Im Kanton Zürich werden alle grossen Gesundheitsinstitutionen privatisiert. Das Ziel ist, den Gesundheitsbereich für privates Kapital weiter zu öffnen. Rentabilität wird damit gänzlich zur höchsten Maxime unseres Gesundheitssystems.

Ein gebrochenes Bein? Tumore oder eine Hirnerschütterung? Sehr gut. Die Aktionäre der Spitäler werden sich freuen. Wer heute krank ist, soll nämlich nicht einfach gesund werden, sondern rentabel sein. Aus dem Gesundheitsbereich wird immer mehr ein privates Geschäft gemacht.

Im Kanton Zürich stehen das Kantonsspital Winterthur (KSW), die Psychiatrische Uniklinik (PUK), die integrierte Psychiatrie Winterthur (IPW), sowie das Universitätsspital Zürich (USZ) im Fokus der Privatisierungsmassnahmen.

Das KSW wurde bereits im Jahre 2007 in eine selbständig-öffentlich-rechtliche Anstalt umgewandelt. Dies bedeutet, dass die Institution zwar formal im Besitz des Staats bleibt, aber als eigenständiges Unternehmen funktioniert. Von Gesundheitsdirektor und FDP-Mitglied Thomas Heiniger hiess es damals, dies sei kein Schritt in Richtung Privatisierung. Heute wird er offensichtlich als Lügner entlarvt, denn das KSW wird nun zu einer Aktiengesellschaft (AG) umgestaltet. Nach nur fünf Jahren Sperrfrist soll die Hälfte der Aktien an private, profitorientierte Unternehmen verkauft werden. Diese Entwicklung sollte nicht aussen vorgelassen werden, wenn man bedenkt, dass das USZ ebenfalls eine sogenannte selbständig-öffentliche Anstalt ist, und die PUK nun zu einer werden soll. Heiniger begründet seine Privatisierungspläne damit, dass die Institutionen mehr Handlungsspielraum haben sollen, um dadurch mit der Konkurrenz mithalten zu können. Ausserdem können so angeblich Kosten gespart werden. Dass dies nicht stimmt, sieht man an Beispielen wie Deutschland oder den USA: Privatisierung des Gesundheitsbereiches, insbesondere der Spitäler, führt zu Kostenwachstum.

Die Tendenz, den Service Public zu privatisieren, steht schon lange fest: in den letzten Jahrzenten wurden die Schweizerische Post, die SBB, wie auch die Swisscom in private Aktiengesellschaften umgewandelt. Sie ist als Versuch zu verstehen, grosse staatliche Bereiche für das private Kapital zugänglich zu machen. Als nächstes ist nun der Gesundheitssektor an der Reihe und die Fallpauschale, welche vor vier Jahren eingeführt wurde, war ein zentraler Schritt dahin.

Weniger Behandlung lohnt sich
Die Fallpauschale (wird nach dem DRG-System berechnet), welche 2012 die bis dahin geltende Tagespauschale ablöste, ebnete den Weg, um aus Spitälern profitorientierte Unternehmen zu machen. Eingeführt wurde sie auf Druck der Krankenkassen und deren politischer Lobby. Während zuvor die effektive Leistung des Spitals bezahlt wurde, wird heute eine durchschnittliche Pauschale pro Krankheitsfall verrechnet. Für jeden Krankheitsfall erhält das Spital nun eine bestimmte Summe, unabhängig davon, was der Patient oder die Patientin tatsächlich benötigt. Eine aufwändige Behandlung ist somit nicht mehr kostendeckend, da nicht mehr nach individuellen Leistungen, sondern nur noch pauschal bezahlt wird. Krankenhäuser können nun Profite erzielen, in dem sie „überflüssige“ Behandlungen weglassen. Mit „überflüssig“ sind hier alle Behandlungen gemeint, welche nicht unmittelbar zur Behebung eines bedrohlichen Zustands führen.

