Aufruf der marxistischen Strömung «der Funke» an alle, die ernsthaft gegen den Klimawandel kämpfen wollen: Warum das CO2-Gesetz gescheitert ist und was wir jetzt tun müssen.

Der Klimawandel stellt eine kolossale Bedrohung für die Menschheit dar. Mit der Klimastreikbewegung der letzten Jahre ist in breiten Schichten der Schweizer Bevölkerung ein Verständnis für die Dringlichkeit der Situation entstanden.

Wir verstehen, dass das Nein der Stimmbevölkerung letzten Sonntag für alle ein harter Schlag ist, die mit besten Absichten für ein Ja zum neuen CO2-Gesetz gekämpft hatten. Für viele, gerade auch in der Klimabewegung, war das CO2-Gesetz zwar ein kleiner und unzureichender, aber doch ein Schritt in Richtung Klimaneutralität. Wir sagen euch: Trauert nicht, lasst euch nicht erzürnen, wir müssen verstehen, warum das passiert ist und die Lehren und politischen Konsequenzen daraus ziehen.

Wie erklären wir das Nein zum CO2-Gesetz?

Das Nein zum CO2-Gesetz war kein Nein zum Klimaschutz. Es war ein Nein zu einer Klimapolitik, welche die Verantwortung auf die normalsterbliche arbeitende Bevölkerung abwälzt und die wirklichen Verantwortlichen – die Grosskonzerne und Banken – nicht zur Rechenschaft zieht. Es war damit ein Nein zu bürgerlicher Politik, die sich ein grünes Mäntelchen umhängen wollte, ohne wirklich etwas zu verändern.

Es war nicht die verlogene Kampagne der SVP und der Erdöllobby, die ausschlaggebend war für die Ablehnung des Gesetzes. Die lohnabhängige Bevölkerung ist nicht dumm. Sie geht nicht blindlings einer solchen Kampagne auf den Leim. Die Unpopularität des CO2-Gesetzes hat eindeutig materielle Grundlagen: Das Gesetz widerspiegelte die jahrzehntelangen Erfahrungen der Arbeiterklasse. Auch in der Schweiz stagnieren seit Jahrzehnten die Löhne, während Mieten, Gesundheit und sonstige Ausgaben immer teurer werden. Die jüngeren Generationen haben heute erstmals schlechtere Zukunftsaussichten als ihre Elterngeneration. Gleichzeitig öffnet sich die Vermögensschere weiter und weiter. Die Superreichen werden auch während der historischen Corona-Krise nur noch reicher.

Mit dem CO2-Gesetz wurde den Lohnabhängigen dann ein Gesetz vorgelegt, das nochmals einige regelmässige Ausgaben verteuert hätte. Die Ja-Kampagne versuchte zu argumentieren, die zusätzlichen Abgaben für ärmere Teile der Arbeiterklasse würden durch Rückverteilung mehr als kompensiert. Aber der Moment, wo die Rechnungen Ende Monat höher sind als zuvor, wäre mit diesem Gesetz durchaus real gewesen. Ob und wie es dann zu einer Rückverteilung gekommen wäre, ist für viele Lohnabhängige in Anbetracht dieses schmerzhaften Moments zweitrangig: Wenn die Tankfüllung für den Arbeitsweg oder die Heizkosten teurer werden oder wenn das Flugticket für die wohlverdienten Ferien einen saftigen Aufschlag erhält. 

Die zusätzlichen unmittelbaren Kosten durch das Gesetz stachen voll in das Wespennest von einem Vierteljahrhundert stagnierender Lebensbedingungen. Diese Kosten waren der Hauptgrund bei der Ablehnung. Es hatte sich bereits in den letzten Umfragen vor der Abstimmung gezeigt, dass die Verteuerung von Heizen und Autofahren die stärksten Gründe gegen das Gesetz sind. Die ärmere Schicht der Arbeiterklasse mit einem Monatseinkommen zwischen 3000 und 5000 Franken hat dann auch überproportional gegen das neue CO2-Gesetz gestimmt (61%).

Der Arbeiterklasse wurde mit diesem Gesetz erklärt, dass sie mit der linken Hand Geld geben müsse und sie dieses Geld dann schon irgendwie in die rechte Hand wieder zurückbekommen würde. Sie wurde mit diesem mehr als unsicheren «Deal» konfrontiert, während diejenigen fein raus waren, welche die Klimazerstörung tatsächlich verursachen: Die Kapitalisten, die in ihrem blinden Profitstreben rücksichtslos die Umwelt zerstören und nicht bereit sind, in umweltfreundlichere Technologie zu investieren, solange das nicht ihren Profit erhöht.

