Mit der geplanten Erhöhung des Frauenrentenalters wollen die KapitalistInnen die Krise auf uns abschieben. Die SP bereitet bereits einen Kompromiss vor. In Rentenfragen konnte die Linke oft Teilsiege erringen. Zeit, in dieser Frage in die Offensive zu gehen. (April 2021)

Ursprünglich erschienen im Funke #99, April 2021.

Auf 68 Jahre, so der Bundesrat, müsse das Rentenalter angehoben werden, damit die AHV zumindest bis 2040 «gerettet» werden könne. Eine Alternative sei eine Erhöhung der Mehrwertsteuer (MWST) um gleich drei Prozent: So düster die Perspektive längerfristig ist, mit der «AHV 21» probt die Bundesregierung bereits die erste grosse Konterreform. In einem ersten Schritt soll hier die MWST um bis zu 0,4% und das Frauenrentenalter auf 65 Jahre erhöht werden, was SGB und Teile der SP dazu bewog, die Kampagne «Hände weg von den Frauenrenten» ins Leben zu rufen.

Gewiss: Das Rentensystem ist reformbedürftig, die Lage der Frau in der Altersvorsorge ist prekär. Altersarmut droht vielen, ein Fünftel der Rentnerinnen ist davon betroffen. Fehlende Beitragsjahre, tiefe Löhne und mangelnde Ersparnisse gehören zu ihren Problemen. Doch beweist die AHV 21, dass sie als bürgerliche Reform diese fundamentalen Probleme vor und während der Rente nicht lösen kann. Stattdessen bietet sie Frauen eine längere Beschäftigung und insgesamt weniger Geld. Eine MWST-Erhöhung trifft insbesondere tiefe Einkommen hart und somit verstärkt Frauen und Rentnerinnen.

Was hier von Bundesrat und Bürgerlichen als objektiv notwendige Rettungsmassnahme oder sogar als  «endliche Gleichberechtigung» verkauft wird, ist in Wahrheit der Versuch, ganz auf dem Rücken der ArbeiterInnen die AHV zu sanieren, nachdem Jahrzehnte liberaler Steuerpolitik ihre Finanzierung stetig erschwert haben. Und auch wenn sich SP und SGB jetzt wegen des symbolträchtigen Frauenrentenalters gegen die AHV 21 aussprechen, so ist die MWST-Erhöhung unkontrovers und die Führung dieser Organisationen grundsätzlich damit einverstanden, dass «Kompromisse» wie die STAF bei der AHV wünschenswert sind. Nicht nur akzeptieren die Führungen die MWSt-Erhöhung schon im Vorfeld, in der Hoffnung, damit wenigstens das Frauenrentenalter zu schützen. Sondern sie haben die aktuelle Lage sogar mitverschuldet, indem sie auch in Vergangenheit Kompromisse und Teilniederlagen akzeptierten, statt stetigen Verschlechterungen eine konsequente und kämpferische Linie entgegenzusetzen.

Volkspension statt Profitrente

Was für ein würdiges Alter für alle nötig wäre, ist bereits vorhanden. Angesichts des gesellschaftlichen Reichtums wäre die Zeit sogar reif für eine Senkung des Rentenalters sowie eine Erhöhung der Renten! Doch einerseits ist es lukrativ, ArbeiterInnen so lange wie möglich Profite generieren zu lassen. Andererseits ist es für die KapitalistInnen wichtig, den grösstmöglichen Teil der Altersvorsorge von ArbeiterInnen berappen zu lassen. Dieser Teil vergrössert sich durch Massnahmen wie eine MwSt-Erhöhung. Die ausbezahlte Rente fliesst dann über Mieten oder Gesundheits- und Pflegekosten direkt in die Taschen der KapitalistInnen. Auch die Pensionskassen sind eng in das Rentensystem eingebunden und profitieren: Dies garantiert ihnen einen stetigen Kapitalfluss, der weiter investiert werden kann und heute auf fast 900 Milliarden Franken angewachsen ist. Für sie gilt: Je mehr Geld reinkommt und je weniger raus muss, desto besser.

Erkennen wir, wie das aktuelle Rentensystem den wirtschaftlichen Interessen verschiedener KapitalistInnen entspringt, dann erkennen wir auch, was eine fortschrittliche AHV-Reform auszeichnet: Sie vertritt mit harten Bandagen die Interessen der RentnerInnen und ArbeiterInnen. Das bedeutet zuerst eine bedingungslose Ablehnung der Frauenrentenalter- und MWSt-Erhöhung. Es muss aber auch bedeuten, die Rentenprobleme von Frauen und anderen endlich ernst zu nehmen und eine Volkspension zu erkämpfen, die allen ein würdiges Alter ermöglicht – egal, wieviel eingezahlt oder gespart wurde. Das wäre endlich eine Rentenreform, die den Lebensstandard von Frauen und allen anderen deutlich heben könnte.

SP und SGB an die Arbeit!

Solche Forderungen müssen direkt an SP und Gewerkschaften gerichtet werden. Zwar ist es löblich, dass die Erhöhung des Frauenrentenalters auf ihren Widerstand stösst. ArbeiterInnen müssen aber mehr von ihren Organisationen erwarten dürfen: SP und SGB müssen sich dazu bekennen, dass auch die MWSt-Erhöhung inakzeptabel ist und dass auch bei der Beibehaltung des Frauenrentenalters 64 keine Verschlechterungen akzeptiert werden! Statt sich dafür zu rühmen, hin und wieder Teile des Status Quo verteidigen zu können, müssen SP und SGB die Lektion ziehen: keine Kompromisse und Kuhhandel wie die STAF mehr, sondern zuallererst die bedingungslose Verteidigung des aktuellen Niveaus!

Möchten SP und SGB in Zukunft die Rente sogar verbessern, führt nichts daran vorbei, die AHV als das zu sehen, was sie ist: ein andauernder Verteilungskampf zwischen ArbeiterInnen und KapitalistInnen, der nur durch offensive Reformen, Mobilisierungen und eine tiefere Verankerung bei den ArbeiterInnen geführt werden kann – durch die Methoden des Klassenkampfes also.

Patrick Côté
JUSO Stadt Zürich