Gegen Spekulation und Mietwucher: Die Volksinitiative «Für mehr bezahlbaren Wohnraum» will das Recht auf Wohnen realisieren. Der Kampf für eine anständige Behausung für alle ist bitter nötig – und sollte noch viel weiter gehen.

Obwohl in der Schweiz 56% aller Wohnverhältnisse Mietverhältnisse sind, sieht es im europäischen Vergleich schlecht aus in Sachen MieterInnenschutz. Trotz eines Rekordleerstands von über 75’000 Wohnungen bleiben die Mieten hoch. In den Städten steigen sie munter weiter. Freier Wohnungsmarkt und Bauboom führen nicht zur Deckung des Bedarfs an benötigtem Wohnraum, geschweige denn zur Senkung der Preise. Wohnbauten sind Wertanlagen und Spekulationsobjekte. Aufwertung, Mietpreiserhöhungen und Verdrängung aus den Innenstädten sowie Obdachlosigkeit sind im Kapitalismus allgegenwärtig.

Breites Bündnis, schmale Forderungen

Die Volksinitiative «Für mehr bezahlbaren Wohnraum» fordert Massnahmen gegen die steigenden Preise. 

Die InitiantInnen wissen: Nicht Verhandlungsgeschick oder der Glaube an den Markt sorgen für Preissenkungen, sondern nur die Einschränkung der Macht der HauseigentümerInnen. Die Forderung nach bezahlbarem Wohnraum schärft das Bewusstsein für die gemeinsamen Interessen der Unterdrückten. Diese muss aber zwingend über die geforderten konsumentenschützerischen Massnahmen hinausgehen. Unsere Forderungen müssen zum Ziel haben, als Klasse selbst die Kontrolle über den Wohnraum zu übernehmen. 

Die Forderungen nach flächendeckendem staatlichem sozialen Wohnungsbau und der Mietpreisdeckel bedeuteten eine unmittelbare Verbesserung der Lage der arbeitenden Klasse. Sie würden aber auch deutlich machen, dass die Befriedigung solcher Grundbedürfnisse den Bruch mit dem Kapitalismus bedingt. Die von der Initiative geforderte Quote von 10% gemeinnützigen Wohnungen ist in einigen Städten bereits Realität und offensichtlich viel zu niedrig. Auch wenn der Bau von neuen Wohneinheiten schwierig wird, bleibt am Ende nur die Enteignung und öffentliche Verwaltung von Spekulationsobjekten.

Der Mietpreisdeckel würde bei den VermieterInnen selber ansetzen: Eine Wohnung darf einen maximalen Mietpreis nicht überschreiten. Unsere Forderung muss hier die Kostenmiete sein, also Kosten von Bau und Unterhalt aber kein Gewinn.

Beide Forderungen führen auf direktem Weg zur Konfrontation mit dem kapitalistischen System.

Wohnungsfrage? Klassenfrage.

Die Lage auf dem Wohnungsmarkt hat sich in den letzten Jahren zugespitzt. Seit 1998 stiegen die Wohnkosten für die untersten 20% der Einkommen von gut 25% des Lohnes auf knapp einen Drittel des Lohnes. Gleichzeitig sanken die Wohnkosten der Reichsten massiv.

Trotzdem ist der Konflikt zwischen Bourgeoisie und Proletariat in der Wohnungsfrage kein neuer. Wohnraum ist im Kapitalismus eine Ware und wird entweder in Form von Wohneigentum – oder auf Zeit – zur Miete gekauft. Die besitzende Klasse verfügt über die Produktionsmittel, mit welcher sie Wohnraum durch die Hände der ArbeiterInnen produzieren lässt. Der Lohn entspricht dabei nur einem Teil des eigentlich geschaffenen Werts. Die Bourgeoisie vermietet oder verkauft den Wohnraum so teuer wie möglich und schlägt so Profit aus der Arbeit des Proletariats. Gleichzeitig tritt auf der KäuferInnenseite die arbeitende Klasse als KonsumentIn auf und ist gezwungen, der besitzenden Klasse die selbst geschaffene Ware Wohnraum auf die eine oder andere Weise abzukaufen.

Wie man es auch dreht und wendet, ob man nun zur Miete, in einer Genossenschaft oder in einer Eigentumswohnung lebt, die Kapitalistenklasse gewinnt.

Initiative als Startpunkt

Die InitiantInnen preisen den genossenschaftlichen Wohnbau als beste Lösung für die Wohnungsfrage. Natürlich können Genossenschaften die Situation einzelner für eine gewisse Zeit verbessern, doch befriedigen sie nur die Bedürfnisse von wenigen, die sich vor dem räuberischen Wohnungsmarkt in Sicherheit gebracht haben.

Deshalb ist es wichtig, zu sehen: Wir unterstützen die aktuelle Initiative nicht als endgültige Lösung, sondern als Startpunkt für einen breiteren Kampf für das Recht auf Wohnen. Sie stellt die richtige Frage: Wie wollen wir der Macht der Herrschenden in der Wohnungsfrage begegnen? Unsere Antwort als MarxistInnen darauf lautet: Im täglichen Kampf für Verbesserungen, in direkter Verbindung mit dem Kampf als arbeitende Klasse gegen die besitzende Klasse. Erst wenn wir die Kontrolle über die Schaffung und Verwaltung allen Wohnraums innehaben, wird das Recht auf eine gute Behausung für alle Realität.

Beat Schenk
JUSO Thurgau

Bild: bezahlbare-wohnungen.ch