Aus diesen Gründen haben wir von der marxistischen Strömung dieses Gesetz von Anfang an bekämpft und alles dafür getan, eine sozialistische Position zu verankern, um der simplen Ablehnung auch eine positive Alternative entgegenzustellen. Das CO2-Gesetz wäre weder «ein Schritt vorwärts» noch das «kleinere Übel» gewesen, weil es Teile der Klasse der Lohnabhängigen von einer Lösung der Klimafrage wegtrieb. Wenn die SVP jetzt als Siegerin dasteht, dann einzig und allein deshalb, weil die Fehler der grossen linken Organisationen und Parteien es den rechten Demagogen erlaubt haben, sich als Verteidiger der kleinen Leute aufzuspielen.

Aus Fehlern lernen: sozialistische Klimapolitik statt Bündnis mit Bürgerlichen!

Für die Befürworter des CO2-Gesetzes, die ehrlich gegen den Klimawandel kämpfen wollen, gibt es verschiedene Möglichkeiten, auf ihre Niederlage zu reagieren. 

Die falsche Reaktion ist der Zynismus und das überhebliche Moralisieren, das einer vermeintlich «dummen» und «konservativen» Bevölkerung die Schuld gibt, statt die Fehler in der eigenen Herangehensweise zu suchen. Die Ja-Position war aus den oben erwähnten Gründen nicht richtig, aber sie war nachvollziehbar und es war auch nicht einfach «dumm», mit ehrlichen Absichten fürs Klima ein Ja in die Urne gelegt zu haben. Das einzig dumme ist, wenn Linke die gewichtigen Teile der lohnabhängigen Bevölkerung, die aus legitimen Kostengründen Nein gestimmt haben, nun noch einmal auf höherer Ebene von linker Politik und der Klimabewegung abstossen, indem sie sie als «Idioten» und naive Opfer der Erdöllobby und SVP-Propaganda beschimpfen.

Die richtige Reaktion ist es, nüchtern die Lehre zu ziehen: Die Arbeiterklasse darf nicht für die Klimapolitik zur Kasse gebeten werden. Das heisst auch: Es müssen direkt die wirklichen Verursacher, die Kapitalisten, zahlen. Die Arbeiterklasse war in Bezug auf dieses Gesetz gespalten, weil sie in den inneren Konflikt gedrängt wurde, einen (erst noch völlig unzureichenden) Klimaschutz gegen den Schutz der eigenen unmittelbaren Lebensbedingungen abwägen zu müssen. Es ist kein Zufall, dass gerade die überproportional klimabewusste Jugend dieses Gesetz auch überproportional abgelehnt hat. Sie ist es, welche die Systemkrise des Kapitalismus hart am am eigenen Leibe spürt. 

Die Arbeiterklasse ist heute die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung. Diese Klasse wählt heute verschiedene Parteien und stimmt unterschiedlich ab. Aber sie hat ein gemeinsames objektives Interesse an guten Lebensbedingungen und an der Lösung der Klimakrise. Und sie hat umgekehrt nicht das geringste Interesse an einer umweltverschmutzenden Industrie. Auf der Grundlage einer Politik im Interesse der gesamten Arbeiterklasse kann sie für den Kampf gegen den Klimawandel gewonnen werden.

Es sind einzig und allein die Kapitalisten, die ihrem Streben nach Profit alles andere – die Menschen und ihre Umwelt – unterordnen müssen. Die Kapitalisten stehen nicht auf unserer Seite – auf der Seite derjenigen, die wirklich gegen die Klimakatastrophe angehen wollen. Die Trennlinie verläuft nicht zwischen vermeintlich guten «klimafreundlichen» Bürgerlichen und den bösen Anhängern der Ölindustrie. In der Klimapolitik wie in allen sozialen Fragen verläuft die Trennlinie zwischen den Klassen: zwischen der Arbeiterklasse und der Bourgeoisie, der herrschen Klasse der Kapitalisten. Beide haben direkt entgegengesetzte Interessen. 

