In der Schweiz herrscht eine der schlimmsten Corona-Situationen weltweit. Im direkten Ländervergleich gehen wir der Frage nach: War dieses Ergebnis unvermeidbar?  Wir sagen «Nein» und erbringen die Beweise.

Pro 100’000 Einwohner hat die Schweiz 3882, China 6 und die Mongolei 24 Infektionen (Stand 03.12). Damit ist die Schweiz eines der am stärksten betroffenen Länder weltweit. Wer ist für die vielen Infektionen und Toten verantwortlich? Müssen wir zwischen Menschenleben oder Wirtschaft entscheiden?

Seit Januar ist klar, dass es ohne Impfstoff nur drei Möglichkeiten gibt, um die Pandemie zu bremsen: Testen, Kontakte nachverfolgen und isolieren. Trotzdem verfolgen die Regierungen ganz verschiedene Strategien in der Pandemie-Bekämpfung – mit unterschiedlichen Resultaten.

Die Schweiz

Am 16. März wurde vom Bundesrat die «ausserordentliche Lage» erklärt und die Schliessung sämtlicher «nicht lebensnotwendigen Geschäfte und Dienstleistungen» beschlossen. Die Massnahmen wurden dann auf Druck der Kapitalisten ab dem 27. April wieder gelockert, während die Ansteckungszahlen noch anstiegen. Ausser einer Ausweitung der Maskenpflicht wurde kaum etwas unternommen – bis dann Mitte Oktober die Zahlen explodierten und einzelne Spitäler Alarm schlugen. Die Bekämpfung der zweiten Welle  bestand auf Bundesebene nur darin, die Maskenpflicht in allen Läden und an Haltestellen einzuführen. Einige hart betroffene Kantone wiederholten die Massnahmen vom März und schlossen Bars und andere Geschäfte.

China

Das Ursprungsland der Pandemie wurde bereits Ende 2019 vom Virus getroffen. Nach einer Zeit des Leugnens wurden im Januar härteste Massnahmen ergriffen und das ganze Land lahmgelegt. Hunderte Millionen von Menschen wurden in ihren Wohnungen eingesperrt, Kranke wurden abgesondert und Abermillionen von Tests durchgeführt. Alleine in Wuhan wurden 1800 Teams für das Contact Tracing zusammengestellt. Im Epizentrum Wuhan wurden innert Tagen zwei Spitäler neu gebaut und 14 Gebäude umfunktioniert, um die Menschen mit leichtem oder asymptomatischen Verlauf zu isolieren. Die Produktion von Schutzmaterial wie Masken wurde enorm gesteigert – für China selbst und auch für den Rest der Welt. Nach  vier Monaten des Ausnahmezustands ist wieder eine relative Normalität in China eingekehrt. Auf  einzelne Infektionen reagierte  China mit Massentests: Nachdem 12 Fälle auftraten, wurde die Millionenstadt Quingdao innert Tagen durchgetestet. Dank diesen konsequenten Massnahmen kann wieder gereist werden, Massenveranstaltungen sind erlaubt – und das ohne zweite Welle. 

Die Mongolei

Von Beginn weg war klar, dass das mongolische  Gesundheitssystem nicht im Stande wäre, eine Pandemie zu stemmen. Die Regierung ergriff sehr früh Massnahmen, um einen Ausbruch zu verhindern. Noch bevor die Mongolei den ersten bestätigten Fall hatte, wurden alle Schulen geschlossen. Der erste Fall kam im März. Sofort wurden alle Personen im Umkreis unter Quarantäne gestellt. War das Contact Tracing nicht einwandfrei möglich, wurden beispielsweise in Ulaanbaatar ganze Stadtviertel abgeriegelt. Diese und weitere Massnahmen zeigen das Potential einer ernsthaften Pandemie-Bekämpfung auf: Die  Mongolei, welche bezüglich ihren finanziellen Mitteln weit hinter der Schweiz liegt, blieb faktisch von der Pandemie verschont und hat nach offiziellen Statistiken noch keinen Corona-Toten zu beklagen!

