[dropcap]D[/dropcap]ie dritte Unternehmenssteuerreform (USR3) wurde in Rekordzeit durchs Parlament geboxt. Eigentlich gilt unser Politsystem als langsam. Was so schnell durchgewinkt wird, muss von spezieller Wichtigkeit für die Mächtigen dieses Landes sein. Mit Blick auf vergangene Reformen erkennt man den Grund dafür: Die KapitalistInnen mussten danach krass weniger Steuern bezahlen.

SVP-Bundesrat Maurer erklärte im Blick: «Bei einem Nein [zur USR3] gleise ich am nächsten Tag ein Sparprogramm über mehrere Milliarden auf für die nächsten Jahre». In dieser nackten Drohung steckt ein Fünkchen Wahrheit – denn gespart und abgebaut wird sowieso, und die SVP wird weiterhin die Speerspitze der Politik gegen die grosse Mehrheit darstellen.

Der Abstimmungskampf über die Steuervorlage legt noch weitere versteckte Wahrheiten offen. Der Staat setzt ein Gesetz durch, das wortwörtlich von multinationalen Konzernen (wie KPMG und EY) geschrieben wurde. Dabei wird weder vor Drohungen (Maurer) und Lügen (alle Zahlen der bürgerlichen Propaganda), noch von „Kauf von Politikern“ (siehe Basel-Stadt) zurückgeschreckt. Bevor wir auf diese Elemente eingehen, soll zuerst ein kurzer Blick auf die Geschichte des Schweizer Steuerreformismus geworfen werden.

Die letzten Reformen
Die erste Unternehmenssteuerreform von 1997 richtete die Steuersituation optimal für die parasitärsten Finanzgesellschaften – die Holdings – ein. Dazu kam die Abschaffung der Kapitalsteuer auf Bundesebene. Ein erstes Geschenk der politischen Vertreter der Bourgeoisie an die grössten unter den KapitalistInnen.

Die zweite USR war ein erster Höhepunkt der von Klasseninteressen gesteuerten Propagandaoffensive. Durch das Prinzip der Kapitaleinlage konnten «über 1000 Milliarden (…) in den nächsten Jahren einkommens- und verrechnungssteuerfrei ausbezahlt werden“ (Kiener Nellen, SRF). Da dieser Betrug rückwirkend gültig war, ist das Einkommensloch sprichwörtlich unberechenbar.

Damit nicht genug: Die Reform versprach, die „Ungerechtigkeit“ (sic!) der Doppelbesteuerung der Dividenden zu minimieren und nur noch zu einem Teil zu besteuern. Dazu kam noch eine faktische Teilabschaffung der kantonalen Kapitalsteuer.

Beide Reformen begünstigten also die KapitalistInnen; der Rückgang der Steuereinnahmen wurde nicht kompensiert. Für den Staatshaushalt gab es zwei Möglichkeiten: Die Steuern für die grosse Mehrheit der Lohnabhängigen zu erhöhen oder das Budget zu kürzen und Sparmassnahmen durchführen. Schlussendlich kam es jedes Mal zu einer Umverteilung von unten nach oben.

Rücksichtslose Interessensvertretung
Die Schweiz ist ein so haarsträubendes Steuerparadies, dass sogar die OECD drohte, das Land auf eine schwarze Liste zu setzten, falls die extremsten Auswüchse nicht gedrosselt würden. Gewieft wie die Schweizer Elite (manchmal) ist, drehte sie den Spiess gekonnt um. Dank der direkten Mitarbeit der grössten Steuerberatungs-, also Steuerhinterziehungsfirmen, sieht es nun so aus, als verfolgte die Reform mit der Abschaffung der Sonderbesteuerung ein linkes Anliegen.

Doch was will die Reform wirklich? In erster Linie den Steuersatz für alle Unternehmen senken und dann mit speziellen „Steuerwerkzeugen“ für gewisse Statusgesellschaften weiterhin einen Steuersatz von nahezu null garantieren.

