Die Folgen der Unternehmenssteuerreform II treffen auch in Basel-Stadt spürbar ein. Mit dem Begriff „Opfersymmetrie“ wird versucht den asozialen Sozialabbau schön zu reden. Es scheint als müssten wir uns daran gewöhnen, oder uns von Beginn weg wehren.


Nach einem verhältnismässig langen Hin und Her wurde in Basel-Stadt am vierten Februar das endgültige Jahresbudget vom Grossrat verabschiedet. Das Defizit des vorangehenden Budgetvorschlags von 30,9 Millionen wurde durch 37,4 Überschuss ersetzt. Damit hat die Finanzdirektorin Eva Herzog (SP) auf ganzer Linie die Vorstellungen der bürgerlichen Ratsmehrheit erfüllt. Diskussion gab bloss die Jugendkulturpauschale, die schlussendlich mit dem Stichentscheid der Präsidentin ohne Einsparung beibehalten wurde. Die einzige Stimme gegen das Budget entfiel auf den Rechtsaussen-Clown Eric Weber, aus der SP-Fraktion enthielt sich lediglich Toya Krummenacher, Präsidentin des Basler Gewerkschaftsbundes.

Weit interessanter ist aber, wie die 68 Millionen herbeigezaubert wurden, welche nun den Unterschied ausmachten. Bereits im November beschloss der Regierungsrat ein Paket von „Entlastungsmassnahmen“, welche im Budget 2016/ 17 Einsparungen von jährlich 65 Millionen bringen sollten. Denn aufgrund der Unternehmenssteuerreform (USR) II fehlen dem Kanton ab 2016 cirka 70 Millionen. Die Sparmassnahmen werden in der Folge als unabwendbar dargestellt.

Im Zuge dieser Sparpakete – was sie offensichtlich sind – werden unter anderem 49 Vollzeitstellen im ohnehin knapp besetzten öffentlichen Dienst abgebaut sowie bei den Beihilfen zu den Ergänzungsleistungen gekürzt. Weitere Einsparungen sollen durch die Umverteilung der Prämie der Nichtberufsunfallversicherung, die Reduktion des Dienstaltersgeschenks (Urlaub) u.v.m. vorgenommen werden. Zusätzlich werden nach bewährtem Muster Dienste in öffentlich-rechtliche Anstalten ausgelagert wo sie folglich ohne Konsultation des Parlaments abgebaut werden können.

Die SP-Fraktion und die Regierungsräte scheinen sich ernsthaft Illusionen zu machen, dass die Konzessionen welche mit dem überarbeiteten Budget an die bürgerliche Mehrheit gemacht wurden, in Zukunft Wohlwollen für eigene Anliegen erzeugen werden. Doch weit gefehlt. Der Blick in andere Kantonen zeigt, dass die Schwäche, welche die SP zeigt natürlich ausgenutzt wird für weitere Angriffe auf soziale Errungenschaften. Nicht unwahrscheinlich ist auch das Abstrafen bei der nächsten Wahl (siehe BL), da die SP als Vertreterin der Sparpolitik gesehen wird.

Die Stellungnahmen, mit welchen der Sozialabbau begründet wird, können da auch nicht mehr helfen. Vor allem wenn sie in derselben Rhetorik verfasst sind wie die folgende Rechtfertigung der Basler Regierung:

„Der Regierungsrat hat sich zum Ziel gesetzt, dass möglichst alle einen Beitrag zur Entlastung leisten: Leistungsbezügerinnen und -bezüger, Arbeitnehmende und Steuerzahlende. Auf der Basis einer gewissen Opfersymmetrie soll der Finanzhaushalt deshalb langfristig auch durch Massnahmen bei den Steuereinnahmen und zulasten des Personals entlastet werden.“

Zeit zu handeln

Seit Jahren konnte sich die Linke in Basel in kämpferischer Sprache und Worten der Verurteilung von Sparpaketen üben, ohne konkrete Massnahmen dagegen ergreifen zu müssen. Durch die per Salamitaktik verabschiedeten Einsparungen im Budget 2015, kann sich die Linke im Allgemeinen und die Juso im Besonderen nicht mehr aus der Verantwortung ziehen, in die Tat umzusetzen was allgemeiner Parteikonsens ist und im national verabschiedeten Aktionsprogramm steht : „Wir kämpfen für den Stopp und die Aufhebung ALLER Sparpakete“.

