Am Samstag, 28. März erscheint der neue Funke. Hier veröffentlichen wir das Editorial des Funke #40.

Die Entscheidung der SNB, den Mindestkurs zum Euro aufzuheben, bildete den Drehmoment für die plötzliche Veränderung der allgemeinen Situation in der Schweiz. Es ist die Krise des Kapitalismus auf Weltebene, welche über die verschlungenen Wege der Wechselkurse…

der Funke Nr. 40
… in der Schweiz auftaucht. Die widersprüchlichen Interessen in der kapitalistischen Gesellschaft, die Profitinteressen der Besitzenden und die Ansprüche der Arbeitenden auf ein würdiges Auskommen, werden für viele Lohnabhängige eine spürbare Realität. Die Lohnabhängigen sollen Opferbereitschaft zeigen und Arbeitszeiterhöhungen, Lohnkürzungen und Stellenabbau hinnehmen. Die Zukunft der Unternehmen hänge davon ab und es sei somit im Interesse des „Wirtschaftsstandorts“. Diese Interessen werden deutlich, wenn man sich die Dividendenzahlungen für 2014 ansieht. Die Bourgeoisie bereichert sich derart massiv, dass die Handelszeitung von einer „Dividendenflut“ spricht. Allein die 20 grössten Schweizer Unternehmen schütten geschätzte 36 Milliarden Franken an Dividenden für 2014 aus, 4% mehr als 2013. Wann die Löhne zuletzt innert Jahresfrist derart gestiegen sind, müssen wir vermutlich unsere Grosseltern fragen. Im Kapitalismus heisst Verteidigung des Wirtschaftsstandorts eben bloss Verteidigung der Profite der Bosse und Besitzenden.

Die Erfahrungen im Zuge der massiven Angriffe auf die Arbeitsbedingungen über alle Branchen und Sektoren hinweg wirken wie Hammerschläge auf das Bewusstsein der Lohnabhängigen. Die Reaktionen darauf sind bislang jedoch ungleich über die Landesteile verteilt. Die Wahl zwischen Kapitulation oder Kampf steht jedoch weiterhin überall auf der Tagesordnung. In der Deutschschweiz scheint die Gewerkschaftsbürokratie sich für Ersteres entschieden zu haben. Die kleinere Streikwelle im Tessin mit bislang drei Arbeitskämpfen hat eindrücklich demonstriert, dass dort, wo sich Widerstand in den Betrieben bildet, Siege errungen werden können. Nach dem erfolgreichen Zurückschlagen der Versuche massiver Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen, trauen sich die Unternehmer im Tessin kaum noch, weitere Angriffe zu lancieren. Zu gross ist ihre Angst vor dem Kampf der Lohnabhängigen und der Solidarität, die sich darum entwickeln kann. So fand in Bellinzona ende Februar eine von der SP organisierte Demonstration zur Verteidigung der Arbeit statt. 600 DemonstrantInnen folgten dem Aufruf, um den Bossen klar zu machen, dass mit Widerstand zu rechnen ist. Dies zeigt, wie rasch sich die ArbeiterInnenbewegung aus defensiven Kämpfen in eine Position der Stärke emporschwingen kann. Unter dem Druck von unten Bewegen sich die Organisationen der Arbeitenden. Dass sich Kämpfen lohnt, ist nun allen ArbeiterInnen im Tessin klar. Neben einem kleineren Streik in Genf, blieben diese Erfahrungen bislang weitgehend auf das Tessin begrenzt. Die Informationssperre der bürgerlichen Presse in der Deutschschweiz muss umgangen werden und die KollegInnen in der Deutschschweiz müssen die Tessiner Erfahrungen verallgemeinern.

