Geschichten aus einer Gesellschaft mit dem als rationalste aller möglichen Ökonomien beschriebenen Wirtschaftssystem.

Der freie Wettbewerb sorgt dafür, so erklären uns die Bürgerlichen, dass die Preise tief bleiben. Davon würden auch die Lohnabhängigen profitieren. In der Realität ist dieser freie Wettbewerb aber eine reine Farce. So zum Beispiel im Unterengadin, wo der Baumeisterverband über Jahrzehnte Treffen zwischen allen grösseren lokalen Baufirmen organisierte.
An diesen rotweingetränkten Sitzungen in der Arvenstube wurden zukünftige Bauaufträge vorverteilt. Die Firma, die den Auftrag vom Kartell erhielt, reichte dann eine um das 1.5-fache überteuerte Offerte ein und setzte sich im “Wettbewerb”  trotzdem durch – die anderen reichten nämlich noch viel höhere Offerten ein. BDP-Regierungsrat Parolini betont jetzt, dass er, als er als Gemeindepräsident im Unterengadin auf das Kartell hingewiesen wurde, die wichtigsten Steuerzahler der Region mehrmals ermahnt habe, dass Preisabsprachen nicht in Ordnung seien; zur Überraschung aller vergebens.
Insgesamt betrug das Volumen der Aufträge circa 100 Millionen Franken. Man kann davon ausgehen, dass die Bauherren dank ihres Kartells über die Jahre mindestens 30 Millionen zusätzlich kassiert haben. Dabei handelt es sich nicht um einen Einzelfall: Im Tessin, St. Gallen und Zürich kam es in den letzten Jahren zu ähnlichen Fällen. Dem Unterengadiner Kartell will die WeKo jetzt ein Ende setzen und hat die Baufirmen mit 7.5 Millionen Franken, einem Viertel ihres Extraprofites, gebüsst! Gegen diese Busse zieht Roland Conrad, der grösste Bauunternehmer der Region, nun vor Bundesgericht. Man sei sich bei den Treffen nicht immer einig geworden, deshalb seien nicht alle Preise abgesprochen gewesen.
Wenn man die ganze Geschichte hört, könnte man meinen, es handle sich um ein überspitztes, absurdes Theater: Von den dreisten Bauunternehmern, über die korrupten Lokalpolitiker bis hin zur lächerlichen Wettbewerbskomission. Es ist aber kein Schauspiel, sondern die Realität im Kapitalismus: Während sich die Lohnabhängigen kaputtarbeiten müssen, finden die Besitzenden immer neue Wege um sich noch mehr zu bereichern.

Flurin A.
Juso Graubünden