fette Profite mit dem Impfstoff

Während Wissenschaftler fieberhaft an der Entwicklung eines Impfstoffs arbeiten, wittern Kapitalisten hier den großen Reibach. Von dem Wettrennen um die Impfstoffproduktion profitieren vor allem die Aktionäre der Chemiekonzerne. Pfizer-Chef Albert Bourla wurde auf einen Schlag um Millionen reicher, als er am 9. November berichtete, dass der von seinem Konzern und BioNTech entwickelte Impfstoff einen 90prozentigen Schutz bietet. Sofort schossen die Aktienpreise in die Höhe. Bourla nutzte die Gunst der Stunde und verkaufte beim Höchststand rund 62 Prozent seiner persönlichen Aktien. Sein Reingewinn betrug rund 5,6 Millionen Dollar auf einen Schlag – ein nettes „Zubrot“ zu seinem regulären Jahreseinkommen von über 15 Millionen Euro. Pfizer-Vizechefin Sally Susman kassierte durch den Verkauf von Aktien im Handumdrehen immerhin zusätzlich 1,8 Millionen US-Dollar.

Rasch hat sich gezeigt, dass das kapitalistische Profitstreben wichtiger ist als unser aller Gesundheit. Jetzt hämmern sie uns zwar ein, dass wir in den kommenden Monaten möglichst zu Hause bleiben und alle sozialen Kontakte herunterfahren sollen. Aber wir sollen weiter in überfüllten Massenverkehrsmitteln in Stoßzeiten zur Arbeit fahren und an teilweise nur schlecht geschützten Arbeitsplätzen für den Profit der Kapitalisten arbeiten.

Besonders deutlich kommen die Missstände im Zusammenhang mit den Meldungen über die prekären Arbeits- und Wohnverhältnisse von Arbeitern in deutschen Schlachthöfen zum Ausdruck. Diese Menschen kommen meistens aus Ost- und Südosteuropa, werden hier wie moderne Sklaven behandelt und mehrfach von Kapitalisten, Vermietern und privaten Arbeitsvermittlern ausgebeutet. Obwohl sich die Fleischfabriken und beengten Unterkünfte als Corona-Hotspots herausstellten, schauten die Behörden vielfach weg und legten betroffene Betriebe nur kurze Zeit still. Die für die Schlachthofbarone wie Tönnies in Rheda-Wiedenbrück (Kreis Gütersloh) höchst profitable Produktion billigen Fleisches hat Vorrang. Gesetzesvorschläge gegen Werkverträge und Leiharbeit, die demnächst in Kraft treten sollten, wurden von der CDU/CSU gestoppt, die eine direkte Lobby von Tönnies und Co. ist. Der Profit der Fleischindustrie wiegt stärker als die Interessen der extrem ausgebeuteten Wanderarbeiter und unser aller Interesse an Gesundheit und Abwehr des Virus. An einer Enteignung der Fleischbarone, Immobilienbesitzer und Vermittler, die sich auf Kosten der Wanderarbeiter schamlos bereichern und unsere Gesundheit gefährden, führt daher kein Weg vorbei!

Auch andere Massenunterkünfte – etwa für Geflüchtete oder Wohnungslose – erweisen sich in diesen Tagen und Wochen immer wieder als Corona-Hotspots. Hier schafft nur die Beschlagnahme leerstehender Gebäude Abhilfe – im Interesse der Betroffenen und einer breiten Öffentlichkeit an der Eindämmung der Pandemie. Leerstehende Gebäude, Hotels und ähnliche Unterkünfte müssen für eine sichere Unterbringung von Obdachlosen oder extrem beengt lebenden Menschen beschlagnahmt werden. Leerstehende Gewerbegebäude müssen für Schulen und Hochschulen geöffnet werden.

