Die SP gerät mit ihrem konservativen Feminismus auf die schiefe Bahn: Statt den Frauenstreik mit einem sozialistischen Programm zu stärken, sucht sie die Abkürzung über die Quoten. Eine Abkürzung über die Klippe.

Im Jahr des Frauenstreiks, das gleichzeitig Wahljahr ist, versucht die SP den Stände- und Nationalrat mit möglichst vielen Frauen zu besetzen. Dabei wurde die Begrenztheit dieses Projekts in den vergangenen Jahren besonders deutlich. Die Schweiz hatte 2010 mit vier Bundesrätinnen eine mehrheitlich weibliche Regierung. Diese weibliche Regierung hatte dann die Aufgabe, die Kosten der Wirtschaftskrise von 2008 auf den Rücken der Lohnabhängigen abzuladen. Die Unternehmensteuerreform II  wurde umgesetzt und sollte die Profite in Zeiten der Wirtschaftskrise sicherstellen. Im Gegenzug wurde bei Bildung, Gesundheit und den Sozialversicherungen gespart. Gleichzeitig wurden allein im Jahr 2012 die zehn reichsten SchweizerInnen um 21 Milliarden Franken reicher.

Kurzes Gedächtnis

Die SP hat dennoch rosige Erinnerungen an die Periode: Für sie war es die erste weiblich dominierte Regierung und damit automatisch ein Erfolg. In der gleichen verkehrten Logik gratulierte sie im letzten Jahr auch der frisch gewählten, law-and-order-Politikerin Karin Keller-Sutter (FDP) zu ihrer Wahl in den Bundesrat. Man kann solchen Politikerinnen neidlos zu ihrer erfolgreichen Karriere gratulieren. Doch für die meisten Frauen bedeutete deren bürgerliche Politik Hohn und vor allem Sparmassnahmen. Sozialabbau ist ein Angriff auf den Lebensstandard der Lohnabhängigen und Frauen werden von ihm besonders hart getroffen.

In diesem Wahljahr wiederholt die SP diese Farce. Bevor überhaupt irgendein Wahlkampfthema der SP feststand, wurde eine Frage geklärt: Eva Herzog, und nicht Beat Jans, wird für den Ständerat kandidieren. Herzog ist die zentrale Architektin der Unternehmenssteuerreform III, ein Paket an Steuergeschenken für Grossunternehmen. Beat Jans hingegen bezog 2017 Stellung gegen diesen Angriff auf die Lohnabhängigen.

Der Grund für die Bevorzugung Herzogs, trotz ihrer asozialen Politik? Es traten viele Frauen im Ständerat zurück. «Um die Bevölkerung besser zu repräsentieren», gab sich die SP den Auftrag, den mangelnden Frauenanteil zu kompensieren. Dabei nimmt sie auch in Kauf, dass der rechte Parteiflügel um Herzog, Jositsch und Bundesrätin Sommaruga an Einfluss gewinnt. Wie kommt die SP zu dieser Schlussfolgerung, man müsse im Namen des Feminismus Sozialabbaukandidatinnen unterstützen?

Quoten statt Programm

Die Emanzipation der arbeitenden Frauen führt über den Kampf für eine Reduktion der Arbeitszeit gegen die Bosse und einer öffentlich organisierten Hausarbeit auf Kosten der Reichen. Denn so würde die Grundlage der Frauenunterdrückung, das Joch von Heim und Herd, überwunden (siehe Artikel S. 12). Dieser Kampf muss im Betrieb, in den Strassen und in der konsequent auch im Wahlkampf geführt werden. Und zwar Seite an Seite mit lohnabhängigen Männern, die für jene Forderungen ebenfalls ein gemeinsames Interesse haben. Die Solidarität, die im gemeinsamen Kampf von lohnabhängigen Frauen und Männern entsteht, stellt auch die Voraussetzung für die Überwindung sexistischer Vorurteile dar.