Derweil üben sich die Vertreter der herrschenden Klasse im Metier des Wahrsagers, indem sie ihre Konjunkturprognosen immer wieder neu berechnen. Ob das BIP nun fällt oder steigt, die Angriffe werden weitergehen und die Kapitalisten werden sich weiter auf dem Rücken der ArbeiterInnen bereichern. Die bislang weitgehend betriebsspezifischen Angriffe, ob auf den Binnen- oder Aussenmarkt orientiert, sind noch nicht fertig und sie sind noch nicht alles. Die politischen Angriffe in Form von Sparmassnahmen und Entlastungen der Unternehmer (USR III, etc.) werden noch kommen. Die Absurdität der Sparmassnahmen wird jedoch diesen Frühling deutlich. Der Kanton Bern schloss das Budget 2014 mit einem Überschuss von 200 Millionen Franken. Bern scheint wie ein Unternehmen geführt zu werden, wo möglichst jeder Aufwand weggespart wird, um höhere Gewinne zu erzielen. Noch obszöner ist die Situation in Genf, wo aus der Vermögensübertragung einer einzelnen Person über 500 Millionen Franken in die öffentlichen Kassen gespült werden. Der Reichtum zur Finanzierung eines öffentlichen Dienstes im Interesse der Lohnabhängigen, der Jugend und der öffentlichen Angestellten ist offensichtlich Vorhanden. Genauso wie der Reichtum vorhanden ist, ein würdiges Arbeiten für alle Angestellten zu ermöglichen. Dies beisst sich nur mit den Profitinteressen der herrschenden Klasse, beruhend auf dem Privateigentum der Vermögenswerte. Diese Grundlagen des Kapitalismus verunmöglichen Hunderttausenden in diesem Land ein würdiges Leben. Die Schlussfolgerung für uns ist klar: Lebenswerte Bedingungen sind Heute nur durch den Kampf gegen das herrschende System und für eine sozialistische Alternative möglich.

Dass auch in der Deutschschweiz kämpferisches Potential vorhanden ist, zeigte die ausserordentliche starke Demo zum Internationalen Frauentag. Anstatt gegen den Angriff des „sozialdemokratischen“ Bundesrats Berset auf das Rentenalter der Frauen zu mobilisieren, verliert sich die Gewerkschaftsbürokratie lieber in einer vagen Koalition mit bürgerlichen Frauenorganisationen. In der abstrusen Hoffnung, die SGB-Initiative AHV+ im Konsultationsverfahren für ebendiese Reform unterzubringen, hält sich die Gewerkschaftsbürokratie zurück, anstatt zu mobilisieren. Während die Bourgeoisie den Angriff vorbereitet, klammert sich die Gewerkschaftsspitze an die Hoffnung, von der Bourgeoisie aus dem nichts Zugeständnisse zu erhalten. Den ArbeiterInnen bringt diese Orientierung offensichtlich nichts als Verschlechterungen. Ein gewerkschaftliches Kampfprogramm muss her, welches nicht blosses Appellieren an die Unternehmer ist, sondern das gesellschaftliche Kräfteverhältnis mittels Demonstrationen und Streiks zu Gunsten der Arbeitenden verschiebt. Einzelne determinierte KollegInnen in von Angriffen betroffenen Betrieben können bereits einen riesigen Unterschied machen. Geben die Unternehmer an, ohne Verschlechterungen ihren Betrieb in der Schweiz nicht weiter führen zu können, so sollen wir die Offenlegung der Geschäftsbücher fordern, wie dies im Tessin geschehen ist. Wenn eine Firma auslagern will, so müssen die ArbeiterInnen, mit Unterstützung der Gewerkschaften, die Produktion eben selbst in die Hand nehmen. Um dies durchsetzen zu können braucht es organisatorische Offensiven der sozialistischen ArbeiterInnenbewegung unter den Lohnabhängigen. Die Jungen zeigen mit der Lehrlingskampagne der Juso den „Alten“ den Weg dazu. Ohne Verankerung in den Betrieben kann man nicht Kämpfen, sondern hat bereits vor Jahren kapituliert. Um die Lähmung der ArbeiterInnenbewegung zu überwinden, braucht es keine Wunderheiler. Es braucht bewusste sozialistische Praxis.

 

Die Redaktion