Auch wenn es bei den Bürgerlichen manchmal etwas länger dauert, um sich etwas einzugestehen, scheint es dieses Mal auch für sie klar: Wir erleben eine historische Wende. 25 Jahre nach dem durch den Fall der Sowjetunion eingeläuteten vermeintlichen „Ende der Geschichte“ ist dieser schmerzliche Lernprozess doch auch noch bis zu ihnen durchgedrungen.

Der Funke Nummer 32Die Schweizer Bürgerlichen, ob dies nun die SVP in ihrem Siegestaumel oder Economiesuisse in der Panik sei, machen diese Wende an einem punktuellen Ereignis, also dem Abstimmungsergebnis zur SVP-Initiative dingfest. Wir wollen die Niederlage gegenüber dem rassistischen Angriff gegen die Arbeitenden der Schweiz und Europas, wie auch gegen die Jugend, sicher nicht kleinreden. Wir als MarxistInnen stellen jedoch zweierlei fest: erstens sind Abstimmungen immer nur eine Aufnahme momentan herrschender Kräfteverhältnisse in der Gesellschaft. Wie das Pendel jetzt nach rechts ausgeschlagen ist, so kann es, sofern konsequente politische Arbeit mit einem Klassenstandpunkt gemacht wird, wieder umso stärker nach links driften. Zweitens schreiben wir demnach auch den historischen Charakter unserer Epoche nicht einem punktuellen Ereignis zu, sondern zeigen das in der Krise umso stärkere Aufbrechen der unüberbrückbaren Klasseninteressen auf.

Dass nun die Geschäftsleitung der JUSO sich auch die Forderung des Austritts der Sozialdemokratie aus dem Bundesrat aufs Banner schreibt, begrüssen wir natürlich. Unsere Kritik an der Integration der ArbeiterInnenbewegung in den bürgerlichen Staat, an der Regierungsbeteiligung, muss sich jedoch nicht nur an punktuellen Ereignissen, sondern auf Grundlage einer Analyse der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse, der von uns verteidigten Klasseninteressen der Lohnabhängigen und der materiellen Entwicklung des Kapitalismus formulieren. Diese eine Niederlage gegen die SVP ist sicher gewichtig und wir müssen alle Angriffe auf die MigrantInnen konsequent mit Mobilisierung zurückschlagen, wie dies in durch die Jugend in verschiedenen Städten auch gemacht wurde. Sie hat jedoch keine historische Zeitenwende eingeläutet, denn bereits vor diesem Verfassungsartikel verschärfte Sommaruga das Ausländer- und Asylgesetz. Diese billige Hetze gegen MigrantInnen ist nichts Neues, genauso wenig, wie die Tatsache, dass SP-Bundesräte diese noch umsetzen müssen. Die MigrantInnen müssen seit Jahrzehnten als Sündenböcke herhalten um die materiellen Widersprüche zu verdecken, welches dieses System selbst hervorbringt.

Der Funke trat bereits 2011 in der JUSO für diese Forderung ein und wir stehen auch heute noch voll und ganz für einen sozialistischen Oppositionskurs. Nur für diesen braucht es eben auch ein sozialistisches Programm, welches als Richtschnur im Aufbau einer Oppositionspolitik dienen soll. Wenn nun die GL der JUSO ihren Richtungswechsel mit dem Abstimmungsresultat begründet, dann zeugt dies immerhin von der Fähigkeit, auf Veränderungen der politischen Konstellation zu reagieren. Wir wollen und werden Sommaruga keine Unterstützung in ihren Verhandlungen in Brüssel über das Installieren von Kontingenten zusichern. Wenn der Austritt aus dem Bundesrat jedoch politisch mit der Möglichkeit Richtung EU-Mitgliedschaft zu schreiten gerechtfertigt wird, dann löst das bei uns nur Kopfschütteln aus. Weder taktisch noch politische können wir dieser Forderung irgendetwas abgewinnen. Wie wir des Öfteren dargestellt haben, ist die Forderung einer „sozialen EU“ völlig illusorisch. Im Rahmen des Kapitalismus gibt es keine friedliche und fortschrittlich Europäische Einheit, dazu sind die Interessen der verschiedenen nationalen Bourgeoisien zu unterschiedlich.

Dass der Kapitalismus nur den Interessen der herrschenden Klasse der Besitzenden dient, wird in dieser Epoche der Krise des Kapitalismus wieder überdeutlich. Seit 2009 die Zahlungen an Aktionäre, also die Dividenden, um 44% erhöht und lagen 2013 auf über 1 Billion (1’000 Milliarden) Dollar. Welcher Arbeiter würde nicht von solch saftigen Lohnerhöhungen träumen? Doch über den gleichen Zeitraum stagnierten die Löhne bestenfalls. Der Profit der Besitzenden, der Kapitalisten, stellt das grösste aller Heiligtümer dieser Klassengesellschaft dar. Sie verfügen über diesen Profit, den sie aus der Arbeitskraft der Lohnabhängigen schröpfen, auf Grundlage des verfassungsmässig garantierten Rechts auf Privateigentum. Es gibt also noch weitaus schwerwiegendere Gründe für uns als SozialistInnen, die bürgerliche Verfassung der Schweiz, welche die Regierungsgrundlage bildet, abzulehnen.