Krankheit als Markt
Die Privatisierungen werden damit gerechtfertigt, dass die Kliniken auf dem freien Markt konkurrenzfähig sein sollen. Dabei wird aussen vorgelassen, dass es in diesem Bereich weder einen wirklichen Wettbewerb, noch einen freien Markt gibt. Die Krankenkassen übernehmen seit Einführung der Fallpauschalen 45 Prozent der Kosten, die restlichen 55 Prozent werden mit Steuergeldern finanziert. Davon können private Unternehmen doppelt profitieren: einerseits wird ein Grossteil der Kosten vom Staat übernommen und andererseits sind sie im Falle roter Zahlen abgesichert. Da der Staat zumindest eine minimale Gesundheitsversorgung gewährleisten muss, kann er nicht einfach zusehen, wie Kliniken bankrottgehen. Er wird also, erneut mit Steuergeldern, eingreifen, wenn sich die KapitalistInnen verspekulieren. Ihre Renditen sind somit staatlich abgesichert. Die perfekte Investition in Zeiten der Krise, in der immer weniger vielversprechende Investitionsmöglichkeiten existieren bzw. ein Überschuss an Kapital besteht. Staatliche Bereiche sollen für das Kapital zugänglich gemacht werden. Insbesondere der Gesundheitsbereich bietet die besten Voraussetzungen für lohnenswerte Investitionen: Einerseits ist er krisensicher, da die Nachfrage nicht von der weltwirtschaftlichen Lage beeinflusst wird, ja die Nachfrage wächst sogar. Heute machen die Gesundheitskosten bereits 11.1% des Schweizer Bruttoinlandprodukts aus. Durch die demographische Entwicklung wird es in Zukunft sogar noch mehr pflegebedürftige Menschen geben wie bisher. Andererseits steigt die Zahl der psychisch Kranken stetig an, was auf die Entfremdung im Alltag wie auch zunehmende Belastung und Überarbeitung zurückzuführen ist.

Was für uns in erster Linie eine tragische Auswirkung unseres Wirtschaftssystems ist, bietet den Kapitalistinnen und Kapitalisten eine tolle Zukunftsperspektive für die Vermehrung ihres Kapitals. Diese Entwicklung ist jedoch nicht neu. Die ganze Medizin-Branche ist schon lange ein riesen Geschäft, wie dies auch an der Bedeutung der Pharmaindustrie sichtbar wird. Die zwei Schweizer Pharmaunternehmen Roche und Novartis gehören zu den 30 Unternehmen mit dem grössten Börsenwert der Welt, nur knapp hinter Firmen wie Google oder Coca-Cola. Heute machen die Medikamente jedoch lediglich etwa 10% aller Gesundheitskosten in der Schweiz aus. Nun soll auch der Rest immer mehr für private Profitzwecke genutzt werden.

Privatklinikgruppen wie Swiss Medical Network (früherer Name: Genoiler) kaufen Spital um Spital, um Profit zu erwirtschaften. Swiss Medical Network (SMN) besitzt insgesamt 16 Schweizer Kliniken und ist eine Tochterfirma von Aevis Victoria, welche ebenfalls in alle rentablen Gesundheitsbereiche investiert. Aevis Victoria machte im Jahr 2015 insgesamt einen Umsatz von 578 Millionen Franken, der mit Abstand grösste Teil davon (416.9 Millionen) erzielte SMN. Was das für die Angestellten heisst, hat man im Falle der Klinik La Providence in Neuenburg gesehen. SMN hat dieses übernommen und sofort den GAV durch miserable Arbeitsbedingungen ersetzt. Als die Arbeitenden in den Streik traten, um sich dagegen zu wehren, wurden sie entlassen.

