In den Kantonen und Städten ist seit geraumer Zeit der Sparwahn ausgebrochen. Gespart wird in der Bildung, in der Gesundheit, im Sozialbereich und beim Personal. Die Reichen werden geschont. Dagegen hilft nur Widerstand.

Anteile am gesamten Vermögen in der Schweiz 2008Den Reichen in der Schweiz geht es in der Krise gut. Sogar immer besser. So sind im letzten Jahr die Vermögen der 300 Reichsten um 6.5 Prozent oder umgerechnet um 31,1 Milliarden Franken angestiegen. Hauptgrund für diesen Anstieg waren kräftige Kursgewinne an den Aktienmärkten. Wer hat, dem wird gegeben. Alleine die zehn Reichsten der Schweiz wurden im Jahr 2012 um 21 Milliarden Franken reicher. Zusammen besitzen sie ein Vermögen von 141 Milliarden. Während die Beschäftigten und die RentnerInnen durch stagnierende Löhne, höhere Krankenkassenprämien, horrende Mieten und steigende Gebühren immer weniger Geld im Geldbeutel haben. Wie in ganz Europa sollen sie die Zeche für die Wirtschaftskrise zahlen. In der Schweiz zurzeit vor allem in Form von Sparprogrammen der öffentlichen Hand.

Sozialer Kahlschlag

Ein Kanton nach dem anderen schnürt ein Sparpaket. So sollen alleine im Kanton Bern 231 bis 491 Millionen Franken gespart werden – auf Kosten von über 600 Stellen im öffentlichen Sektor. Gespart wird in den Bereichen Bildung, Behindertenbetreuung, Kantonspolizei, Psychiatrie, Steuerverwaltung und Strassenunterhalt. Finanziell am bedeutendsten ist, dass die Berner Regierung dem Kantonspersonal in den nächsten Jahren nun doch nicht ein Lohnsummenwachstum von 1,5 Prozent gewähren will.
„Bildung und Soziales explodieren“, sagte beispielsweise der Winterthurer Stadtpräsident Michael Künzle (CVP). Auch Städte wie Winterthur sind vom Sparwahn betroffen. So rechnet die Finanzvorsteherin Ivonne Beutler vor, dass 2013 voraussichtlich ein Defizit von 62 Millionen Franken resultieren wird und darum der Rotstift angesetzt werden müsse. Das grösste Sparpaket, das Winterthur je gesehen hat, kommentiert die neugewählte Sozialdemokratin mit den Worten: „Es ist eine grosse Herausforderung aber auch eine spannende Aufgabe.“ Neben Stellenabbau im öffentlichen Dienst, Einsparungen in der Altenpflege und bei den Sozialausgaben sollen zudem Stadtbushaltestellen gestrichen und öffentliche Toiletten geschlossen oder weniger geputzt werden. Von Luzern, über St. Gallen, Basel, Bern, Schaffhausen, Thurgau, Zürich und Winterthur – überall das gleiche Bild. Gespart wird bei den Schwachen, anstatt bei denen, die vom System profitieren.

Folgen der Profitlogik

In der ganzen Spardebatte wird die Frage ausgeblendet, woher die Schulden und die Defizite kommen. Dabei leiden die Bürgerlichen offensichtlich an Gedächtnisschwund. Sie scheinen bewusst zu verdrängen, dass sie die Verantwortung für die leeren Staatskassen zu verantworten haben. Der ruinöse Steuerwettbewerb der Kantone und Städte hat massive Löcher in die öffentlichen Kassen gerissen. Dies hat in den letzten 10 Jahren beispielsweise im Kanton Zürich zu jährlichen Steuerausfällen von 2 Milliarden Franken geführt. Genau das Geld, das jetzt angeblich fehlt.
Alleine die Unternehmenssteuerreform II kostet den Bund, die Kantone und die Gemeinden konservativ geschätzt in den nächsten 10 Jahren 8 Milliarden Franken. Die Unternehmenssteuer ist symptomatisch für die kapitalistische Umverteilungspolitik der letzten zwei Jahrzehnte in der Schweiz. So lag diese 1990 noch bei rund 20 Prozent. Heute müssen die Unternehmen gerade noch durchschnittlich 7 Prozent ihrer Gewinne dem Fiskus abgeben. Hinzu kommt, dass die kantonalen Erbschaftssteuern praktisch flächendeckend abgeschafft wurden sowie etliche Unternehmen von Steuergeschenken profitieren.
Die leeren Kassen der Gemeinden und Kantone sind das Resultat dieses Klassenkampfs von oben gegen unten. Zudem sind sie die Folge der Eurokrise. Die Nationalbank pumpte in den letzten 2 Jahren Milliarden in den Kauf von Eurodevisen, um den starken Franken abzuwerten und die Exportunternehmen zu subventionieren. Dieses Geld fehlt nun bei den Ausschüttungen für die Kantone und den Bund.

