Die 1:12-Abstimmung ist vorbei – was jetzt? Wir müssen die Angriffe der Bürgerlichen weiter konsequent bekämpfen, aber wie? Als SozialistInnen sehen wir eine Alternative zum kapitalistischen System, doch wie kommen wir dorthin? Wie können wir diese Alternative der Schweizer Jugend  aufzeigen? Diese und ähnliche Fragen verlangen nach einer Antwort in der JUSO. Sie verlangen nach einem Aktionsprogramm gegen die bürgerlichen Angriffe, gegen die Sparpakete, gegen die Krise und für eine sozialistische Alternative.

Keine Frage, trotz der Niederlage am 24. November, die 1:12-Initiative war ein riesen Erfolg. Anfangs belächelt, hat sie vor allem in den letzten zwei Jahren die Stimmung der wütenden Schweizer ArbeitnehmerInnen auf die Abzocker aufgenommen. In der Krise wurde uns gesagt, alle müssten den Gürtel enger schnallen, und damit wurden die Sparpakete, Kurzarbeit, Massentlassungen und Verschlechterungen bei den Arbeitsbedingungen begründet. Doch mussten wir bald bemerken, dass nur wir für die Krise zu zahlen haben, dass die Kapitalisten und ihre Manager ganz im Gegenteil weniger Steuern zahlen müssen und zusätzlich die Gewinne einstreichen. Als Resultat haben Banker und Manager heute, laut der Work, ungefähr die Vertrauenswürdigkeit von Zuhältern. Die 1:12-Initiative hat dieser Wut einen Ausdruck verliehen und in ein Bewusstsein kanalisiert, welches die klaren Grenzen zwischen unten und oben, zwischen der Mehrheit der Lohnabhängigen und den wenigen Konzernbossen mit ihren Handlangern aufzeigt. Die JUSO hat es so geschafft, die Logik der freien Marktwirtschaft zu hinterfragen und einen ersten Schritt getan zum Aufbau einer, auf sozialen Gegensätzen basierenden, Gegenhegemonie, einem Klassenbewusstsein. Die Frage stellt sich nun, wie wir dort anknüpfen können, um das geschaffene Bewusstsein weiter zu treiben.

Wann ist eine Initiative nützlich?

Ein Teil der JUSO überlegt sich nun ein weiteres nationales Initiativprojekt. Sie sehen kein anderes Mittel um nationale Politik zu betreiben und glauben damit direkt am Erfolg von 1:12 anknüpfen zu können. Es ist jedoch mehr als fraglich, ob wir mit einer neuerlichen Initiative denselben Effekt wie bei 1:12 erreichen könnten.
Rund um die 1:12-Initiative  konnte die JUSO ihre Mitgliederzahl von ca. 1500 auf 3000 verdoppeln und so zur grössten, aktivsten und bekanntesten Jungpartei der Schweiz werden. Wir konnten also durch diese Initiative eine weit grössere Bekanntheit erreichen, als es unsere Grösse eigentlich erlaubte, und unsere Ideen in der Bevölkerung verbreiten und so Verbündete für den Sozialismus gewinnen. Doch anschliessend wurde gleich ein neues Projekt lanciert, welches nicht annähernd dieselbe Wirkung erzielte. Die Nahrungsmittelspekulations- Initiative hatte eine viel kleinere Resonanz in der Bevölkerung, dies  vor allem deshalb, weil sie kaum an den drängenden sozialen Problemen der Schweizer ArbeitnehmerInnen ansetzt. Ausserdem hinkt eine solche Allerwelt-Initiative dem Bewusstsein der Bevölkerung eher hinten drein, anstatt dieses weiter voranzutreiben. Ein weiteres Symptom für den eher schwachen Erfolg war die Resonanz in der JUSO selbst. Im Gegensatz zur 1:12- Initiative, welche ein wichtiger Katalysator für den Aufbau der JUSO darstellte, hat die Spekstopp-Initiative kaum politische interne Diskussionen ausgelöst oder Jugendliche an uns herangezogen. Damit wurde auch stellenweise verpasst, die durch 1:12 eingetreten Mitglieder zu politisieren.