Inzwischen wurde bekannt, dass die neue Corona-Mutante 20A.EU1 in Spanien entstanden ist und sich seit Sommer vor allem über Urlauber europaweit ausgebreitet hat. Nach einer Studie wurden dadurch 80 Prozent aller Fälle in Großbritannien und Spanien und immerhin 40 Prozent in der Schweiz und Frankreich ausgelöst. Hotspot war nach Untersuchungen die Landwirtschaft im nordöstlichen Spanien (Aragon und Lleida) und hier insbesondere die dort eingesetzten Saison- und Wanderarbeiter, die in schlechten Unterkünften mit miserablen sanitären Bedingungen zusammengepfercht wohnen.

Einem Staat, der unseren Gesundheitsschutz trotz Lippenbekenntnissen nicht wirklich ernst nimmt, können wir unsere Zukunft nicht anvertrauen. Vor allem dann nicht, wenn dieser Staat gleichzeitig – wie in Leipzig und Frankfurt am Main in den vergangenen Wochen geschehen – Demos von Coronaleugnern und Verschwörungstheoretikern schützt, bei denen elementare Sicherheitsvorschriften, Abstandsregelungen und Mund-Nase-Schutz missachtet werden. Am 14. November wurden hingegen in Frankfurt am Main Gegendemonstranten gegen einen Aufmarsch sogenannter “Querdenker” mit Wasserwerfern weggesprüht und weggestoßen, die gewissenhaft Mund-Nase-Schutz trugen und den Schutz vor der Pandemie ernst nahmen. Schon Mitte September 2020 wurden wir in St. Goar Zeugen der Voreingenommenheit und Fahrlässigkeit der Staatsmacht. Wir protestierten dort bei einem Festakt gegen öffentliche Geschenke an den Hohenzollernclan. Dabei fiel ins Auge, dass das Festpublikum ohne Masken dicht zusammenstand und nur die Demonstranten Mund-Nase-Schutz trugen und auf Abstand achteten. Doch anstatt beim „Bad in der Menge“ des Prinzenpaars auf Einhaltung von Corona-Abstandsvorgaben zu achten, hatte es die Polizei auf die friedlichen Demonstranten abgesehen. So eskortierte die Staatsgewalt einen Plakatträger vom Platz. Ein handgemaltes Schild mit der Aufschrift „Nazikollaborateure Hohenzollern“ wurde von den Polizeibeamten als „Anfangsverdacht einer Beleidigung“ interpretiert und durfte per Anordnung nicht hochgehalten werden.

Die herrschende Kapitalistenklasse und ihre politischen Vertreter haben die Corona-Pandemie ausgenützt, um ihre Interessen weiter durchzuboxen. Dies sollte niemanden verwundern. Sie appellieren an “nationale Einheit” und holen gleichzeitig alte Pläne aus der Schublade, um die Gunst der Stunde zu nutzen und die Rechte und Errungenschaften der arbeitenden Klasse und Masse der Bevölkerung zu schwächen.

Es trifft nicht alle gleich

Die Corona-Pandemie ist keine „Gattungsfrage“, die die ganze Menschheit gleichermaßen trifft. Donald Trump, Boris Johnson, Jair Bolsonaro, Friedrich Merz und irgendwelchen sonstigen Bürgerlichen und Kapitalisten, die sich infiziert haben, stehen als Privatpatienten ganz andere medizinische Einrichtungen und Dienstleistungen zur Verfügung als Kassenpatienten wie Otto und Ottilie Normalverbraucher. Darum weisen wir auch alle Appelle an eine vermeintliche „nationale Einheit“ zurück. Die Pandemie verschärft Klassengegensatz und Klassenkampf. Die herrschende Klasse und gehobene Mittelschicht können es sich auch im Lockdown in großzügigen Wohnverhältnissen bequem machen. Kapitalisten und Manager können auch vom Homeoffice aus ihre Geschäfte tätigen und alles sorgenfrei aussitzen. Wer aber in beengten und ungesunden Verhältnissen wohnt, kann das nicht.

