Unmittelbar vor dem Redaktionsschluss dieser Ausgabe kam es im Mittelmeer zu dem bisher folgenschwersten Flüchtlingsunglück. Vermutlich 700 Flüchtende sind beim Versuch die Grenzen der Festung Europa zu überqueren ums Leben gekommen. Die allgemeine Fassungslosigkeit angesichts dieser menschlichen Tragödie treffen auf die bornierten und zynischen Erklärungsmodelle bourgeoiser Meinungsmacher, die sich nicht zu schade sind, ihr fremdenfeindliches Gift über alle möglichen Kanäle zu verbreiten.

der Funke Nummer 41So gab das deutsche Fernsehen in der Talkshow von Günther Jauch dem Schweizer Rechtspopulisten und «Journalisten» Roger Köppel wieder einmal eine Plattform, auf der er die einfachen und nicht umsetzbaren Lösungen der Rechten für die Flüchtlingsmisere präsentieren konnte. So forderte er die Schliessung des «Todeskanals» Mittelmeer. Für Köppel stellte der Auftritt einen gelungenen Wahlkampfauftakt dar. Der Weltwoche-Chef will jetzt nämlich endgültig in die Politik – er kandidiert an den kommenden Nationalratswahlen auf der Liste der Zürcher SVP.

Allgemein wird die politische Dimension des Dramas im Mittelmeer gerne unterschlagen. Im Blick wurde beispielsweise lieber auf den Umstand eingegangen, dass es auf Flüchtlingsschiffen zu religiös motivierten Morden kam, als dass man sich den Fragen stellt, weswegen Tausende Menschen täglich ihr Heil in der lebensgefährlichen Flucht nach Europa suchen und weswegen die EU versucht, aus dem Kontinent eine unbetretbare Festung zu machen. Auf die zweite Frage ist die Antwort schnell gefunden: Ist der Weg nach Europa noch gefährlicher als das Verbleiben in Gebieten, wo Tod, Elend und Verderben lauern, dann, so denken zumindest die Verantwortlichen in Brüssel, wird auch der Strom an Flüchtlingen abreissen. Die Folgen solcher isolationistischer Grenzpolitik seitens der EU sind die bislang 22’000 Toten, die seit dem Jahr 2000 bei der Suche nach einem würdigen Dasein ihr Leben verloren. Bei der Frage nach den Fluchtursachen fällt die Antwort aber komplexer aus. Mit der Krise des Kapitalismus begann die KapitalistInnenklasse nicht nur in Europa damit, ihre Profitinteressen mit brutalen Prekarisierungen durchzusetzen. Die imperialistische Interessenpolitik von Konzernen aus den wirtschaftlich entwickelten Teilen der Welt traf die Entwicklungsländer brutal. Kriege, extreme Armut und Barbarei sind nur ein paar der globalen Folgen des Imperialismus. Für uns MarxistInnen ist daher klar: Die Tragödie im Mittelmeer ist das Symptom eines kranken Systems – des Kapitalismus.