Abgesehen von der Frage des Inhalts einer neuen Initiative, zehrt ein solches Projekt auch immer an den Kräften der Partei. Es geht also nicht darum, ob das Lancieren einer Initiative grundsätzlich gut oder schlecht ist, sondern darum, zu welchem Zeitpunkt, mit welchem Inhalt und mit welchem Ziel. Sie stellt sich also nicht als prinzipielle Frage, sondern als taktische. Nur wenn wir das verstehen, gelingt es uns dieses Werkzeug richtig einzusetzen. Die Initiative dient uns also als Werkzeug zur Popularisierung unserer Ideen und  zur Mobilisierung der Jugend in der Schweiz. Sie stellt den ersten Schritt zu ihrer Organisierung in unseren, das heisst in  den sozialistischen Reihen, dar. Es kann aber nur ein erster Schritt bleiben. Eine solche Organisierung um ein Thema, um ein Projekt muss auch auf lange Sicht gefestigt werden. Andernfalls bleibt es nur ein kurzfristiger und thematisch beschränkter  Aufbau der linken Kräfte. Aus diesem Grund braucht die JUSO ein Programm, das die wichtigsten sozialen Probleme unserer Zeit festhält und sozialistische Forderungen darum herum formuliert. So können wir ein breites Bewusstsein schaffen, welches eine konkrete Alternative zur bürgerlichen Hegemonie aufzeigt.

Aufbau der JUSO

Um den Sozialismus erreichen zu können, müssen wir eine starke Organisation haben, die weiss, was sie will und wie sie dorthin kommt. Das heisst, dass wir alle Kräfte, alle Ressourcen, die wir aufbringen können für dieses Ziel einsetzen müssen. Der Aufbau der JUSO ist der einzige Weg, um den Bürgerlichen eine echte Gefahr zu werden. Initiativen und Abstimmungen wie 1:12 sind dabei eine Möglichkeit. Ebenso wichtig ist die Agitation in den politischen Feldern unserer Umgebung. Sei dies im Betrieb, in der Schule, in der Universität, im Quartier oder im Dorf. Ob in Personalkommissionen, Schülerräten, Kantigruppen, Studentenvertretungen, Jugendtreffs oder Migrantenvereinen – hier findet tagtäglich Politik statt, hier müssen wir präsent sein und uns organisieren, diese Räume wollen wir mit unseren Forderungen erobern und weiter aufbauen.

Zur Organisierung der Jugend gehören besonders der Aufbau und die Integration der Gewerkschaftsjugenden in unsere Partei. Da sie momentan der direkteste Konzentrationspunkt des Klassenkampfes sind, ist es für uns notwendig mit und in den Gewerkschaften zuarbeiten. Kampagnen und Forderungen um die unmittelbaren Interessen der Lernenden und jungen Lohnabhängigen müssen ins Zentrum unserer Politik rücken – die Organisierung der Lernenden und jungen Lohnabhängigen ist heute die Schlüsselfrage für den Aufbau unserer Partei. So werden SchülerInnen und StudentInnen auf den gewerkschaftlichen Kampf ausgerichtet und vorbereitet, während der gewerkschaftliche Kampf eng mit der Perspektive des Sozialismus verbunden wird.

Bewusstsein schaffen

Dabei muss klar sein, dass es oft eine mühselige Arbeit ist jedem einzelnen zu erklären, was unsere Ideen sind, wofür wir kämpfen und wogegen. Eine Initiative kann ein Katalysator sein für den Aufbau, doch sie kann diese langwierige und zähe Basis-Aufbauarbeit nicht ersetzen. Im Gegenteil: Nur weil jemand die 1:12 Initiative begeistert unterstützt, heisst das noch lange nicht, dass er oder sie den Sozialismus erreichen will. Diese grossen gesellschaftlichen Fragen müssen wir mit Vorträgen und Schulungen sowohl den Kontakten als auch Neumitgliedern erklären und sie so davon überzeugen, dass der Sozialismus die einzige Alternative zu diesem von Ausbeutung und Zerstörung gekennzeichneten System darstellt.

Doch auch wir selbst müssen das ganze Ausmass davon verstehen, was es heisst Sozialisten und Sozialistinnen zu sein. Wenn wir es ernst meinen damit, reicht es nicht zu sagen, dass unser Ziel eine neue Gesellschaftsform jenseits von Ausbeutung und Unterdrückung ist, wir müssen auch wissen, wie wir dahin kommen. Wir können nicht einfach B sagen, ohne zuvor A gesagt zu haben. Wir müssen eine Brücke schlagen zwischen den aktuellen tagespolitischen Forderungen und der ultimativen Forderung nach einem sozialistischen Alternative.

