[dropcap]B[/dropcap]is zum Schluss war es spannend an der Delegiertenversammlung der JUSO. „Kapital statt Arbeit besteuern“ ist der Initiativvorschlag, der sich durchgesetzt hat. Hat dieses neue JUSO-Projekt das Zeug dazu, zur nächsten 1:12 zu werden? Wir durchleuchten den vorgeschlagenen Steuermechanismus ein erstes Mal.

Vor der letzten JUSO-Delegiertenversammlung haben wir ausführliche Analysen und Kritiken über fast alle Vorschläge der Initiativwahl publiziert. In diesem Beitrag geht es nicht darum, noch einmal Stärken und Schwächen der Initiative für die JUSO durchzukauen. Wir wollen lieber ein Gedankenexperiment machen und uns dadurch auf die Debatte vorbereiten, welche diese Initiative provozieren wird. Einerseits wollen wir anschauen, welche Diskussion sie in der Linken, aber auch bei unorganisierten ArbeiterInnen, SchülerInnen und Lernenden auslösen wird; andererseits welche Argumente und Drohungen unsere politischen Gegner, die VertreterInnen der Kapitalfraktion, uns 24 Stunden lang an den Kopf werfen werden. Die Art unserer Argumentation wird bestimmen, welchen Einfluss diese Initiative auf unsere Partei, ihr Wachstum, aber auch auf das politische Kräfteverhältnis in der Schweiz haben wird.

Die JUSO hat bereits mehrmals gezeigt, dass sie in der Lage ist, grosse und wichtige linke Debatten anzureissen. Deshalb ist es wichtig, Selbstbewusstsein zu zeigen. Es ist korrekt, mit einer Initiative einen Frontalangriff auf die Kapitalistenklasse zu lancieren und sie dort zu treffen, wo es schmerzt – beim Kapital.

Eine Diskussion lostreten

Das Potential des Initiativprojektes „Kapital statt Arbeit besteuern“ sehen wir in drei wichtigen Elementen: Erstens dem Namen, welcher die Diskussion sofort auf eine korrekte, klassenkämpferische Ebene stellt. Zweitens dem Ziel, also der Bestrebung, den Bonzen das wegzunehmen, was sie uns täglich „enteignen“: den Mehrwert, der zu ihrem Kapital wird (mehr dazu später). Und drittens den Diskussionen, die man während dem Sammeln und der Kampagne haben kann.

Diese Diskussionen in den bürgerlichen Medien, in Zeitungen und Tele-Arenen oder auf der Strasse und an den Schulen bzw. Arbeitsplätzen, enthalten ein grosses Potential. Für dieses letzte Element ist es aber wichtig, dass die JUSO die Diskussion auf einem festen, marxistischen Fundament angeht. Denn sonst kann man schnell in eine defensive Argumentation à la „Beruhigt euch, wir wollen ja gar nichts Grundlegendes verändern!“ zurückfallen.

Was bedeuten die grossen Worte?

Der Initiativtitel verwendet zwei grundlegende marxistische Kategorien: Kapital und Arbeit. Nutzen wir die Gelegenheit, um diese kurz genauer anzuschauen, denn von Kapital und Arbeit zu reden verpflichtet auch, sich mit diesen Begriffen auseinanderzusetzten und sie zu verstehen. Das geht nicht, ohne die Grundfunktionsweisen des uns aufgezwungenen herrschenden Systems – des Kapitalismus – zu studieren. Für eine sozialistische Organisation wie der JUSO ist das eine einmalige Gelegenheit.

Einige Beispiele aus dem Projekttext zeigen klar, worum es geht: „Die Enteignung der Lohnabhängigen wird endlich deutlich gemacht, die im Hintergrund erwirtschafteten Kapitalgewinne werden ins Zentrum der Debatte gerückt.“ Dass sich die JUSO dieses Ziel setzt, ist ausserordentlich gut. Dabei gehen sie klar vom Prinzip aus, das von Marx erkannt wurde: dem der Ausbeutung. Im gleichen Text erklären sie: „Geld arbeitet nicht. Menschen arbeiten. Die Superreichen erhalten Renditen, die letztlich bei den Löhnen fehlen.“

Die kapitalistische Produktionsweise basiert auf der Ausbeutung der Lohnabhängigen. Das heisst nicht (unbedingt), dass man schuftet wie jemand in einer Kongolesischen Coltan-Mine. Sondern der Kern der Ausbeutung liegt darin, dass alle Lohnabhängigen mehr Wert schaffen, als sie in Form von Lohn zurückerstattet bekommen. Einen Teil des erarbeiteten Wertes – den „Mehrwert“ – behält der Kapitalist oder die Kapitalistin. Darauf basieren schlussendlich Profit, Zins, Dividenden, etc. Durch ihre Anhäufung entsteht Kapital, welches dann wieder investiert wird zum Zweck, von den Angestellten vermehrt zu werden. Dieses Wachstum – die Kapitalakkumulation –, ist nicht ein Fehler dieses Systems, sondern ihr Motor.

Es ist unser ausgesprochenes Ziel, dass wir „diese Umverteilung von unten nach oben […] jetzt wieder aus[gleichen].“ Denn dieser Schritt kommt der Überwindung des Kapitalismus gleich. Für eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Gegensatz von Kapital und Arbeit verweisen wir auf die Einführungsbroschüre „Lohn, Preis, Profit“ von Karl Marx (speziell Kapitel 6Wert und Arbeit‘).

