In Mexiko bezahlen die Frauen den höchsten Preis für die Krise, die Drogenkartelle und die Korruption. Jeden Tag werden neun Frauen umgebracht. Doch nicht nur die Angehörigen kämpfen zurück. Die mexikanische Jugend stürzt sich zu hunderttausenden in diesen Kampf um Leben und Tod. Mitten drin kämpfen unsere mexikanischen IMT-GenossInnen.

Die junge Mexikanerin Alexis wurde am 8. November 2020 in Cancún (im Bundesstaat Quintana Roo) als vermisst gemeldet. Sie war eine nahe Freundin der GenossInnen von Izquierda Socialista. Das ist die mexikanische Schwestersektion vom Funke. Alexis’ Familie, unsere GenossInnen und weitere Aktivistinnen lancierten sofort eine Suchaktion. Tags darauf meldeten die lokalen Autoritäten, Alexis sei gefunden worden. Ermordet zwar, und in mehrere Teile zerlegt. Doch wäre die lokale Regierung nicht durch die Suchkampagne unter Druck gesetzt worden, hätte man wohl nie mehr etwas von Alexis gehört. 

Alexis Mord ist ein Feminizid, also ein Mord, aus dem Grund, dass sie eine Frau ist. Dieses Verbrechen hat in Mexiko Hochkonjunktur. 2018 wurden 3’580 Frauen deshalb umgebracht. Die Zahl hat sich in den letzten 6 Jahren mehr als verdoppelt. 

Wieso werden Frauen Umgebracht?

Das Phänomen der Feminizide wächst in Mexiko parallel zur wirtschaftlichen Stagnation seit den 80er-Jahren. Damals wurde das Phänomen erstmals in den Tieflohn-Exportsektoren an der US-Grenze im Norden des Landes festgestellt. Seither kommt Mexikos Wirtschaft nicht vom Fleck, das ganze Land wurde zur Tieflohnzone. Gleichzeitig explodierte der organisierte Drogenhandel. Der «Krieg gegen die Drogenbarone» der letzten Regierung ist nicht gescheitert, sondern wurde gar nie geführt. Die enge Zusammenarbeit zwischen diesen Regierungen, dem Militär und den Kartellen wurden seither bewiesen. Die Kartelle gerieten ausser Kontrolle und die Regierungen der Teilstaaten unter ihre direkte Kontrolle. Krise, Kartelle und Korruption stürzten die gesamte Gesellschaft in einen Auflösungsprozess. 

Diese materiellen Erklärungen genügen jedoch noch nicht, um die rapide Zunahme an Feminiziden im ganzen Land zu erklären. Dazu trägt nämlich auch der in Mexiko grassierende, ätzende Sexismus («Machismo») bei. Es ist die Kombination von Machismo und gesellschaftlichem Verwesungsprozess, der die Frauen dazu verdammt, den allerhöchsten Preis zu bezahlen: ihr Leben! Das für einen Zustand, für den der riesige Anteil an Frauen aus der Arbeiterklasse keinerlei Verantwortung trägt. 

Dass diese Morde nicht ausschliesslich eine Frage des Geschlechtes, sondern eine Kombination der Thematik von Privateigentum und Armut, sowie Geschlecht, sind, bezeugen die zahlreichen Morde «por pertenencia» (also «auf Grund von Eigentum»). Dabei ermorden die Drogenbanden die Frauen, Schwestern und Mütter ihrer Rivalen, um sich – via weiblichem «Eigentum» – an ihnen zu rächen.

Eine Massenbewegung für das freie Recht auf ein freies Leben

Doch wer gedacht hätte, die Frauen würden dies einfach hinnehmen, hat sich getäuscht. Seit Jahren beantworten riesige Massenbewegungen diese Phänomene, welche gerade in der Jugend weit über die Frauen selber hinausgehen. Unsere mexikanischen GenossInnen beteiligen sich an diesen, organisieren die Liga der revolutionären Frauen an den Highschools und kämpfen für die Aufklärung der Fälle an Feminizide, welche sich im engsten Umfeld der Organisation abgespielt haben. 

Dass die Feminizide weiter wüten, trotz den Massenmobilisierungen, radikalisiert gerade eine ganze Generation der Jugend. Bereits einen Tag nach dem Fund von Alexis‘ Leiche mobilisierten sich Tausende an mehreren parallelen Demonstrationen in Cancún. Die Polizei schoss am Ende in die Menge. Einige JournalistInnen wurden verletzt. Doch viele Teilnehmende, zum Teil ganze Schulklassen mit Lehrpersonal, blieben standhaft. So tief geht diese Wut gegen diese Situation und das System. 

Diese Wut flammt regelmässig in allen Landesteilen auf. Entweder sie trifft auf die offen gewalttätige Repression der lokalen Rechtsregierungen, welche direkt mit den Narcos verbandelt sind. Oder sie werden von der Bewegung um den Präsidenten Lopez Obrador gebilligt, aber für ihren Vandalismus kritisiert. Wir erkennen diese Sachbeschädigungen als Ausdruck der riesigen, legitimen Wut hunderttausender junger Frauen. Doch er isoliert die Bewegung auch von den breiten Schichten an Lohnabhängigen. 

Die Herausforderungen dieser Bewegung darf durchaus mit denen der weltweiten Klimastreiks verglichen werden. Der Kapitalismus und der bürgerliche Staat haben uns heutzutage nichts anzubieten ausser Gewalt, tödliche Verhaltensmuster und komplette Auswegslosigkeit. Die Aufgabe, die sich uns allen stellt, ist es, die breite Klasse der Lohnabhängigen auf unsere Seite zu bringen. Der Massenkampf der mexikanischen Frauen und Jugend für das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben hat das Potential, die Gesellschaft von Grund auf zu verändern. Nichts geringeres ist nötig, um den Machismus, die Kartelle und die Wirtschaftskrise zu besiegen. Doch nur der vereinte Kampf aller Unterdrückten gegen den Kapitalismus kann erfolgreich sein. Mit der Krise ist dieses System immer mehr auf Machismus, Rassismus, aber auch Umweltzerstörung, angewiesen. Diesen Kampf für die Einheit der gesamten Klasse der Lohnabhängigen gegen alle Unterdrückungs- und Ausbeutungsformen führen wir und unsere internationale Organisation, die Internationale Marxistische Strömung, weltweit.

Für die Redaktion
Caspar Oertli

Bild: Izquierda Socialista