Wie schlagen wir Brücken?

Sozialismus heisst zuerst einmal eine demokratisch geplante Wirtschaftsform, frei von Konkurrenz und der Profitlogik des freien Marktes. Nur auf dieser Grundlage können die Probleme der Menschheit ernsthaft und nachhaltig angegangen werden. Wir wollen also die demokratische Planwirtschaft, aber wie können wir die Notwendigkeit einer solchen den Leuten erklären und diese für sie fassbar machen? Genau hier braucht es Brücken, die es uns ermöglichen bei der Lebensrealität der Schweizer ArbeitnehmerInnen anzusetzen und sie mit der sozialistischen Logik zu verknüpfen. Wir sagen: Du hast schlechte Arbeitsbedingungen und dein Chef erklärt dies mit der Krise und sagt, wir müssen alle den Gürtel enger schnallen? Wir fordern die Öffnung der Geschäftsbücher, sodass wir sehen können, wo das von uns erwirtschaftete Geld genau hinfliesst (nämlich in die Taschen der Unternehmer) und ob es dem Betrieb wirklich so schlecht geht. Du wirst entlassen oder hast Angst davor? Wir fordern die Verkürzung der Arbeitszeit bei gleichbleibendem Lohn und die Aufteilung der Arbeit auf alle ArbeitnehmerInnen. Das Recht auf Arbeit und einen zum Leben ausreichender Lohn sollte ein Grundrecht in jedem System sein. Ansonsten dient das System nicht der Gesellschaft, also den Menschen die darin leben, sondern dienen die Menschen dem System, beziehungsweise den wenigen, die davon profitieren. Die Unternehmen wehren sich gegen solche Massnahmen und drohen mit Abwanderung ins Ausland oder Kapitalausfuhr? Wir fordern die Vergesellschaftung ihres Kapitals und die Verstaatlichung des Betriebes unter Kontrolle der Beschäftigten, der Gewerkschaften und des Staates. Dient das System nicht uns, also der Mehrheit der Menschen, die darin leben und arbeiten, dann müssen wir es uns eben dienlich machen. Und dabei Rücksicht zu nehmen auf den Privatbesitz einiger weniger bedeutet nichts anderes als mit den Ideen des Sozialismus vor der Türschwelle der Unternehmen zu kapitulieren.

Wir müssen den Menschen klar machen, dass die grundlegendsten Forderungen nach einer einigermassen gut bezahlter Arbeit, nach Transparenz und einem menschenwürdigen Leben, dass diese Forderungen nicht einmal im Schweizer Kapitalismus erfüllt werden können. Und dass die Logik „was der Wirtschaft nützt, nützt uns“, keineswegs der Realität entspricht. Die von uns erwirtschafteten Profite kommen in erster Linie den Kapitalisten und ihren Managern zugute, und das, egal ob es der Wirtschaft gut oder schlecht geht. Aber steckt die Wirtschaft in der Krise müssen wir dafür aufkommen – mit unserem Lebensstandard, bis zum Rande der Existenz. Auch in der Schweiz leben so fast eine halbe Million unter dem Existenzminimum.

Unüberwindbarer Widerspruch der Interessen

Wir müssen bei der Lebensrealität der Schweizer Bevölkerung ansetzen. Was ist diese Realität? Steigende Gebühren an allen Ecken und Enden, horrende Mieten, sündhaft teure Mobilitätskosten, steigende Ausbildungskosten. Kurz und gut: alles wird teurer. Daneben Kürzungen in allen sozialen Bereichen; in der Bildung, dem Gesundheitsbereich, bei der AHV und der IV und dies unter dem schönen Sammelbegriff der Sparpakete. Begründet wird das von den Bürgerlichen mit dem fehlenden Haushaltsbudget der Kantone und des Bundes. Wir erklären den Menschen, dass sehr wohl genug Geld da ist, es wird einfach bei einem Prozent der Gesellschaft gehortet. Das eine Prozent, das in der Schweiz mehr besitzt als der Rest der Bevölkerung. Wir alle schaffen den gesellschaftlichen Reichtum, er kommt einfach nur ein paar wenigen Abzockern zugute. Und dann haben sie auch noch die schon fast lächerlich anmutende Frechheit, uns bei einer 1:12-Initiative als neidisch und gierig hinzustellen.