Dass einige herausstehende Reformisten und Vertreter des rechten Flügels der Juso sofort in Lokalpatriotismus verfallen und fast sämtliche Einsparungen annehmen, solange ihre persönliche Klientel nicht direkt betroffen ist (Jugendpauschale) und ihre lokalen Privilegien bestehen bleiben (erhöhte Spitaltarife für Auswärtige), verwundert wenig. Für sie sind, noch bevor die Krise richtig in Basel einschlägt, schon die bürgerlichen Verbände und deren GrossrätInnen die bevorzugten Partner beim Stopfen der Budgetlöcher. Den Lohnabhängigen werden dann faule Ausreden aufgetischt wie, dass die Einsparungen sowieso kommen würden in den Folgejahren und unabwendbar seien, oder sie werden abgespeist mit dem scheinsolidarischen Begriff „Opfersymmetrie“.

Opfersymmetrie als neues Trendwort?

Nicht nur in Basel-Stadt wird der Sozialabbau, welchen die Steuergeschenke an die Unternehmen und die Bonzen beschleunigt haben, mit heuchlerischer Rhetorik verpackt. In anderen Kantonen war der Begriff des sozialen Sparens gebräuchlich oder das Sparen wurde als kleineres Übel bezeichnet (sonst müssten die Steuern erhöht werden). Momentan hoch im Trend für die Rechtfertigung der Sparmassnahmen steht die Opfersymmetrie. Nicht nur für Eva Herzog eignet sich der Begriff, auch Corrado Pardini (Unia) sagte kürzlich in Bezug auf den starken Franken:

„Es braucht eine Opfersymmetrie. Die kann etwa darin bestehen, dass Mitarbeiter vorübergehend mehr leisten, aber die Arbeitgeber zugleich garantieren, auf Kündigungen zu verzichten. Wer jetzt billig die Produktivität auf dem Buckel der Arbeitenden erhöht, bezahlt früher oder später einen hohen Preis dafür.“ [1]

Der Begriff eignet sich ausserordentlich gut um Interessensgegensätze der Lohnabhängigen und der Besitzenden zu überdecken und eine Einheit zu konstruieren wo diese nichts verloren hat. Oder wo war denn die grosse Einheit zur Zeit der Steuergeschenke? Wenn die angebliche Symmetrie vorgibt alle gleich zu treffen (Steuerzahler, Leistungsbezüger und Angestellte) wird damit aber bewusst verschwiegen, dass viele doppelt und dreifach „bespart“ werden. Keinesfalls wird es jene treffen, die zuvor die Lücken verursacht haben. Der einzige halbwegs zulässige Fall von Opfersymmetrie zu sprechen wäre wenn die Steuern auf hohe Einkommen sowie für Unternehmen drastisch erhöht würden. Da in diesem Fall die spürbaren Auswirkungen zumindest für alle in eine ähnliche Richtung gehen würden.

Das Verbünden mit den politischen und ökonomischen Gegenspielern in Zeiten der andauernden Krise ist nicht überraschend. Zu lange hat sich die Linke und vor allem die SP auf die integrierte Stellung im bürgerlichen Staat eingestellt und verteidigt diese mit allen Mitteln. Ein Verlust ihrer Mandate vor allem in der Exekutive würde die Partei in eine schwere Krise stürzen – politisch und auch materiell. So werden die SP-ExekutivpolitikerInnen zu den Chef-SparerInnen um auf keinen Fall ihre Posten zu gefährden. Die Unia hat sich mit ihrer Forderung nach einem Euro-Mindestkurs (2011 wie 2015) in der Krise ebenfalls ausschliesslich auf die Sozialpartnerschaft ausgerichtet– was schlussendlich nichts anderes als Einheit mit den Unternehmern bedeutet. Wenn sich die Unternehmen der Hinterzimmerdiplomatie verschliessen, kommt die Unia arg in Bedrängnis (vgl. LMV-Verhandlungen).

