Die bisher grösste Mobilisierung der Pflegeberufe: Am 30.10.21 versammelten sich in Bern fast 5000 Menschen, um für eine besser Pflege zu kämpfen – die meisten davon aus dem Pflegeberuf. Nach vielen Jahren der prekären Arbeitsbedingungen haben die Pflegenden genug und beginnen sich zu wehren.

Die Gewerkschaften VPOD und Unia wie auch der SBK (Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner) mobilisierten VertreterInnen der Gesundheitsberufe aus allen Kantonen. Sie alle kamen auf der Schützenmatte zusammen und zogen von dort aus durch die Stadt zum Bundesplatz. 

„Gesundheit vor Profit!“ PflegerInnen und ÄrztInnen und Solidarische der Funke-Strömung demonstrierten (Bild: SRF)

Alle Altersgruppen, Geschlechter, Gesundheitsberufsgruppen, deren Angehörige oder Solidarische waren anwesend. Doch hauptsächlich waren es die Pflegerinnen, welche auf ihre schlechten Arbeitsbedingungen aufmerksam machen wollten. 

Die Stimmung war sehr kämpferisch. Parolen wie: „Klatschen reicht nicht“ oder „Gesundheit vor Profit“ waren auf vielen der Schilder zu sehen. Dies zeigt uns, dass die Pflegenden keine Symbolpolitik mehr akzeptieren. Seit der Pandemie bekam die Pflege viel Aufmerksamkeit in Form diverser symbolischer Aktionen. Diese haben zwar keine Verbesserungen ihrerer Arbeitsbedingungen bewirkt, allerdings gab es den Pflegenden Mut politisch aktiv zu werden.

Es war aber nicht nur Mut, welchen die Menschen auf die Strasse trieb. Vor Allem war es die Wut. Die Wut auf eine Politik die selbst bei einem offensichtlichen Pflegenotstand nicht zu handeln beginnt. Die Arbeitenden des Gesundheitssektors sind zutiefst enttäuscht. Selbst als HeldInnen der Pandemie können sie nicht auf die Unterstützung des Parlaments hoffen.  

Viele Pflegende zeigten ihre Wut und Frust gegenüber der bürgerlichen Politik

Die Pflegenden haben wenig vertrauen darin, dass nach dem Umsetzen der Pflegeinitiative, das Gesundheitssystem gerettet ist. Sie sehen die Initiative lediglich als ersten Schritt. Dies erfuhren wir, als wir mit den Demonstrierenden ins Gespräch kamen. Die meisten waren der Meinung, dass das Gesundheitssystem von der Profitlogik befreit werden soll. Sie sind sich bewusst, dass der Kampf zur Umsetzung ihrer Forderungen nicht mit der Abstimmung zur Pflegeinitiative am 28. November endet – sondern weiter gehen muss.

Die Reden der Gewerkschaften auf dem Bundesplatz gaben zwar der Wut Ausdruck, boten allerdings keine klare Perspektive vorwärts: Wie nach der Abstimmung für die Forderungen der Pflege gekämpft werden soll, blieb unbeantwortet. Eine Pflegeaktivistin aus der Romandie zeigte allerdings mit Verweisen auf den CHUV-Streiks im Juni dieses Jahres, dass Klassenkampfmethoden wie der Streik wichtige Mittel sind, um Verbesserungen der Arbeitsbedingungen zu erreichen.

Ansonsten riefen alle zur gemeinsamen Organisation auf, um solidarisch und kollektiv für ein Gesundheitssystem mit guten Bedingungen für die Pflege und die PatientInnen zu kämpfen. Auch noch nach der Umsetzung der Pflegeinitiative. Ausserdem gab es auch hier den ein oder anderen Aufruf, gegen die Profitlogik im Gesundheitssektor zu kämpfen. 

Junge Pflegerinnen beginnen sich zu organisieren und zu kämpfen (Bild: der Funke)

Der Event endete auf dem Bundesplatz nach einer Tanzeinlage zu dem neuen “Notruef Pflegebruef” Aktionssong. Die Leute gingen nach Hause, mit dem Bewusstsein, dass wir uns organisieren müssen. Die Perspektive ist ganz klar: Die Radikalisierung und Kampfbereitschaft im Gesundheitswesen wird weiter zunehmen! 

Fabio L. (Pfleger und Funke-Aktivist)

Titelbild: VPOD