Insgesamt kann nur ein Viertel aller Beschäftigten die Arbeit überhaupt ins Homeoffice verlagern. Gleichzeitig treffen die Einschränkungen im öffentlichen Leben die arbeitende Klasse und ärmeren Menschen viel härter. “Die meisten Menschen werden nach der Corona-Krise ärmer sein”, prophezeite Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) schon im Frühjahr kurz nach der Verhängung des ersten Lockdowns. In der Tat soll nach der Logik der Herrschenden die breite Masse früher oder später unweigerlich die Zeche zahlen. Spätestens nach der Bundestagswahl im September 2021, also in einem Jahr, wird die nächste Bundesregierung mit dem Vorwand hoher Schulden zur Krisenbekämpfung und unter Verweis auf die “Schuldenbremse” Angriffe auf uns starten – unabhängig davon, wer in dieser Regierung sitzen wird.

Millionen Menschen sind immer noch erwerbslos oder in Kurzarbeit und wissen nicht, was das kommende Jahr bringt und ob sie weiter ihre Miete bezahlen können. Millionen Solo-Selbstständige, Künstler und andere Kulturschaffende, Kleingastronomen und andere Gewerbetreibende haben schon den ersten Lockdown schwer verkraftet und bangen im aktuellen Teil-Lockdown jetzt verstärkt um ihre Zukunft. Zwar hat die Regierung jüngst den Betroffenen unterschiedliche Hilfen zugesagt. Doch die sind immer noch in den allermeisten Fällen unzureichend. Die Angst vor einem längerfristigen Abrutschen in Hartz IV ist bei vielen Erwerbslosen, Kurzarbeitern und Solo-Selbstständigen vorhanden und begründet. Alle durch die staatlichen Vorgaben in der Pandemie bedingten Einnahmeausfälle sollten den abhängig Beschäftigten erstattet werden.

Wer gezwungen wird, unter bedenklichen hygienischen Bedingungen zu arbeiten, sollte sich nicht der  Gefahr aussetzen, sondern die Zustände dem Betriebsrat und den Aufsichtsämtern melden! Die sind gesetzlich zum Handeln verpflichtet! Und wenn von da nichts kommt – selbst in die Hand nehmen! Die Mehrheit der Beschäftigten hat keinen Betriebsrat. In Westdeutschland werden nur 42 Prozent und in Ostdeutschland nur 35 Prozent der Beschäftigten in Privatbetrieben von einem Betriebsrat vertreten. Also wenn ihr keinen Betriebsrat habt: Überwindet die Angst und das Teile und Herrsche, das in vielen Betrieben herrscht! Schließt Euch einstweilen am Arbeitsplatz in Komitees zusammen und meldet Euch selbstbewusst zu Wort. Wir brauchen Belegschaftskontrolle in den Betrieben, auch um die Gesundheit und Unversehrtheit zu verteidigen und die Einhaltung von Hygienekonzepten sicherzustellen. Und nicht nur in den Betrieben, sondern auch in den Wohnvierteln sollten wir unser Schicksal in die eigene Hand nehmen und die Zustände kontrollieren – etwa durch Nachbarschaftskomitees.

Linke Kritik und Offensive nötig

Bei der Abstimmung zum „Dritten Bevölkerungsschutzgesetz“ am 18. November 2020 hat die Fraktion DIE LINKE geschlossen mit NEIN gestimmt. „Bei aller Notwendigkeit die Epidemie einzudämmen, müssen rechtsstaatliche und demokratische Prinzipien gewahrt werden. (…) Das Hau-Ruck-Verfahren, mit dem das Gesetz durch das Parlament gejagt wurde, ist als katastrophal zu bezeichnen. (…) Die Exekutive kann weiterhin recht freimütig agieren, was der Schwere der Maßnahmen und der Eingriffe in die Grundrechte nicht angemessen ist“, so eine wesentliche Begründung der Ablehnung.