Dazu kommt, dass es von Regierungen aller Parteien als das Normalste der Welt angesehen wird, dass Unternehmen wie Novartis, Adecco und Gillette nur einen mikroskopischen Steuersatz bezahlen. Die dahinterstehende Logik ist folgende: Weil ihr Gewinn sogar in der Krise noch weiter ansteigt, bezahlen sie ja auch mit einem kleinen Steuersatz genug. So rettet nun die SP-Regierungsrätin Herzog (Basel-Stadt) den Pharma-Multis die Steuerprivilegien und lässt sich dafür sogar in deren Abstimmungspropaganda abbilden. Die Pharmaindustrie drohte mit Auslagerung im Falle höherer Steuerbelastung. Herzog verteidigt die Logik der KapitalistInnen ausführlich in der Presse – entgegen der Linie der eigenen Partei. Schlussendlich ist ihr Argument das gleiche wie dasjenige von Maurer: Die Grosskonzerne könnten, so Herzog, ihre Drohung von Stellenabbau Realität werden lassen. Es gebe also keine Alternative, als sich ihrem heiligen Willen zu beugen.

Dass sich einige Grosskonzerne, wie in Basel und im Kanton Waadt, die Unterstützung der SP-ExekutivpolitikerInnen mit „Ausgleichszahlungen“ erkaufen, muss als das dargestellt werden, was es ist: Schmiergeld, Schweigegeld, Bestechung in hohem Masse! In Basel-Stadt spendiert der Kanton 40 Millionen für erhöhte Sozialabzüge und mehr Prämienverbilligung; und die KapitalistInnen sind so gütig und erhöhen die Beiträge für Kinder- und Ausbildungszulagen – um gerade mal 0.5 Prozentpunkte. Der Staat bezahlt also 47 und die Unternehmen 63 Millionen als Propagandamittel, sodass die Konzerne hinterrücks 200 Millionen einsparen können. Einen „Ausgleich“ dieser Differenz sucht man vergebens. (Zahlen aus der tendenziösen Vernehmlassung des Regierungsrates BS).

Mogelpackung
Die Mogelpackung führt laut Steuerverwaltung zu mindestens drei Milliarden an Steuerausfällen auf den verschiedenen Ebenen und nicht zu 1.1 Milliarden, wie in den Abstimmungsunterlagen aufgeführt ist. Aus Selbstschutz nach dem USR2-Fiasco wurden realistische Zahlen schlicht weggelassen.

Die kumulierten Steuerausfälle werden zwingendermassen die allgegenwärtigen Sparmassnahmen in Zukunft noch verstärken. Deshalb ist es unumgänglich, das wahre Wesen der USR3 nochmals zu unterstreichen. Die Weltwirtschaft befindet sich in einer anhaltenden Phase der Stagnation. Die Bourgeoisie ist dadurch gezwungen, sich mittels der Staatsmaschinerie einen Konkurrenzvorteil auf dem internationalen Markt zu verschaffen. Tiefere Steuern bedeuten höhere Rendite. Diese sind für UnternehmerInnen überlebenswichtig; das weiss sogar Donald Trump, der ebenfalls die Unternehmenssteuern senken will.

Im Kapitalismus wird die Lüge zur Tugend, wenn dadurch die Situation der herrschenden Klasse verbessert werden kann. Das ist nicht „undemokratisch“, sondern zeigt die wahre Funktion der bürgerlichen Demokratie. Auch in der Schweiz sind Parlament und Bundesrat dazu da, um die Interessen der KapitalistInnen zu verteidigen. Das gelingt ihnen oft eleganter als im Zuge der USR3. Doch bei dieser geht es um zu viel Geld, als dass das Kriterium der Eleganz des Betrugs eine Rolle gespielt hätte. Deshalb ist jedes Mittel erlaubt.

Caspar Oertli
JUSO Stadt Zürich

Bild © usr3-nein.ch