Die islamistischen Terrorangriffe in Frankreich lösten eine enorme Reaktion der Weltöffentlichkeit aus. Das Thema dominierte die westlichen Medien wie sonst gar Nichts in der Woche nach den Anschlägen. Zu einem inszenierten Trauerzug gaben sich die Mächtigen dieser Welt in Folge des Angriffs die Klinke in die Hand und die erste Ausgabe der Satirezeitschrift Charlie Hebdo, die Hauptziel der Bluttat gewesen war, war innert kürzester Zeit ausverkauft. Mit 17 Ermordeten handelte es sich um den opferreichsten terroristischen Akt in Frankreich seit die rechtsradikale OAS 1961 einen Schnellzug von Strasbourg nach Paris durch eine Explosion zur Entgleisung brachte, wobei 28 Menschen starben.

der Funke Ausgabe 39Eineinhalb Wochen nach dem Überfall in der französischen Hauptstadt kamen in Belgien zwei mutmassliche Terroristen bei einem Anti-Terror-Einsatz ums Leben. Der Einsatz der Belgischen Polizei hatte gemäss der Brüsseler Staatsanwaltschaft zum Ziel gehabt jihadistische Terrorzellen zu zerschlagen.

Die Ereignisse sorgten für eine Welle der Angst in Europa, auf der die RechtspopulistInnen Europas nur allzu gerne ritten, um aus den Ermordeten von Paris politisches Kapital zu schlagen. Auf einmal war der Satz „Je suis Charlie!“ praktisch überall zu lesen und Lippenbekenntnisse zur Meinungsfreiheit machten die Runde. Gleichzeitig propagierten die Rattenfänger von Rechts ihre menschenfeindlichen Parolen: die Chefin der rechtsextremen Front National, Marine Le Pen, forderte zum Schutz vor Selbstmordattentaten die Wiedereinführung der Todesstrafe und in der Schweiz verlangte SVP-Nationalrat Walter Wobmann einen völligen Asylstopp für alle Muslime und Muslimas. Dass sich plötzlich diejenigen zur Demokratie bekannten, die das restliche Jahr damit verbringen, gegen Meinungs- und Pressefreiheit zu hetzen, sorgte für Reaktionen aus den Reihen der Satirezeitung. Der Hebdo-Karikaturist Bernard Willem Holtrop, der nicht dem Terrorangriff zum Opfer fiel, weil er nicht an der Redaktionssitzung teilgenommen hatte, wurde in seiner Aussage besonders deutlich: „Wir kotzen auf all die Leute, die sich plötzlich unsere Freunde nennen!“ Einen Sinn für Konsequenz zeigen die Rechten aber nicht. Während sie Reden darüber halten, wie wichtig es sei, die Meinungs- und Pressefreiheit zu verteidigen, diffamieren sie jede Publikation, die nicht ihrem beschränkten Weltbild entspricht als „Lügenpresse“.

Dass das verspiesserte Kleinbürgertum gerade in einer Phase von Prekarisierungen und sozialen Erhebungen versucht, sich selber in ihrem Gebrüll über die Gefahren der Islamisierung zu übertreffen, ist kein Zufall. Der Rassismus derer, die der PEGIDA hinterher hecheln und auf den sozialen Netzwerk den Tod eines Asylbewerbers bejubeln, der in der Nacht zum 12. Januar in Dresden erstochen wurde, ist ganz im Sinne des Kapitals. Er wird von den bourgeoisen SteigbügelhalterInnen der Besitzenden in den Parlamenten bei jeder Gelegenheit mit ihrer migrationsfeindlichen Rhetorik beackert. Und er hat ein Ziel: Die Spaltung der Menschen an willkürlichen und herbeikonstruierten kulturellen oder ethnischen Bruchlinien. Erkennen die Werktätigen nämlich, dass es nicht die geographische Herkunft ist, die trennt oder eint, sondern die Zugehörigkeit zu einer sozialen Klassen, wird es für diejenigen ungemütlich, die vom Status Quo profitieren. Für uns MarxistInnen ist klar, dass wir uns aktiv jeder Politik in den Weg stellen, die eine Spaltung der ArbeiterInnenklasse zu Gunsten einiger mächtiger Ewiggestriger zum Ziel hat. Egal, ob diese Spaltung von den unmenschlichen MörderInnen des islamischen Staats oder von den hasserfüllten GeiferInnen der PEGIDA ausgeht, die ihr Bild eines idealen Europa mit Anders Behrig Breivik teilen.