Gegen dieses System, das nur einigen Wenigen Wohlstand bringt, während es so viele zu Entfremdung und Ausbeutung verurteilt, regt sich Widerstand. Soziale Proteste und Arbeitskämpfe überziehen den ganzen europäischen Kontinent und haben seit der Aufhebung des Franken-Mindestkurses die Schweiz erreicht. In den vom SNB-Entscheid stark betroffenen Branchen der Exportindustrie kam es im Zuge angekündigter Prekarisierungen schon zu dutzenden Streiks. Doch nicht nur die Verschlechterungen am Arbeitsplatz provozierten den Widerstand der Betroffenen. Den brutalen Sparprogrammen, die seit Krisenbeginn ganz im Sinne einer Schockstrategie bei der Bildung, der Gesundheit oder dem Sozialen kürzen, begegnen immer häufiger militante Proteste. Die Aufgabe sozialistischer Organisationen ist es, sich in dieser Lage in den Dienst der Protestierenden zu stellen und für die Schaffung einer wirklichen Perspektive für die Unterdrückten dieser Welt zu kämpfen. Diesem Kampf für ein Ende des Kapitalismus verweigern sich aber Parteien mit sozialistischem Anstrich oft, wenn sie an die Macht kommen. So geschieht es gerade leider auch in Griechenland, wo es der SYRIZA, mit dem Versprechen gegen die Austeritätspolitik der EU vorzugehen, gelang, die Massen zu gewinnen. Mittlerweile sind die Töne, die man von der Regierung Tsipras’ hört, leiser geworden. So spricht der griechische Finanzminister Varoufakis davon, dass die dringlichste Aufgabe der Linken die Rettung des Kapitalismus sei und nicht seine Überwindung. Im Klartext ruft er diejenigen, die ihre Kämpfe den Lebensrealitäten der einfachen Menschen verschrieben haben, dazu auf, ein Haus zu renovieren, das längst in Flammen steht.

Aber auch in der Schweiz sind die Massenorganisationen der ArbeiterInnenbewegung zu einer der wichtigsten Stützen des kapitalistischen Systems geworden. Als Reaktion auf die Aufhebung des Mindestkurses jammern die Gewerkschaften und die SP nach staatlicher Hilfe, entweder in Form eines erneuten Mindestkurses oder Unternehmenssubventionen, wie zum Beispiel staatlich finanzierte Kurzarbeit. Genau wie ihre Schwesterorganisationen in ganz Europa sind sie gefesselt von Jahrzehnten der Sozialpartnerschaft, besoffen von Erinnerungen an grosse Reformen der Nachkriegszeit. Das Vertrauen, auf die eigenen Kräfte bauen zu können, ist längst verschwunden und damit jeglicher Versuch diese Stärke zurückzuerlangen. Letztendlich muss uns aber allen klar sein, dass nur eine konsequente Ausrichtung auf die Lohnabhängigen und deren Organisierung diesen Organisationen eine Zukunft bieten kann. Dazu muss Partei und Gewerkschaft direkt in die Betriebe und geduldig die verlorene Stärke zurückerobern. Die Lehrlingskampagne der Juso kann genau der Anfang einer solchen Politik bedeuten, wenn sie richtig geführt wird. Die Schaffung einer starken Basis der Partei unter den jungen ArbeiterInnen, ist ein grosser Schritt für die Schweizer ArbeiterInnebewegung. Wir rufen die SP und die Gewerkschaften dazu auf, diese Kampagne zu unterstützen und sich dem konsequenten Kampf für die Emanzipation der Werktätigen anzuschliessen. Der Tag der Arbeit ist nicht nur der Tag, an dem wir als SozialistInnen zusammenkommen, ein bisschen demonstrieren um nachher Bratwurst mit Bier hinunterzuspülen, er ist auch eine Gelegenheit, uns der Kämpfe des letzten Jahres bewusst zu werden. Der Kassensturz seit dem letzten 1. Mai fällt durchzogen aus: Die gegenwärtige historische Periode ist eine von Revolutionen und Konterrevolutionen – eine von sich verschärfenden Klassenkämpfen. Während auch im vergangenen Jahr rücksichtslosester Raubbau an den ArbeiterInnen dieser Welt verübt wurde, um die Profite der Besitzenden aufrecht zu erhalten, formierte sich in vielen Weltgegenden Widerstand. Dieser schafft Perspektiven für eine revolutionäre Umwälzung der bestehenden Ordnung. Die Proteste sind die Bewegung, die die Unterdrückten ihre Fesseln spüren lassen. Führen wir also auch im kommenden Jahr konsequent den Kampf für einen Wandel fort und bewahren wir uns als revolutionäre MarxistInnen das Vertrauen in die Werktätigen als revolutionäre Klasse, die nichts zu verlieren hat als ihre Fesseln, während sie eine Welt gewinnen wird.