Die SP will Steuergeschenke für Konzerne nur mit angeblich sozialer Kompensation. Im Kanton Waadt zeichnet sich ab, wer dafür wirklich bezahlen muss: die arbeitende Bevölkerung. Die Linke muss den Kampf gegen Steuerprivilegien und Rentenklau organisieren.

SP–Finanzdirektorin Eva Herzog war «superoberglücklich.» Am 10. Februar wurde ihr Projekt zur kantonalen Steuervorlage 17 mit fast 79% angenommen. Herzog konnte für den «Basler Kompromiss» fast alle Parteien gewinnen. Die Vorlage beinhaltete Steuergeschenke an Unternehmen von jährlich 130 Millionen Franken. Die SP liess sich von den Versprechen auf höhere Prämienverbilligungen, Familienzulagen und höhere Steuerabzüge für Gesundheitskosten überzeugen.

Kompensation? Ausverkauf!
Ganz anders in Bern: Letzten November wurde eine Steuerreform an der Urne erfolgreich abgewehrt. Das Referendum wurde unter anderem von der SP ergriffen. Diese beiden Fälle erscheinen widersprüchlich. Dennoch entsprechen beide der SP-Linie. Die JUSO stellt diese praktisch als einzige in Frage. Auch Herzog erklärte damals: «Der Fall Bern zeigt im Hinblick auf die kantonale Umsetzung der Steuervorlage, dass Gewinnsteuersenkungen ohne angemessene soziale Ausgleichsmassnahmen zum Scheitern verurteilt sind.»

Die SP ist also bereit, Steuergeschenke mitzuverantworten, wenn dafür «soziale Ausgleichsmassnahmen» eingeführt werden. Die Notwendigkeit solcher Privilegien wird damit von Anfang an als alternativlos akzeptiert. Statt gegen Steuerprivilegien zu kämpfen, begnügt man sich mit der Rolle des linken Feigenblatts.

Katastrophal ist auch die Haltung der SP auf nationaler Ebene. Levrat verkauft die Steuerreform und AHV-Finanzierung (STAF), als wäre damit eine Erhöhung des Rentenalters vom Tisch. Währenddessen sprechen CVP und FDP offen über die Erhöhung des Frauenrentenalters. Wie locker die Bourgeoisie die Kompensationen der aktuellen Vorlage wegsteckt, beweist die Tatsache, dass die SVP sogar auf eine Nein–Kampagne verzichtet. Kein Wunder: Schliesslich sollen wir diese «Ausgleichsmassnahmen» durch höhere Lohnbeiträge grösstenteils selber finanzieren. An diesen Beispielen zeigt sich klar, dass die arbeitende Bevölkerung bei Deals mit Bürgerlichen nichts zu gewinnen hat. Wenn die SP weiterhin Steuergeschenke als alternativlos akzeptiert, wird sie nur noch weiter an Profil verlieren. Diese Entwicklung beobachten wir in fast allen sozialdemokratischen Parteien: die französische PS ist beispielsweise total kollabiert – und in Deutschland fürchtet die SPD um ihr Überleben.

Rote Zahlen im Kanton Waadt
In Basel erinnert die Ausgangslage nun an den Kanton Waadt im Jahr 2016. Auch damals hat die SP einen Deal mit den Bürgerlichen geschlossen und eine kantonale Steuerreform im Austausch für «soziale Ausgleichsmassnahmen» unterstützt. Das Referendum der Gewerkschaften, JUSO und der linksalternativen SolidaritéS scheiterte an der Urne. Die Auswirkungen sehen wir heute klar und deutlich.

Zwar hat der Kanton Waadt für 2019 seine Sozialausgaben sogar erhöht, doch in den Gemeinden häufen sich die Defizite. So rechnet beispielsweise Lausanne für 2019 mit einem Minus von 42 Millionen Franken. Ohne die kantonale Steuerreform von 2016 wären es nur 14 Millionen. Auch die Gemeinden Vevey, Montreux und Nyon haben Steuerausfälle und Defizite wegen der Steuerreform. Besonders drastisch trifft es die kleine Gemeinde Rolle. Trotz Steuererhöhungen und Sparmassnahmen fehlen dieses Jahr 1.6 Millionen, um den laufenden Betrieb der Gemeinde zu decken.