Profite auf Kosten von Personal und PatientInnen
Wie dieses Beispiel zeigt, werden die Profite in erster Linie durch Reduktion der Kosten erreicht, was in diesem Bereich vor allem bedeutet, dass entweder die Personalkosten gesenkt werden oder die Qualität der Behandlung abnimmt. In diesem Kontext sind auch die aktuellen Debatten über „notwendige“ Behandlungen zu sehen. Für das Personal bedeutet das weniger Lohn, mehr Stress und das Gefühl, die PatientInnen nicht angemessen pflegen zu können. Die Folgen davon sind die Zunahme von Krankheitsausfällen des Personals, diese machen heute bereits 15% der Arbeitsstunden aus, und die „blutige“ Entlassung von PatientInnen. Letzten Endes bedeutet dies die Inkaufnahme unnötigen Leidens durch Fehler und unzureichende medizinische Behandlung. Wer privat versichert ist, wird bevorzugt behandelt und darf auch gerne länger im Spital bleiben, da die Privatversicherten mehr Geld einbringen. Durch die Unterscheidung der obligatorischen Grundversicherung und der Zusatzsatzversicherung besteht seit je her in der Schweiz eine Zweiklassenmedizin. Der Zugang zu moderner medizinischer Behandlung ist zwar weitgehend für alle möglich, jedoch existieren bei der Pflege und der Therapie massive Unterschiede. Durch die Privatisierungen wird das Interesse grösser, für reiche und lukrative PatientInnen das Angebot auszubauen. Hier besteht tatsächlich ein Konkurrenzkampf um die privatversicherten PatientInnen. Während sich die Gesundheitsversorgung für die Reicheren verbessert, wird bei den Leistungen für die Mehrheit gespart. Gleichzeitig nehmen die Gesundheitskosten für das ärmere Drittel der Gesellschaft massiv zu: Während die Reallöhne seit 1997 lediglich um ca. 11% zunahmen, stiegen die Krankenkassenprämien um durchschnittlich 99%. Die Prämienverbilligungen stiegen in diesem Zeitraum nur um 35%, wobei die letzten Jahre durch Abbau geprägt waren. Durch Privatisierungen wird die Zweiklassenmedizin weiter verschärft. Das Beispiel des amerikanischen Gesundheitssystems demonstriert eindrücklich die Ineffizienz und Menschenfeindlichkeit einer privaten Gesundheitsversorgung. Es ist das teuerste weltweit und eines der schlechtesten in der westlichen Welt, zumindest für die grosse Mehrheit.

Es braucht Widerstand
Auch wenn von bürgerlicher Seite immer wieder beteuert wird, dass nach den Privatisierungen die Arbeitsbedingungen und die Leistungen nicht verschlechtert werden, ist dies also völlig falsch. Es müssen schliesslich 5-15% Rendite „erwirtschaftet“ bzw. eingespart werden. Um dies zu verhindern, wollen die SP und der VPOD das Referendum gegen die Privatisierung des Kantonsspitals Winterthur ergreifen. Dies ist ein wichtiger Schritt. Es gilt jedoch ebenso zu verhindern, dass die kantonalen Psychiatrien in selbständige öffentlich-rechtliche Institutionen umgewandelt werden, ist dies doch die Vorbereitung einer Privatisierung. Genauso wichtig ist es, dass auch Widerstand aus den betroffenen Institutionen selber kommt. Es gilt, den schönen Worten der Verantwortlichen keinen Glauben zu schenken und sich zu organisieren. Insbesondere der VPOD sollte mit allen Mitteln versuchen, einen solchen Widerstand mitaufzubauen. Schliesslich ist es aber nicht nur ein Kampf um einzelne Institutionen, sondern Teil des Widerstands gegen die bürgerliche Abbaupolitik, welche die sozialstaatlichen Errungenschaften zerstört.

Gesundheit soll ein öffentliches Gut und kein Konsumprodukt auf dem freien Markt sein. Sie soll allen gleichmässig zustehen, unabhängig von Einkommen und Status in der Gesellschaft. Wir stehen deshalb für eine gratis Gesundheitsversorgung ein, welche direkt über Steuergelder finanziert ist, und für die Verstaatlichung des gesamten Gesundheitsbereichs. Keine Profite auf Kosten unserer Gesundheit!

Noa und Matthias

(Erstveröffentlichung: 23.01.2017)