Dass es angesichts dieser Spaltungsversuche so dringend ist, wie niemals zuvor, dass die Linke eine Politik des proletarischen Klassenstandpunktes aller ArbeiterInnen fährt, wird durch die neusten Erhebungen der Hilfsorganisation Oxfam zur Ungleichverteilung der globalen Vermögen sichtbar. Während nämlich die Welt unter der Last der globalen Wirtschaftskrise ächzt, die ArbeiterInnen unter brutalsten Prekarisierungen leiden und der Welthunger ein Rekordniveau erreicht, bereichern sich die VertreterInnen der KapitalistInnenklasse ungeniert weiter. So soll das reichste Prozent 2016 mehr als die restlichen 99% besitzen, womit sich die Occupy-Parole vom übermächtigen einen Prozent letztlich vollständig bewahrheiten würde. Diese Konzentration von Vermögen durch die AusbeuterInnenklasse wird diesen Winter in der Schweiz aber noch direkter spürbar sein. Wer dieser Tage an den Bahnhof Zürich kommt, wird dort vermutlich PolizistInnen mit Maschinenpistolen über den Weg laufen. Der Grund sind nicht etwa die Anschläge von Paris oder die Aushebung von Terrorzellen in Brüssel, sondern die schweizweiten Sicherheitsmassnahmen anlässlich des alljährlichen Treffens von Superreichen und selbsternannten „global leaders“ in den Bünder Bergen.

Auch dieses Jahr reisen die Mächtigen dieser Welt mit ihren Privatjets nach Davos ans WEF, um sich selbstgerecht bei Hors d’oeuvres und Champagner über die Erderwärmung, die Abholzung der Regenwälder oder den Welthunger zu ergehen und insbesondere um eines zu tun: zu netzwerken. An einer wirklichen Lösung der globalen sozialen Krise ist den Herrschenden aber nicht gelegen. Müsste dafür doch ihre privilegierte Stellung als AusbeuterInnen fallen. Doch nur ein klarer Bruch mit diesem System von Entfremdung und Ausbeutung, dass das Elend in sich trägt, wie die Wolke den Regen, ist in der Lage, der qualvollen Situation der Unterdrückten ein Ende zu setzen. Internationaler solidarischer Kampf gegen Kapital und Ausbeutung und nicht etwa „nationale Einheit“ wie Frankreichs Präsident Hollande sie forderte, muss also die Losung von uns SozialistInnen sein, die an den bestehenden Verhältnissen wirklich etwas ändern wollen. Den Wahlsieg der SYRIZA in Griechenland müssen wir in dieser Sache als ein Fanal verstehen: Die Werktätigen des von der Troika gebeutelten Landes haben am 25.1. ihre Stimmen gegen eine Politik der Ausbeutung und Austerität erhoben. Nun ist es aber an der Führung der Partei, ihre Wahlversprechen auch einzulösen. Dass die SYRIZA nun jedoch eine Regierungskoalition mit der rechtspopulistischen ANEL eingegangen ist, lässt nichts Gutes erahnen. Sollte die Partei es jedoch trotz dieses unverständlichen Entscheides schaffen, das umzusetzen, wofür sie gewählt wurde – die Vertretung der Interessen der Werktätigen Griechenlands- dann bietet das die Chance, der Linken in ganz Europa neue Kraft zu verleihen.