Nach dem Diskriminierungsverbot soll nun die Ehe für Alle kommen. Ist die
Unterdrückung der LGBT bald Geschichte?

Nach dem Diskriminierungsverbot steht die Ehe für alle auf der Agenda des
Parlaments. Sie wird aktuell (Stand: 22.6.) im Bundeshaus diskutiert, es fehlt nur noch die Zustimmung des Ständerats. Viele hoffen, dass so ein weiterer Schritt in Richtung Überwindung der Homophobie unternommen wird. Auch wir vom Funke befürworten diese Reform.

Wir MarxistInnen kämpfen gegen jede Form der Unterdrückung. Alle Menschen müssen gleiche Rechte haben und dürfen nicht aufgrund von ihrer Sexualität diskriminiert werden. Indem das Gesetz gleichgeschlechtlichen Paaren denselben Zugang zu Rechten erlaubt wie andersgeschlechtlichen Paaren, ist die Annahme des Gesetzes ein Fortschritt. Die Erweiterung der Ehe ist ein Schritt in Richtung der Öffnung gegenüber neuen Lebensgemeinschaften, die besser auf die realen Bedürfnisse der Menschen abgestimmt sind. Es gibt unmittelbare Vorteile für LGBT-Paare: Zugang zu Samenspende, Adoptionsrecht, erleichterte Einbürgerung. Davon profitieren vor allem auch Waisenkinder und MigrantInnen.

Gesetze, «Rechte» und «Freiheiten» reichen jedoch nicht, um das Übel der Diskriminierung auszumerzen. Die Rassismus-Strafnorm hat seit dem Jahr 1994, in dem sie eingeführt wurde, den Rassismus in der Schweizer Gesellschaft nicht verdrängt. Das liegt daran, dass der Rassismus tief in unserer Gesellschaft angelegt ist – und die Homo- bzw. Biphobie ist es ebenso. Die Diskriminierung gegenüber Homo- und Bisexuellen (und im Übrigen auch Transgender) entspringen den traditionellen Geschlechterrollen und der bürgerlichen Kleinfamilie, feste Grundpfeiler
unserer kapitalistischen Gesellschaft.

Kein Kapitalismus ohne Homophobie

Der Kapitalismus basiert darauf, dass ein grosser Teil der Pflege-, Erziehungs- und Haushaltsarbeit privat und hauptsächlich von Frauen verrichtet wird. Auch die professionellen Pflegeberufe werden meist von Frauen verrichtet. Von der Familie bis zum Arbeitsmarkt werden wir von diesen traditionellen Rollenbildern beherrscht. Diese Vorstellung, was ein echter Mann und eine echte Frau sind, sind immer latent homophob. Schwule gelten nicht als «echte» Männer, Lesben nicht als «echte» Frauen – wenn sie femininer beziehungsweise maskuliner sind, als man das von Männern und Frauen erwartet, sowieso. Bisexuellen Menschen wird generell die Zuverlässigkeit, Treue und Beständigkeit abgesprochen, die notwendig ist, um eine Familie grosszuziehen.

Wenn wir solidarisch zusammenstehen, unabhängig von Geschlecht oder Sexualität, können wir alle Verhältnisse umstossen, in denen der Mensch ein geknechtetes Wesen ist.

Homophobie ist im Grunde der Polizeiknüppel, mit dem die traditionellen
Geschlechterrollen aufrechterhalten werden, ohne die es die bürgerliche Kleinfamilie, und damit den Kapitalismus nicht gibt. Ein Extremfall davon ist die «korrigierende Vergewaltigung», mit der Lesben mancherorts bestraft werden, weil sie sich ihrer Pflicht zur Paarung mit Männern entziehen würden. Gleichzeitig ist es vollkommen alltäglich, dass auch bei uns gleichgeschlechtliche Paare immer wieder in traditionelle Rollenbilder gedrängt werden: «Wer ist bei euch der Mann, wer die Frau?» Es wird auch bei ihnen erwartet, dass ein Partner respektive Partnerin sprichwörtlich die Hosen anhat, den Löwenanteil des Einkommens verdient, während
der oder die andere sich um den Haushalt kümmert.

Davon abgesehen, dass die Diskriminierung sexueller Minderheiten tief in unserer Gesellschaft verankert ist, gibt es auch immer wieder Bewegungen von rechts, welche offen intolerant gegen LGBT auftreten. Für diesen rechtsextremen bürgerlichen Flügel werden LGBT immer ein praktischer Sündenbock bleiben. Dabei müssen wir queere Menschen als Symptom des westlichen Zerfalls herhalten, gelten als Totengräber der Familie und damit der westlichen Gesellschaft oder als TrägerInnen gefährlicher Krankheiten. Das sind letztlich alles Mechanismen zur Spaltung der Klasse, mit denen ein Teil der ArbeiterInnenklasse gegen den anderen aufgehetzt wird.

Gemeinsam für den Sozialismus!

Der Kampf für die Ehe für Alle ist aber auch eine Möglichkeit darüber zu reden, was queere und heterosexuelle ArbeiterInnen verbindet: die Ausbeutung durch den Chef und die Aussicht, durch Klassenkampf ein gutes Leben erreichen zu können. Klar gibt es homophobe ArbeiterInnen, aber im gemeinsamen Kampf werden die ArbeiterInnenklasse die überholten Vorurteile abwerfen und eine neue Gesellschaft errichten. Homophobie, die Unterdrückung der Frau und die Unterdrückung sexueller Minderheiten sind teil unserer Gesellschaft, seit es Unterdrückung, Diskriminierung und Ausbeutung gibt. Wenn wir solidarisch zusammenstehen, unabhängig von Geschlecht oder Sexualität, können wir alle Verhältnisse umstossen, in denen der Mensch ein geknechtetes Wesen ist. Dazu braucht es den Sturz der herrschenden Klasse und die radikale Umwälzung der Gesellschaft.

Bild: derfunke.de