Die Wissenschaft und Technologie für die Errichtung einer nachhaltigen Wirtschaftsweise wären heute schon vorhanden. Aber dahin kommen wir unmöglich mit marktwirtschaftlichen Lösungen wie Lenkungsabgaben oder CO2-Emissionshandel. Das setzt riesige Investitionen in den ökologischen Umbau der gesamten Produktion, des Transportsystems, der Behausung etc. voraus. Jemand muss für diese Investitionen bezahlen. Die Kapitalisten werden niemals freiwillig zu Investitionen im auch nur annähernd notwendigen Umfang bereit sein. Wir müssen direkt das Kapital zur Kasse zwingen. Die Bürgerlichen werden dazu nicht bereit sein. Sie sind Verteidiger des kapitalistischen Wirtschaftssystems und stehen auf der Seite des Kapitals. Die Lösung der Klimakrise geht nicht mit Kompromissen und Bündnissen mit vermeintlich guten «klimafreundlichen» Bürgerlichen der FDP, CVP, Grünliberalen und vielen Grünen gegen die böse SVP und Erdöllobby. Der Kampf fürs Klima geht nur über den Kampf der lohnabhängigen Mehrheit der Bevölkerung gegen die kleine Minderheit an Kapitalisten und all ihren bürgerlichen Interessensvertretern, die bereit sind, für ihre Profitinteressen die gesamte Menschheit in die Wand zu fahren.

Haben wir Zeit verloren?

Einige Befürworter des CO2-Gesetzes argumentier(t)en, bei einer Ablehnung würden wir wichtige Zeit verlieren und das Ziel der Klimaneutralität rücke in die weite Ferne. Dies geht die Frage jedoch völlig verkehrt an. Es geht davon aus, der Klimawandel könne innerhalb des Kapitalismus und über Gesetze des bürgerlichen Staates abgewendet werden. Diese Annahme entbehrt jeder rationalen Grundlage. Der Kapitalismus ist die Ursache der ökologischen Krise und das grösste Hindernis zu deren Überwindung. Innerhalb des kapitalistischen Systems kann der Klimawandel nicht gelöst werden. Solange a) die Profite bestimmen, in was investiert wird und in was nicht und b) jedes Unternehmen und jeder Nationalstaat ohne gesellschaftliche Koordination gegeneinander arbeiten – solange steuern wir direkt auf die ökologische (und soziale) Katastrophe zu. Klimakrise lösen heisst, den Kapitalismus stürzen.

Wir brauchen jeden noch so kleinen Schritt vorwärts. Aber ein Schritt vorwärts ist nur das, was die Einheit der Arbeiterklasse gegen die Kapitalisten stärkt. Aus diesem Blickwinkel haben wir tatsächlich wichtige Zeit verloren. Aber nicht durch die Ablehnung des Gesetzes, sondern weil die traditionellen Organisationen der Arbeiterklasse (die SP und die Gewerkschaften) ebenso wie eine Mehrheit des Klimastreiks mit ihrer Kampagne fürs Ja die Möglichkeit verpasst haben, die Arbeiterklasse auf der Grundlage einer linken Ablehnung des Gesetzes zu mobilisieren für eine konsequente und soziale Klimapolitik. Das war ein Schritt zurück. Aber das heisst nicht, dass alles verloren ist.

Im Klimastreik gab es bereits vor der Abstimmung den Slogan der «Klimagerechtigkeit». Nach der Ablehnung des CO2-Gesetzes kommunizierte der Klimastreik, bei weiteren Massnahmen sei darauf zu achten, dass Klimaschutzmassnahmen sozialverträglich ausgestaltet werden. Solche Lösungen dürften nicht in Verdacht geraten, dass sozial schwächer gestellte Menschen davon negativ betroffen seien. Jetzt müsse man den Finanzplatz Schweiz, die Multis und die Reichen ins Visier nehmen. Und die SP-Parteileitung reagierte auf ihre Niederlage sofort mit dem Motto «jetzt erst recht!» und dem Aufruf, jetzt beim Finanzplatz statt bei der lohnabhängigen Bevölkerung anzusetzen. Wenn die Niederlage der Weckruf war, um im linken Teil des Ja-Lagers die Einsicht zu fördern, dass man nun in die Offensive gegen den wirklichen Gegner – gegen die Banken und Konzerne – gehen muss, dann ist das Nein an der Urne das Beste, was uns allen passieren konnte, die gegen den Klimawandel kämpfen.

Hebel Finanzplatz? Für die Verstaatlichung der Banken und Konzerne!

Die SP schreibt, sie bereite eine Volksinitiative vor, die den Hebel beim Schweizer Finanzplatz ansetze. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Banken sind die Nervenknoten des modernen Kapitalismus. Durch die Kreditvergabe entscheiden die Banken, wohin Geld fliesst. Es fliesst dahin, wo es profitabel ist. Sie kennen damit die Profitabilität und den Zustand der verschiedenen Sektoren und Unternehmen: In den grossen Banken laufen alle Fäden einer modernen kapitalistischen Wirtschaft zusammen. Eine nachhaltige Wirtschaft setzt unbezweifelbar voraus, dass wir die Banken von der Profitlogik befreien und unter die Kontrolle der Lohnabhängigen bringen.