Inzwischen sah sich der Kanton gezwungen zu intervenieren. Die Gemeinden erhalten eine einmalige Zahlung von 50 Millionen Franken, die entsprechend den Steuerleistungen von Unternehmen zwischen 2015 und 2017 aufgeteilt werden. Zusätzlich übernimmt der Kanton ab 2020 die Kosten für Spitex-Leistungen vollständig, statt wie bisher nur zu zwei Dritteln.

Die Konsequenzen der Sparmassnahmen können hin und her geschoben werden. Schlussendlich fehlt aber irgendwo Geld.»

Das Bild ist klar: Die kantonale USR 3 hat zu Defiziten bei den Gemeinden geführt, welche nun vom Kanton kompensiert werden müssen. Dadurch wird das kantonale Budget unter Druck kommen. Man kann also im Kanton Waadt ab 2020 mit einem Defizit und mit Sparmassnahmen im Kantonsbudget rechnen. Die Konsequenzen der Sparmassnahmen können hin und her geschoben werden. Schlussendlich fehlt aber irgendwo Geld. Ob mit oder ohne «sozialen Ausgleich» führen Steuergeschenke unweigerlich zu Sparmassnahmen. Auch in Basel-Stadt werden die Kompensationen nicht ewig finanzierbar sein, sondern früher oder später zu Abbau führen. Was Eva Herzog, darauf angesprochen, offen zugibt.

Vom Aufbau einer Opposition
Für die arbeitende Bevölkerung, die auf die öffentlichen Dienste angewiesen ist, ist der Kampf gegen Steuergeschenke also wichtig. Ein kurzfristiges, auf eine Abstimmungsvorlage bezogenes Bündnis aus Gewerkschaften und JUSO reicht nicht aus, um die SP und alle bürgerlichen Parteien zu schlagen.

Um zu gewinnen müssen wir weiter planen, als bis zum nächsten Abstimmungssonntag. Die aktuellen Abwehrkämpfe müssen genutzt werden, um Schlagkraft für zukünftige Kämpfe aufzubauen. Das bedeutet, die Mehrheit der Lohnabhängigen für ein sozialistisches Programm zu gewinnen.

Es reicht nicht, linkere Personen zu wählen. So hat beispielsweise Cédric Wermuth die Parteileitung für den STAF-Deal öffentlich kritisiert. Bei der Abstimmung im Nationalrat enthielt er sich jedoch. Dieses Einknicken macht die Grenzen der sogenannten «JUSOfizierung» der SP deutlich. Stattdessen muss die Forderung nach Abschaffung aller Steuerprivilegien offensiv in die ArbeiterInnenbewegung getragen werden.

Auch in der Schweiz sind viele nicht mehr bereit, den Status Quo einfach so hinzunehmen. Die Abstimmungen zur AV2020 und der USR3 haben tiefes Misstrauen gegenüber der Wirtschaft und der classe politique zum Ausdruck gebracht. Solange die SP mit den Bürgerlichen Deals im Hinterzimmer schliesst und Steuergeschenke an Unternehmen verteilt, wird sie als Teil dieser classe politique angesehen werden. Die Lohnabhängigen brauchen keine vergifteten Ausgleichsmassnahmen. Sie brauchen kämpferische Organisationen zur Verteidigung ihres Lebensstandards. Die JUSO muss ihre Aufgabe als stärkste linke Partei der Schweiz wahrnehmen. Sie ist in einer einmaligen Lage, um die Forderungen sowohl in Jugendbewegungen, der SP und den Gewerkschaften zu vertreten.

Wir dürfen uns keine Illusionen machen: Die jetzige Reform stellt einen Angriff auf unsere Renten dar. In Zukunft wird auch die Rentenaltererhöhung wieder auf dem Tisch sein. Aus diesem Grund müssen wir heute für Renten kämpfen, die zum Leben reichen. Finanziert werden sollen diese durch ersatzlose Abschaffung der Steuerprivilegien und Erhöhung der Unternehmens- und Vermögenssteuern.

Flo Degen
VPOD Basel-Stadt

Illustration: Truthout / Rodriguez