Am Montag beschloss die SDA-Redaktion beinahe einstimmig einen unbefristeten Streik. Am Dienstagmorgen hat dieser mit einer ganztägigen Versammlung, einzig von einer Demonstration kurz vor der Mittagszeit unterbrochen, im Theater National in Bern begonnen. Heute wird er in Zürich fortgesetzt.

Die Fronten verhärten sich: Trotz eines schweizweiten Warnstreiks der Angestellten am 23. Januar widerrief die SDA-Geschäftsführung ihre Abbauabsichten nicht. Konsequenterweise wurde daraufhin (gestern, am 30. Januar) zum Mittel eines unbefristeten Streiks gegriffen. Die angekündigten Kürzungen beinhalten, dass bis zu 40 der 150 Vollzeitstellen gestrichen werden sollen. Davon betroffen sind sämtliche Angestellte über 60 (Frauen) respektive 61 (Männer). Ausserdem soll die Wirtschaftsberichterstattung an die Tochterfirma AWP, die tiefere Löhne bezahlt, ausgelagert werden. Bei den bisherigen spärlichen Verhandlungen hatte die Redaktion erfolglos versucht, der Geschäftsleitung ernsthafte Zugeständnisse abzuringen.

Die KapitalistInnen entlarven sich

Die Geschäftsleitung der SDA offenbarte in den letzten Tagen immer deutlicher ihr wahres Gesicht. In einem Interview mit der NZZ am Sonntag sprach der CEO der Nachrichtenagentur Markus Schwab Klartext: «Die SDA ist nur ihren Aktionären etwas schuldig. Jede andere Anspruchshaltung verstehen wir nicht. Wir sind keine Nonprofit-Organisation, sondern eine Firma, die das Ziel hat, angemessene Gewinne zu machen.» Und das, obwohl in einer SDA-Broschüre und auf der Homepage zu lesen ist, die Agentur verfolge keine Gewinnzwecke. Damit konfrontiert antwortete der CEO lapidar, die Broschüre sei veraltet.

Schwab offenbart damit etwas, was allen KapitalistInnen eigen ist: Wenn der Profitdruck steigt, interessiert sie das Geschwätz von gestern nicht mehr. Die Arbeiterinnen und Arbeiter können sich dann nur auf ihre eigene Stärke verlassen – oder sich ihrem Schicksal, den Lohnkürzungen und Entlassungen, ergeben. Tatsache ist, dass die SDA keine öffentlich-rechtliche Anstalt ist. Sie ist eine Aktiengesellschaft, deren Aktionäre grösstenteils Medienunternehmen sind – die gleichzeitig auch ihre Hauptabnehmer sind.

Zwänge des Kapitals

Die Entlassungen kommen nicht von ungefähr. Dass die Geschäftsleitung der SDA den Streik in Kauf nimmt, ergibt Sinn, wenn man sieht wie stark sie unter Druck ist. Einerseits ist da die bevorstehende Fusion mit der Agentur Keystone. Die neue Hauptaktionärin der fusionierten Firma, die österreichische Presseagentur APA, erwartet mittelfristig Dividenden: Circa zwei Prozent des Umsatzes oder eine Million Franken sollen diese ab 2021 betragen. Klar ist: eine Steigerung der Profite ist nur möglich durch die erhöhte Ausbeutung der Arbeiterinnen und Arbeiter, denn nur so kann die KapitalistInnenklasse ihre Profite erzielen – trotz weniger Aufwand für Produktion und Verbreitung.  Erhöhte Ausbeutung bedeutet, dass Leute entlassen werden und die Arbeit der anderen intensiviert oder verlängert wird oder ihre Löhne gekürzt werden.

Andererseits drohten die Hauptaktionäre und Hauptabnehmer, allen voran Tamedia, die NZZ-Gruppe, und AZ Medien – unter dem Vorbehalt von rückläufigen Auflagen – der SDA vor zwei Jahren mit der Gründung einer kostengünstigeren Konkurrenzagentur. Als Reaktion darauf gewährte die SDA allen Kunden für 2018 einen Preisrabatt von zehn Prozent. Das dadurch entstandene Defizit zwingt die Geschäftsleitung jetzt zu den Angriffen. Dass dieser Abbau der letzte sei, dafür gebe es aber keine Garantie, so Schwab. Verständlich, denn der Preisdruck der Grossverlage wird weitergehen!

Die Streikenden wollen das Maximum

Am Streiktag war die Stimmung im National bereits sehr kämpferisch. Allen voran CEO Schwab kriegte sein Fett weg. Er hatte sich mit seinen Äusserungen komplett ins Abseits gestellt und wurde von allen Seiten aufs Härteste kritisiert. Um 11.30 Uhr versammelten sich die rund 200 Anwesenden draussen, formierten sich zu einem Demonstrationszug und zogen los. Vom Theater National, über die kleine Schanze, führte die Route zunächst zum Bundeshaus, wo einige Reden gehalten wurden. Im Anschluss zog man weiter zur Münsterplattform, wo es zur Stärkung ein Risotto gab.

Im Gespräch mit den Betroffenen wurde schnell klar, dass ein Bewusstsein für die Notwendigkeit des Streiks und dessen Weiterführung da ist. Zwar existieren ungefähre Vorstellungen davon, welche Bedingungen erfüllt sein müssten, dass man die Arbeit wieder aufnehmen würde. Doch die Situation müsse jeden Tag aufs Neue beurteilt werden. Als erstes müsse sich sowieso die Geschäftsleitung einsichtig zeigen. Zwar verstehe man gewisse Mitarbeitende, die kleine Verbesserungen bereits als Erfolg sehen, da sie dadurch immerhin etwas besser dastehen würden. Doch diese minimalsten Zugeständnisse seien nichts weiter als „Zückerli“, so ein Demonstrant. Auf die Forderung, mit dem Verwaltungsrat ins Gespräch zu treten, ging dieser nur indirekt ein: über gewisse Medien liess er verlauten, man plane in den nächsten Tagen eine Sitzung. Die Vertreterinnen und Vertreter der Streikenden wurden aber bis zum späten Nachmittag nicht kontaktiert.

Nur den eigenen Kräften vertrauen

Abbaumassnahmen wie diese sind momentan in allen Bereichen zu beobachten. Wir wehren uns dagegen, für die Krise der Reichsten zu bezahlen und solidarisieren uns mit der SDA-Redaktion. Ihr Streik ist vorbildlich. Er zeigt, dass Massenentlassungen nicht einfach ein Schicksalsschlag sind. Ein Streik ist die einzige effektive Selbstverteidigung. Der Streik muss solange andauern, bis die Geschäftsleitung die Massnahmen zurückgenommen hat. Die ArbeiterInnen der SDA müssen konsequent bleiben und ihre Interessen mit aller Härte verteidigen.

Solidarität zählt zwar gemäss sda-Leitbild zu ihren „Grundwerten“, doch wieviel solche Phrasen in den Mündern der Kapitalisten Wert sind, demonstriert uns CEO Schwab eindrücklich. Deshalb brauchen die Streikenden der SDA unsere Solidarität und Unterstützung!

Der Funke wird auch heute über den weiteren Streikverlauf informieren.

Kevin Wolf
Vorstand JUSO Stadt Bern

Bild © Sergio Ferrari (Twitter)