In der Bundestagsdebatte über das Gesetz am 18. November kritisierte der Abgeordnete Jan Korte (LINKE) „monarchistische Züge“  an der jüngsten Verkündung von Maßnahmen nach der jüngsten Ministerpräsidentenkonferenz. Er bezweifelte, dass die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung wirklich plausibel seien. „Kontaktbeschränkung und gleichzeitig verkaufsoffene Sonntage, das passt nicht zusammen. Kinder sollen nur noch einen Freund treffen und gleichzeitig mit 30 anderen Kindern zusammen in der Grundschule sitzen. Keiner versteht, dass der Staat neun Milliarden Euro ruckzuck für die Lufthansa ausgibt, aber null Milliarden Euro für ein bundesweites Luftfilterprogramm für Schulklassen. Jeder Schüler, Lehrer, jede Pfklegekraft sollte so schnell ein Testergebnis bekommen wie die Bundesligaspieler“, sagte Korte. Die Bundesregierung habe den „Sommer verpennt“ und hätte Zeit gehabt, um eine gründliche Analyse vorzulegen. „Der Staat pfiff schon vor der Pandemie aus dem letzten Loch.  Allein in Sachsen-Anhalt gab es schon vor der Pandemie 2000 Lehrer zu wenig“, sagte Korte. Jetzt sei es endlich an der Zeit, die Kommerzialisierung des Gesundheitswesens zu beenden und die Entprivatisierung der Krankenhäuser anzugehen. Zur Finanzierung forderte er eine Vermögensabgabe für Milliardäre. Man dürfe nach der Bundestagswahl und nach der Pandemie „nicht den Sozialstaat weiter abreißen, sondern muss ihn stärken, weil er den Menschen Sicherheit gibt“, so Kortes Appell.

Dass die Linksfraktion im Bundestag das Gesetz mit solchen Argumenten ablehnte, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Jetzt wäre es dringend notwendig, darüber die Bevölkerung aufzuklären – in sozialen Netzwerken, aber auch mit Massenflugblättern in Wohngebieten und Betrieben. Und die Menschen zu ermutigen, die Kontrolle über die Maßnahmen zur Verteidigung unserer Gesundheit nicht nur an das Parlament zu delegieren, sondern in Betrieb und Alltag selbst in die Hand zu nehmen. Es kommt aber einer kalten Dusche gleich und ist völlig konktraproduktiv, dass jetzt gleichzeitig der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE) und seine „rot-rot-grüne“ Landesregierung im Bundesrat dem Gesetz zustimmen. Dies sorgt für Verwirrung. So erscheint die LINKE als Teil des Establishments und Anhängsel der Bundesregierung und untergräbt damit nebenbei auch die Glaubwürdigkeit und Wahlchancen im Superwahljahr 2021. Umso wichtiger ist es, dass die Parteibasis jetzt in der Öffentlichkeit und an der Basis Farbe bekennt.

Die Corona-Pandemie zeigt in der Tat, wie wichtig ein staatliches, nicht auf privaten Profit orientiertes Gesundheitswesen ist. Schluss mit den Sparmaßnahmen und Privatisierungen der vergangenen Jahrzehnte! Private Kliniken und Konzerne vergesellschaften! Die Forschung und Entwicklung von Impfstofffen darf nicht privaten profitgierigen Großaktionären gehören, sondern muss in öffentlicher Hand und Kontrolle der Beschäftigten liegen. Alle Ressourcen müssen gebündelt werden. Wir brauchen flächendeckende kostenlose Massentests.

Es geht auch anders

Länder wie China, Neuseeland, Taiwan und Südkorea haben in den letzten Monaten übrigens  in unterschiedlichem Maße einen weitgehenden Lockdown, Massentests und ein sehr effizientes Test- und Rückverfolgungssystem durchgeführt. Im Oktober entdeckte die chinesische Stadt Qingdao 12 COVID-19-Fälle im Zusammenhang mit einem Krankenhaus, das aus dem Ausland ankommende Menschen behandelte. Die gesamte Bevölkerung der Stadt – neun Millionen Menschen – wurde innerhalb von fünf Tagen getestet. Südkorea verfügt über ein sehr effizientes Test- und Rückverfolgungssystem. Diese Länder haben auch strenge Kontrollen bei der Einreise verhängt, wobei alle Ankommenden getestet und alle positiv getesteten Personen in eigens dafür vorgesehenen Krankenhäusern oder Hotels unter Quarantäne gestellt werden. Massentests werden nun auch in der Slowakei wirksam durchgeführt. Dort wurde die gesamte erwachsene Bevölkerung an zwei verschiedenen Wochenenden getestet.