Wie korrumpiert die Politik auch in diesem ach so demokratischen Schweizerland ist, wird anhand einer Datenbank zu Lobbying im Parlament der NZZ deutlich: sie zeichnet ein verwobenes Geflecht aus bürgerlichen Parlamentariern und den Interessensvertretern aus der Wirtschaft. Wenig erstaunlich ist, dass Economiesuisse am meisten VetreterInnen durch die Gänge des Bundeshauses stolzieren lässt. Bemerkenswert ist jedoch, dass vor Allem die SVP Wirtschaftsverbänden Zugang in die Wandelhalle verschafft. Die Kapitalisten setzten nicht mehr nur auf ihren klassischen politischen Ausdruck – die FDP. Wie sie’s im Management Kurs erstes Jahr HSG gelernt haben, müssen sie ihre „Investitionen diversifizieren“, um sicher zu gewinnen. So haben die beiden Grossbanken auf die SVP umgesattelt, z.B. auf Luzi Stamm. Politik im bürgerlichen Staat ist klare Interessenpolitik – bei den einen offen, bei den anderen weniger. Wenn die JUSO ihrem Anspruch gerecht werden sollte und die SP-Parteibasis unserer Forderung eines Austritts aus dem Bundesrat gutheisst, so müssen auch Konsequenzen für die Arbeit der Fraktion gezogen werden. Wir vertreten die Interessen der Lohnabhängigen in diesem Land, egal welcher Herkunft. Die Forderung einer sozialistischen Opposition macht also für uns auch nur Sinn, wenn wir sie einbetten in eine ganzheitliche Strategie, in ein Programm, welches dem Adjektiv „sozialistisch“ tatsächlich gerecht wird.

Obwohl die Besitzenden reichlich Profite scheffeln, so ist die Krise keineswegs vorbei. Bisher wurde keines der grundlegenden Probleme, i.e. die Überproduktion oder die hohe Staatsverschuldung gelöst, geschweige denn materielle Abhilfe für die Millionen Arbeitsloser in Europa geschaffen. Es wird an den Börsen und auf den Rohstoffmärkten munter weiter spekuliert. Wie instabil dieses Kartenhaus aus Monopoly Geld jedoch ist, wurde Anhand der Ereignisse in der Ukraine deutlich. Nach Bekanntwerden der russischen Militärintervention stürzten international die Börsen kurzzeitig ab. Und auch der Druck auf den Franken nahm sofort wieder zu. Ein Finanzcrash kann also jederzeit an politischen Ereignissen wieder aufbrechen.

In der Schweiz sei alles bestens, munkeln die bürgerlichen Kommentatoren (und einige Gewerkschaftschefs). Die Wirtschaft wachse und die Arbeitslosigkeit nehme ab. Aber in der Schweiz wird die Konjunktur vor Allem durch billiges Nationalbank Geld am Leben gehalten. In einem Interview mit Daniel Jordan, dem Direktor der Nationalbank, stellt dieser fest, dass in den vergangenen Jahren „die [wirtschaftliche] Dynamik hauptsächlich aus der Binnenwirtschaft, insbesondere aus dem Immobiliensektor und dem privaten Konsum“ kam. Dass dies zu einem wichtigen Teil auf Spekulation und zu einem nicht minder wichtigen Teil auf Kredit beruht, scheint ihn nicht weiter zu stören. Neben dem üblichen Zweckoptimismus bemerkt er dann aber doch, dass es „immer noch grosse Abwärtsrisiken“ gibt, vor Allem auf internationaler Ebene, aber auch was die Immobilienblase in der Schweiz angehe.

Die Zeichen eines sowohl politisch wie auch wirtschaftlich stürmischen Frühlings mehren sich also. Es ist jedoch klar, dass nicht nach jedem Regen auch die Sonne folgt. Die Ereignisse in der Ukraine machen deutlich, wie wichtig die unabhängige Organisierung der Lohnabhängigen und der Jugend mit einem sozialistischen Programm ist. Fehlt eine solche, so kann eine Bewegung mit unmissverständlichen sozialen Forderungen rasch von der Rechten, der Rechtsextremen oder einer Fraktion der Bourgeoisie für ihre eigenen politischen und wirtschaftlichen Interessen instrumentalisiert werden. Auch in der Schweiz wurde wieder mal deutlich, dass die Stärke der Rechten nichts anderes ist, als die Schwäche der Linken. Mit einem bewussten intervenieren in den aktuellen gesellschaftlichen Kämpfen bauen wir eine starke Linke auf und machen SVP und Bonzen die Hölle heiss.