Ihre Profite vs. unsere Leben

Fassen wir zusammen: Die Strategie des Bundesrates in der ersten Welle kam zu spät, war inkonsequent und danach die Öffnung selbst im europäischen Vergleich überhastet. Die Erholung im Sommer wurde nicht für die Vorbereitung der zweiten Welle genutzt: Es gab weder Massentests noch ein flächendeckendes Contact Tracing, geschweige denn den notwendigen Ausbau der Kapazitäten der Spitäler. 

Dabei zeigen die Beispiele der Mongolei und Chinas: Mit Massentests, Nachverfolgung und Isolierung hätte die Ausbreitung der Pandemie verhindert, oder zumindest eingedämmt werden können. Hier zeigt sich die massive Überlegenheit einer zentralisierten Strategie und Planung: In der chinesischen Stadt Quingdao wurde innert fünf Tagen die 9 Millionen-Bevölkerung durchgetestet. Die Schweiz mit gleich vielen Einwohnern, aber 26 Pandemie-Strategien schafft es bis heute nicht, das Virus einzudämmen. Dies als Inkompetenz abzutun, greift zu kurz. Der Bundesrat ignoriert die Gesundheitsexperten des BAG, und Finanzminister Ueli Maurer sagt offen: «Wir (dh. die Kapitalisten) können uns keinen 2. Lockdown leisten». Der Föderalismus, wie auch das Mantra der Eigenverantwortung, dienen nur als schlechte Tarnung für die offensichtliche Durchseuchungsstrategie. Fast 6’000 Menschen (Stand 10. Dezember) sind in der Schweiz unnötig gestorben – und das nur, weil den Kapitalisten Profite wichtiger waren als Menschenleben!

Kein chinesischer Weg – Nieder mit dem Kapitalismus!

Natürlich hat die chinesische Regierung die notwendigen Massnahmen nicht aus Herzensgüte getroffen. China ist ein kapitalistisches Land mit einer autoritären Regierung. Politische Unterdrückung und soziale Ungleichheit machen China zu einem Pulverfass. Einzig das stabile Wirtschaftswachstum und riesige Investitionsprogramme sicherten in der Vergangenheit ein fragiles Gleichgewicht und damit den Machterhalt der Regierung. Dieser Druck aus der Arbeiterklasse erklärt die Effizienz und Rigorosität der Pandemiestrategie. Hinzu kommen die viel grösseren Staatsinterventionen (teilweise ein Erbe aus Zeiten der Planwirtschaft), welche es erlaubten, innert kürzester Zeit grosse Ressourcen zu mobilisieren. 

Der Vergleich mit Europa und vor allem mit der Schweiz zeigt: Die hiesigen Kapitalisten rechnen mit der Passivität der Arbeiterklasse. Sie stellen uns vor eine perfide Wahl: Gesundheit oder Job. Dies nennen sie dann Eigenverantwortung. Das entlarvt ihre Strategie: So oder so sollen wir für die Krise zahlen – mit unserem Leben oder mit der sozialen Sicherheit von uns und unseren Familien. Hinter der Fassade von Eigenverantwortung und wirtschaftlichen Zwängen versteckt sich der Klassenstandpunkt. Die tatsächliche Frage lautet: Menschenleben und soziale Sicherheit oder kapitalistische Wirtschaft?  

Die Pandemie hat uns gezeigt, dass der «freie Markt» nicht in der Lage ist, unsere Existenz zu sichern. Sie hat auch gezeigt, dass die zentralisierte Planung der Anarchie des freien Marktes weit überlegen ist – sogar in ihrer bürokratischen und kapitalistischen Form. Wollen wir aber eine Wirtschaft haben, die wirklich unseren Bedürfnissen dient, dann müssen wir die Kapitalisten enteignen und die Wirtschaft demokratisch planen. Das ist keine Utopie, sondern die entscheidende Frage unserer Periode: Wer zahlt für die Krise? Nur wir als Arbeiterklasse und nur im Kampf für den Sozialismus können diese Frage positiv für uns und unsere Familien entscheiden.

Pascal Béton und Olivia Eschmann

Bild: Telebasel