Doch wir lassen uns nicht entmutigen. Dieser Reichtum gehört uns allen, wir lassen uns nicht auspressen für Milliardenboni und Zürichbergvillen. Stattdessen fordern wir die sofortige Rücknahme aller Sparpakete, gratis ÖV und Bildung, bezahlbare Mieten und eine Einheitssozialversicherung, die allen zugutekommt. Wir erklären auch, woher das Geld für die Umsetzung dieser Forderungen kommen muss: Die Aufhebung der Unternehmenssteuersenkungen der letzten Jahre, massive Besteuerung von Vermögen, hohen Einkommen, Kapitalgewinnen, Erbschaften und Finanztransaktionen werden Milliarden in die öffentlichen Kassen spülen. Diejenigen, die sich schamlos am gesellschaftlich erwirtschafteten Vermögen bereichern, müssen endlich zur Kasse gebeten werden.

Hier wird offensichtlich, dass wir nicht einfach nur schöne Ideen präsentieren. wir ziehen ganz klar die Trennlinie zwischen den vermögenden Besitzern und den restlichen 99%, die für diese Vermögen aufkommen müssen. Sie haben ihre konkreten materiellen Interessen, wir haben unsere. Dies ist ein unüberwindlicher Widerspruch, den wir als Widerspruch der Klasseninteressen definieren. Kämpfen wir also in den jetzt aufkeimenden Streiks und Demonstrationen, bringen wir unsere Forderungen ein und erklären, dass die Sparmassnahmen grundsätzlich bekämpft werden müssen, so dürfen sich diese Proteste  nicht nur gegen die Sparmassnahmen richten, sondern müssen sich auch und vor allem gegen die Privilegien der Bonzen richten. Dies ist der entscheidende Schritt, um uns als Masse gegen die 1% zu stellen und uns über unsere Interessen im Gegensatz zu ihren zu definieren, also eine konkrete Gegenhegemonie, eine bewusste Klasse aufzubauen.

Widerstand auf allen Ebenen!

Die immer weiter zunehmenden bürgerlichen Angriffe bieten uns ungeahnte Möglichkeiten, in der Aktion wirksam dagegen vorzugehen. Die JUSO Kanton Zürich hat gerade mit ihrer Aktion „ZKB-CEO“ vorgemacht, wie man einen angeschlagenen CEO wirksam öffentlich treffen kann. Die Winterthurer JUSO hat zusammen mit der Gewerkschaftsjugend die Polizeivorsteherin in arge Erklärungsnot gebracht. Die Basler JUSO hat mit der Gewerkschaftsjugend zusammen ein paar Flyer wegen eines ermordeten Gewerkschafters bei Nestlé verteilt, worauf die Polizei überstürzt und agressiv reagierte, und in Luzern führte die JUSO sogar einen ganzen Schülerstreik an. Die Bürgerlichen sitzen nicht mehr so fest im Sattel wie auch schon. Es ist unsere Aufgabe,  ihre wahren Interessen zu entblössen und ihre Schwächen für unseren Kampf auszunutzen.

Wer in diesem Lande an soziale Gerechtigkeit denkt, soll lernen, dabei zuerst an uns zu denken. Mit der 1:12- Initiative haben wir gesehen, welches Potential unsere Ideen in der Schweizer Bevölkerung und vor allem bei den Jugendlichen haben. Dieses Potential gilt es zu nutzen und das allgemeine Bewusstsein für den Sozialismus voranzutreiben. Wir müssen lernen, jede Form sozialen Protests in diesem Lande aufzugreifen, zu fördern und zu führen. Jeder Widerstand muss von uns in die sozialistische Logik eingeordnet werden. Genau das wollen wir jetzt mit unserem Aktionsprogramm und unseren konkreten, widerständigen Aktionen auf der Strasse erreichen. Mit einem Aktionsprogramm wissen wir, wo es hingehen soll. Mit unseren Aktionen gewinnen wir das Vertrauen der Mehrheit. Wir sind der Widerstand auf allen Ebenen!