Doch es gibt durchaus Alternativen: In Griechenland kam Ende Januar mit der Syriza eine Partei an die Macht, welche das bürgerliche Deutungsmuster zu durchbrechen versucht. Sie stellen sich gegen das gängige Prinzip, dass die ArbeiterInnen für die Krise der Kapitalisten bezahlen müssen. Nur so kann dem Austeritätsdiktat Gegensteuer gegeben werden. Wenngleich hier keine Illusionen in Tsipras geschürt werden sollen und in Basel natürlich auch keine vergleichbare Partei ist, sollte die Flinte nicht ins Korn geworfen werden. Obschon oder gerade weil extreme soziale Ungleichheit in Basel herrscht – bei Vermögen wie beim Einkommen – war es für die Linke auch immer wieder möglich grosse soziale Errungenschaften, wie verschiedene Zulagen für niedrige Einkommensklassen oder auch die Volkszahnkliniken zu erkämpfen.

Was tun?

Die erste offene Kritik am Budget kam von den PolizistInnen gegen die weitere Verschlechterung ihrer mangelnden Arbeitsbedingungen (hohe Überstundenzahlen und niedrige Einstiegslöhne). Sie stellten ein Ultimatum an den Sicherheitsdirektor Baschi Dürr, die Sparmassnahmen zurückzunehmen. [2] Weitere offene Ausbrüche der Wut dürften in Folge der Sparmassnahmen unausweichlich sein. Die Massnahmen werden zwar langfristig angewandt und sollen so geschickt einen Protest aller Betroffenen zusammen zu verhindern, doch wird der fortdauernde Sozialabbau seine Wirkung kaum verfehlen.

Die Juso und SP müssen darauf achten, dass die berechtigte Wut aller Betroffenen nicht in isolierten Kämpfen verpufft, sondern in der Abwendung der Sparpakete und Stärkung der Partei kanalisiert wird. Sie dürfen nicht auf derselben Schiene fahren wie die SP bisher und die Lohnabhängigen mit Worten abspeisen, die Solidarität vorgaukeln wo keine ist. Die Juso und SP müssen sich von Beginn weg ihrer grossen Verantwortung in der Phase des Sozialabbaus bewusst sein und in die Fussstapfen treten welche die kämpferische Basler Linke hinterlassen hat.

Noch 2012 wurde gegen den Plan von Eva Herzog, die Unternehmenssteuer zu senken, das Referendum ergriffen. Juso, BastA und SP haben damals gezeigt, dass einerseits die Einigkeit zwischen Basis und Exekutivpolitikerin keineswegs gegeben ist und andererseits die Abstimmenden durchaus nicht hinter Sparübungen zu Gunsten der Unternehmen stehen (die Steuersenkungen wurden abgelehnt). Im Gegensatz zu heute hat sich damals die Linke im Grossrat gegen Herzog gestellt.

Die Partei erfährt auch heute noch grosse Zustimmung in der Stadt, was grosses Potenzial birgt, welches aber in den letzten Jahren oder Jahrzehnten wenig bis gar nicht genutzt wurde. Das Ziel muss aber klar sein, sich als einzige konsequente Gegnerin der bürgerlichen Sparpolitik zu positionieren und damit die Mehrheit im Grossen Rat zu erobern mit einem sozialistischen Programm. Als Vertreterin der Lohnabhängigen ist es die Pflicht der SP und Juso alle Betroffenen gegen die Angriffe auf ihre Lebensbedingungen zu mobilisieren und diese abzuwenden. Nur so kann man jenen, die mit Opfersymmetrie argumentieren den Wind aus den Segeln nehmen.

Die Partei muss wieder Anziehungspunkt werden für die BüezerInnen, welche von der Pharmaindustrie auf die Strasse gesetzt werden und für alle die mit den Sparpaketen für das Parasitentum der Unternehmen und des Daigs und Konsorten bezahlen. Dafür bedarf es aber einer klaren Sprache welche die Lohnabhängigen verstehen und eine bedingungslose Verurteilung jedes Abwälzens der Systemkrise des Kapitalismus auf alle die darin schon zuvor ausgebeutet wurden und nun noch dafür zahlen sollen. Unsere Antwort auf die Sparmassnahmen muss lauten: „Eure Krise zahlen wir nicht!“

Gegen jeglichen Sozialabbau, unter welchem Namen auch immer!

Gegen die lokale und nationale Einheit, für die Einheit der Lohnabhängigen!

Für eine sozialistische Partei der Lohnabhängigen! 


1 www.blick.ch/news/politik/44-stundenwoche-in-der-industrie-haben-gewerkschaften-gar-nichts-mehr-zu-melden-herr-pardini-id3478325.html 12.02.2015

2 www.tageswoche.ch/de/2015_06/basel/679910/polizisten-stellen-baschi-duerr-ein-ultimatum.htm