Aber dieser richtige Ansatz kann nur dann erfolgreich sein, wenn die traditionellen Organisationen der Arbeiterklasse und die Klimabewegung mit dem bisherigen reformistischen Kurs brechen. Wie also muss dieser Schlag gegen die Banken und Konzerne aussehen?

  1. Enteignung, nicht Regulierung: Es wird nicht reichen, die Banken staatlich zu «regulieren» und von ihnen zu verlangen, sie sollten nicht mehr in fossile Energie investieren: Solange die Profitlogik herrscht, fliesst das Kapital dorthin, wo es am profitabelsten ist. Die Banken müssen der Profitlogik entzogen werden. Das geht nur, wenn sie den gierigen Händen der Kapitalisten entrissen werden. Man kann nicht kontrollieren, was einem nicht gehört. In der heutigen Situation ist jede Forderung, die nicht bei der Enteignung und Verstaatlichung der Banken ansetzt unzureichend. Verstaatlicht und unter der demokratischen Kontrolle der lohnabhängigen Bevölkerung können die Banken zum Ausgangspunkt werden, die unglaublichen Ressourcen der Gesellschaft geplant und bewusst dort einzusetzen, wo es sie braucht: beim ökologischen Umbau, in der Gesundheit, in der Bildung etc.
  2. Mobilisierung der Arbeiterklasse, nicht Parlamentarismus: Es ist unmöglich, übers Parlament ernsthaft gegen die Banken und Konzerne vorzugehen. Die Initiative darf der SP-Führung und co. nicht dazu dienen, lediglich den Druck etwas zu erhöhen, um dann im Parlament zusammen mit den Bürgerlichen irgendwelche neuen gesetzlichen Reformen und neue schädliche Kompromisse auszuarbeiten. Die Zeit drängt, wir können uns auch nicht der Langsamkeit der Instrumente der Schweizer Demokratie wie der Volksinitiative fügen. Eine Initiative als solche kann das Problem auf keine Weise lösen. Wir können gegen die Banken und Konzerne nur ankämpfen, wenn wir uns auf die Kraft der mobilisierten Arbeiterklasse stützen. Das Hauptziel muss es sein, die Arbeiterklasse hinter der Forderung der Verstaatlichung der Banken und Konzerne zur Finanzierung des ökologischen Umbaus und eines sozialen Massnahmeplans zu vereinen und kampffähig zu machen: Die Banken und Konzerne sollen für die Krise des Klimas und des Kapitalismus bezahlen! Wenn die SP zusammen mit den Gewerkschaften jetzt beginnt, dafür Hunderttausende Menschen an eine nationale Massendemonstration im Herbst zu mobilisieren, dann sind auch die Unterschriften für die Volksinitiative in einem Tag gesammelt – und die Arbeiterklasse gewinnt an Kraft und Zusammenhalt für nächste Schritte.
  3. Klassenkampf, nicht Kompromisse mit den Bürgerlichen: Nur wenn unmissverständlich gefordert wird, dass direkt die Banken und umweltverschmutzenden Konzerne bezahlen müssen, kann eine solche Initiative Erfolg haben. Auf der Grundlage solcher Forderungen ist es aber für die bürgerlichen Kräfte – für FDP, GLP, Mitte und teils auch Grüne – absolut unmöglich, diesen Kampf mitzutragen. Dann steht nämlich die Klassenfrage im Mittelpunkt: der Gegensatz zwischen der lohnabhängigen Mehrheit der Bevölkerung und der kapitalistischen Elite. Eine Initiative, die den Klimakampf weiterbringt, darf deshalb nicht versuchen, eine möglichst breite Allianz mit Bürgerlichen zu bilden. Sonst wird notwendigerweise der Klassenkonflikt überspielt und die Schlagkraft der Arbeiterklasse wieder geschwächt. Sie kann nur in klarer Abgrenzung von den Bürgerlichen und den Kapitalisten geführt werden.

So können wir im Kampf gegen den Klimawandel einen bedeutenden Schritt vorwärts machen. Nicht durch die Spaltung der Arbeiterklasse, sondern auf der Grundlage eines sozialistischen Programms, das sich auf die objektiven Interessen der gesamten Arbeiterklasse stützt. Wir von der marxistischen Strömung der Funke standen bisher für diese Position ein und wir werden es weiterhin mit all unseren Kräften tun. Den grössten Beitrag, den du im Kampf gegen den Klimawandel leisten kannst, ist es, dich mit uns zu organisieren für den Sozialismus zu unseren Lebzeiten.

Die Redaktion