Die SP hingegen weigert sich, sich ein kämpferisches Programm für den Frauenkampf zu geben. Sie schlägt im Frauenstreik keinerlei Forderungen vor. Die arbeitenden Frauen sollen nicht selber kämpfen. Stattdessen sagt die SP den kämpfenden Frauen einfach, dass sie SP-Politikerinnen wählen sollen. Diese würden sich dann um die Probleme der arbeitenden Frauen kümmern. Dass sie dies dann eben nicht tun (Bundesrat 2010, Eva Herzog) haben wir bereits festgestellt.

Die SP glaubt gar nicht daran, dass arbeitende Frauen oder die ArbeiterInnenklasse im Allgemeinen ihr gesellschaftliches Leben gemeinsam selbst bestimmen können. In diesem Verständnis bedeuten mehr Frauen in Parlament und Regierung, dass die Frauen in der Bevölkerung besser vertreten sind. Das ist Stellvertreterpolitik! Damit geht die SP davon aus, dass Frauen, unabhängig von ihrer sozialen Klasse, ein gemeinsames Interesse hätten. Reiche bürgerliche Feministinnen, die am Erhalt des Status Quo und dessen Privilegien interessiert sind, haben jedoch nichts gemeinsam mit arbeitenden Frauen.

Die SP glaubt mit kleinen Verbesserungen könne der Kapitalismus für alle funktionieren. Wenn mehr Frauen Gesetze machen, würde der Kapitalismus mehr im Sinne der Frauen funktionieren. Der Kapitalismus kann den lohnabhängigen Frauen aber heute keine Verbesserungen mehr anbieten. Gefangen in den kapitalistischen Parlamenten und Regierungen  sind die Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen (und die Frauen anderer Parteien) zu nichts anderem in der Lage, als zu asozialer Abbaupolitik. Das bedeutet: mehr Sparmassnahmen für alle und mehr Reichtum für wenige. Für arbeitende Frauen macht es aber keinen Unterschied, wie viele Frauen im Parlament und in der Regierung hocken, von der sie zertreten statt vertreten werden.

Was hat denn Eva Herzog jungen Frauen anzubieten? Ein Vorbild, dass auch eine Frau «es» schaffen kann. «Es» schaffen heisst nichts anderes, als dass die Frau im Kapitalismus ihre Konkurrenten und Konkurrentinnen aussticht. Aber was ist mit den Frauen, die «es» nicht schaffen, trotz Quote? Weil sie es nicht schaffen können, weil es an der Spitze nun mal einfach zu wenig Platz hat für alle? Was ist mit der überwältigenden Mehrheit der lohnabhängigen Frauen? Den Ambitionen junger arbeitenden Frauen hat dieser Quotenfeminismus der SP nichts anzubieten.

Raus aus der Sackgasse!

Quotenfeminismus, Stellvertreterpolitik, die Unterstützung von Sozialliberalen wie Herzog: Das sind nicht Mittel der Befreiung der Frau, sondern Mittel der Passivierung. Sie zerren den Kampf gegen Frauenunterdrückung in die engen  Bahnen der kapitalistischen Politik. Hier, im Parlament und Regierung, werden wohlklingende Resolutionen oder Gesetze über die Gleichstellung der Geschlechter beschlossen, «verbessert» oder (meist) rausgeschoben, ohne dass sich etwas am Alltag der Frauen ändert. Die Losung der SP ist heute: Kein Kampf in den Strassen, kein Kampf am Arbeitsplatz, nur bürgerliche Politik. Damit hat sie den arbeitenden Frauen nichts anzubieten. Stattdessen müsste die SP den Wahlkampf nutzen, um auf den grundsätzlichen Widerspruch zwischen den Interessen der ArbeiterInnenklasse und des Kapitals aufmerksam machen. Die SP hat die Aufgabe, den Frauenstreik mit einem sozialistischen Programm zu stärken. So würden die Frauen dazu ermächtigt, selber für ihre Emanzipation zu kämpfen. Denn dieser Kampf kann nicht ersetzt werden, schon gar nicht von rechten Politikerinnen.

Frank Fritschi
JUSO Basel-Stadt