Solche Maßnahmen können die Ausbreitung der Pandemie wirksam stoppen. Die chinesische Regierungspartei hat nach dem anfänglichen kläglichen Versuch, die Pandemie zu vertuschen, letztendlich rascher und wirksamer gehandelt als die EU-Länder, USA oder Brasilien. Sie hat nämlich erkannt, dass sie für ihren weiteren Machterhalt in hohem Maße davon abhängig ist, ob man ihr zutraut, die Gesundheit der Bevölkerung zu gewährleisten.

Gleichzeitig gibt es als Folge der planwirtschaftlichen Vergangenheit Chinas immer noch ein höheres Maß an staatlichen Eingriffen in die Wirtschaft. So können die Ressourcen des ganzen Landes wirksamer mobilisert und eingesetzt werden. Es spricht Bände über den traurigen Zustand des europäischen Kapitalismus, dass beherzte Maßnahmen dieser Art nicht ergriffen oder kriminell verzögert wurden. Letzten Endes werden in Krisenzeiten die Grenzen der Anarchie des Systems des „freien Marktes“ für alle deutlich sichtbar.

Natürlich ist China für uns kein sozialistisches Vorzeige- und Musterland, sondern ein kapitalistisches Land, das von einem sehr autoritären Regime regiert wird. Natürlich funktionieren solche Maßnahmen am besten in einer sozialistischen Demokratie mit Belegschaftskontrolle in Betrieben und demokratischen Kontrollgremien von unten in den Wohngebieten. Natürlich müssen finanzielle Härten für die Masse der Bevölkerung voll ausgeglichen werden.

Geld ist hierzulande und international genug da, um allen Menschen die Existenzängste zu nehmen und ein sorgenfreies Leben zu garantieren. Die Krise hat die Reichen reicher und die Armen zahlreicher gemacht. Die Krisengewinnler stehen bereits fest. So ist in den vergangenen zehn Monaten das Gesamtvermögen allein der acht reichsten Milliardärsfamilien in Deutschland um 37,1 Milliarden Euro auf eine Summe von 167 Milliarden Euro angewachsen. Zu dieser Spitzengruppe zählen die Familien Albrecht (Aldi), Schwarz (LIDL), Klatten und Quandt (BMW-Großaktionäre), Würth (Fabrikant) sowie Hopp und Plattner (SAP). Zu den größten Krisengewinnlern zählen auch Versandhäuser und Logistiker wie Amazon, die vom Trend zum Versandhandel und der Ausbeutung prekärer Paketfahrer profitieren.

Statt Schuldenbremse und Abwälzung der Krisenlasten auf die Masse der Bevölkerung brauchen wir einen gesamtgesellschaftlichen Kassensturz, der alle öffentlichen Kassen, Bilanzen der Konzerne und Banken wie auch die Vermögen der Reichen und Superreichen umfasst. Dann werden wir schnell sehen, dass dieses Land insgesamt nicht arm ist. Keine Finanzspritzen an Konzerne, Banken und private Aktionäre, die gar nicht bedürftig sind!

Wir leben nicht über unsere Verhältnisse, sondern weit unter unseren Möglichkeiten. Die arbeitende Klasse ist die einzige produktive Klasse und schafft den Reichtum, den sich die Kapitalistenklasse aneignet. Großkonzerne, Banken, Versicherungen und große Vermögen gehören in öffentliche Hand und unter Belegschaftskontrolle überführt. Wir brauchen alle Ressourcen für den Kampf gegen COVID-19 und für ein sorgenfreies Leben ohne Angst vor Krankheit, Wohnungslosigkeit und Arbeitsplatzverlust. Um würdige Lebensbedingungen und gleiche kostenlose Gesundheitsfürsorge für alle zu schaffen, müssen wir den Kapitalismus überwinden.

Hans-Gerd Öfinger
Der Funke Deutschland

Bild: der Funke Deutschland