Es ist aber gänzlich falsch diese Politik einfach der falschen Meinung, der falschen Ideologie der Bürgerlichen zuzuschreiben. Bei den Steuersenkungen und dem Sozialabbau der letzten Jahre ging es in erster Linie darum die Kosten für die Unternehmen zu senken, also die Konkurrenzfähigkeit zu erhöhen. Diese Steuersenkungen und damit verbunden die Sparmassnahmen sind also auch Konsequenz der verschärften Konkurrenz aufgrund der Krise. Es ist schliesslich dieselbe Logik, welche die barbarischen Sparmassnahmen in Südeuropa „nötig machen“. Es ist die Logik des Kapitalismus; die Profite der Unternehmen sind oberster Zweck und oberstes Ziel, alles andere ist zweitranging. Wer heute fordert, dass man einfach die Unternehmenssteuer auf das Niveau der vergangenen Jahrzehnte erhöht, muss sich gleichzeitig bewusst sein, dass dies unter Umständen dramatische Auswirkungen auf die Konkurrenzfähigkeit der Schweizer Unternehmen hätte. Denn dieselben Massnahmen, die in der Schweiz getroffen wurden, sind praktisch überall sonst auch vollzogen worden. Die Bürgerlichen lügen zwar oft, wenn sie bei der kleinsten Verschlechterung für sich auszuwandern drohen, jedoch massivere zusätzliche Kosten hätten wohl durchaus zur Konsequenz, dass viele Unternehmen bzw. Kapital abwandern würde.

Was ist die Alternative?

DemoLuzernDie Lohnabhängigen können diese kapitalistische Logik nicht einfach akzeptieren, da sie ihren Interessen nicht entspricht. In einzelnen Kantonen kam es bereits zu einer ersten Antwort der Betroffenen. So haben die Staatsangestellten und ihre Gewerkschaften bereits in verschiedenen Kantonen Proteste organisiert. Alleine im konservativen St. Gallen gingen im letzten November über 4000 Menschen lautstark gegen die Sparmassnahmen auf die Strasse. Auch in Luzern, Schaffhausen, Bern und kürzlich sogar im Thurgau kam es zu Protesten. Leider geben sich die VertreterInnen der ArbeiterInnenbewegung in den Parlamenten weitgehend ideen- und konzeptlos. Vor allem die Sozialdemokratie zeigt sich resigniert. Gerade dort, wo die Sparmassnahmen gegen ExekutivpolitikerInnen der eigenen Partei bekämpft werden müssten, wie das beispielsweise in Winterthur der Fall ist, ziehen sie sich in ihr Schneckenhäuschen zurück. Sie unterwerfen sich mehrheitlich den kapitalistischen „Sachzwängen“ ohne an eine Alternative zu arbeiten. Bis auf die zaghafte Forderung nach der Erhöhungen des allgemeinen Steuersatzes, welche erfahrungsgemäss die tiefen und die mittleren Einkommensschichten überproportional trifft, wagen sich die SP-ParlamentarierInnen nicht sich mit dem Kapital anzulegen.

Die Forderung nach hohen Steuern für Reiche und Unternehmen sind heute in der Schweiz durchaus richtig, jedoch bleiben sie ohne breite Mobilisierungen und Organisierung, höchstens eine schöne Floskel. Die Sparpolitik der Bürgerlichen kann nicht durch Initiativen, Referenden oder parlamentarische Diskussionen gestoppt werden, sondern nur durch entschlossenen Widerstand. Die zunehmende Kampfbereitschaft der öffentlichen Angestellten zeichnet den Weg vor. Dem Klassenkampf von oben kann nur der Klassenkampf von unten entgegengesetzt werden. Mobilisierungen und Aktionen bis hin zum Streik müssen unsere Antwort sein. Die bürgerlichen Spartyrannen verstehen keine andere Sprache. Die Angestellten und die Betroffenen müssen sich organisieren. Aktionskomitees gegen die Sparprogramme wie zum Beispiel in St. Gallen sind ein notwendiger Schritt.

Doch schliesslich reicht eine technische Diskussion über die Höhe der Besteuerung usw. nicht, sondern auch in dieser Frage liegen die grundsätzlich verschiedenen Klasseninteressen zu Grunde. Die Besitzenden wollen tiefe Steuern, um möglichst hohe Gewinne zu erzielen, die Mehrheit braucht gute Bildung, ein gutes Gesundheitssysstem, sichere Arbeit, bezahlbaren Wohnraum, usw. Die Reichen werden Geld aus der Schweiz abziehen, wenn sie hier nicht mehr hohe Gewinne einfahren können, die Mehrheit will hier ein gutes Leben haben. Die Frage der Staatsfinanzen wirft also auch schlussendlich die Frage des Besitzes auf. Wem gehört der gesellschaftlich erarbeitete Reichtum. In Griechenland stellt sich die Frage heute bereits relativ konkret. Steuererhöhungen für Unternehmen würden die ohnehin kaum konkurrenzfähige Wirtschaft komplett vernichten. Die Mehrheit kann aber unter den momentanen Sparmassnahmen kaum noch leben.

Es ist also Aufgabe der Sozialdemokratie mit der kapitalistischen Logik zu brechen; aufzuzeigen, dass der Kampf der Thurgauer öffentlichen Angestellten der selbe ist wie der der Berner, aber auch der selbe wie der Kampf für eine vernünftige AHV. Die SP muss sich kompromisslos jeglichen Sparmassnahmen entgegenstellen. Insbesondere auch dort, wo sie in der Regierung ist. Ihre Exekutivpolitiker müssen ihre Autorität gegen die Sparmassnahmen öffentlich einsetzen, die Umsetzung der bürgerlichen Sparmassnahmen verweigern und schliesslich zurücktreten, falls die Bürgerlichen daran festhalten. Die sollen ihre Politik selber umsetzten. Das prinzipienlose Anpassen an die bürgerliche Mehrheit ist fatal für die ganze Partei. Die SP muss es schaffen ihre Regierungsmitglieder an das Parteiprogramm und an ihr Wahlprogramm zu binden und die Anpassung an die Bürgerlichen sofort sanktionieren. Was nützen uns Vertreter, welche bürgerliche Politik machen?

Letzen Endes wird die Bedeutung dieser Kämpfe vor allem auch darin liegen, dass sie die unmenschliche Logik des Kapitalismus für breitere Schichten der Lohnabhängigen konkret fassbar und verständlich machen werden. Es gilt diese hinter ein Programm zu scharen, welches mit der Kapitalistischen Logik bricht und den Weg zu einer sozialistischen Gesellschaft weist.

Darum fordern wir:

  • Stopp dem Spardiktat. Keine Einsparungen beim Personal, der Bildung, der Gesundheit und im Sozialbereich!
  • Die Abzocker und Unternehmen sollen für die Krise zahlen: Erhöhung und Harmonisierung der Unternehmenssteuern, Steuererhöhungen auf grosse Vermögen, Einführung einer Kapitalgewinnsteuer, einer nationalen Erbschaftssteuer sowie einer Finanztransaktionssteuer von mindestens 0,1 Prozent.
  • Lohnerhöhungen und neue Stellen im öffentlichen Sektor. Alleine im Gesundheits- und Bildungsbereich fehlen mehrere 10‘000 Stellen.
  • Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von 4‘000 Franken.
  • Erhöhung der Renten, des Arbeitslosengeldes und der Sozialhilfe.
  • Steuersenkungen für die tiefsten Einkommen.