Fordern heisst Bewegen

In technischer Hinsicht bleibt das Projekt eine Steuerinitiative. Sie verlässt sich auf die Ausführung durch den bürgerlichen Staat, hantiert mit abstrakten Konzeptionen („auf Verfassungsebene eine Definition von Kapitaleinkommen schaffen“) und propagiert einen bestimmten Faktor (Kapitaleinkommen sollen 1.5 Mal mehr besteuert werden als „Arbeitseinkommen“). Das tönt schwer nach „gähn“. In der Diskussion dürfen wir uns nicht in technischen Diskussionen über Prozente und Mechanismen festrennen. Unser Ziel ist nicht die widersprüchliche und schwammige Konzeption der sogenannten „Verteilungsgerechtigkeit“. Denn wenn man den Gegensatz von Arbeit und Kapital versteht, sieht man, dass es niemals eine gerechte Verteilung zwischen zwei sich gegenüberstehenden Klassen geben kann. „Superreiche müssen erklären, warum sie sich die Hälfte des gesellschaftlich erarbeiteten Reichtums nehmen.“ Das können sie nicht.

Arbeitsplätze! Wirschaftsstandort! Zeter! Mordio!

Die Argumente der Bürgerlichen – es sind Drohungen – können wir uns jetzt schon ausmalen. Da wir einen Kern ihrer Macht angreifen, wird ihre Antwort gepfeffert sein. Davor müssen wir uns nicht scheuen. Die Stärke ihres Gegenangriffes bestätigt die Korrektheit unseres Anliegens. Wir dürfen nicht zurückweichen. „Verlust von Arbeitsplätzen!“ und „Tod des Wirtschaftsstandortes Schweiz!“ werden die Kapitalistinnen garantiert schreien. Dazu noch abenteuerliche Rechenexperimente, wieso wir uns selber schaden würden.

Doch gerade Drohungen wie Investitionsboykott und Kapitalflucht ins Ausland sind nicht nur Geschwätz. Innerhalb dieses Ausbeutungssystems haben die einen alle Macht und die anderen bloss die „Freiheit“, ihre Arbeitskraft zu verkaufen. Wir müssen die Initiative dazu nutzen, aufzuzeigen, wie wir aus diesem Teufelskreis ausbrechen können. Das machen wir nicht, indem wir uns auf Diskussionen über Prozente und Abwanderungsgründe einlassen. Werfen sie uns Enteignung vor, dürfen wir nicht antworten: „Eine faire Besteuerung hat nichts mit ‚Wegnehmen‘ zu tun“ (wie dies die JUSO Zürich in einer anderen Steuerinitiative tut). Wir müssen forsch auftreten und dürfen unsere Absichten nicht leugnen. Dazu können wir auf die demokratisch verabschiedeten Forderungen aus dem Aktionsprogramm der JUSO von 2014 zurückgreifen:

„Beginnt ein Betrieb zu entlassen oder droht mit Abwanderung, fordern wir dazu auf den Betrieb unter der demokratischen Kontrolle der Lohnabhängigen zu verstaatlichen. Weiter müssen Unternehmen mittels Kapitalausfuhrkontrollen an der Abwanderung gehindert werden. Die Kapitalisten dürfen gerne das Land verlassen, doch der von uns erarbeitete Reichtum, beziehungsweise die Produktionsmittel bleiben hier. Wenn die Schlüsselindustrien in die öffentliche Hand übergehen, können sie der Profitlogik entzogen und dem Willen der Menschen unterstellt werden. Damit erhalten die Lohnabhängigen die Mittel um längst fällige Änderungen in der Wirtschaft zu planen und durchzusetzen: Den Stopp der Plünderung von Ressourcen in Drittweltländern und die sofortige Einleitung der Energiewende.“

Werden in der bürgerlichen Demokratie die materiellen Interessen der KapitalistInnen direkt angegriffen, begnügen sie sich nicht damit, die Sache in der abstrakten Sphäre der „Steuergerechtigkeit“ auszudiskutieren. Sie verwenden ihre dominante wirtschaftliche Position, um ihre Interessen zu verteidigen. Hier ist unsere einzige Möglichkeit zu beweisen, dass wir bereit sind, weiterzugehen. In erster Linie indem wir offen erklären, dass es nicht unser Ziel ist, diesem ausbeuterischen System einen Schein von Gerechtigkeit zu verpassen, sondern dass wir in der Absicht, „diese Umverteilung von unten nach oben“ zu durchbrechen bereit sind, das ganze System zu überwinden.

Auf in den Kampf!

Das Initiativprojekt hat das Potential, eine stürmische Debatte loszutreten. Gleichzeitig ist es eine Chance, die Argumentation der Schweizer Linken auf eine seriösere politische Ebene zu heben. Ob die Kampagne einen längerfristigen Eindruck hinterlassen wird, entscheidet sich mit der Argumentation, mit den Begleitforderungen zur Initiative, sprich mit dem politischen Programm, welches die JUSO um das Projekt herum verteidigt. Diese dürfen unsere offensive Forderung nicht abschwächen, sondern sollen aufzeigen, dass wir sehr wohl konkrete Antworten darauf haben, wie die Gesellschaft organisiert werden kann, wenn man die Macht des Kapitals bricht.

Das Projekt hat aber auch das Potential, mutig mit unseren Ideen auf die Jugend zuzugehen und dort die Diskussion über Ausbeutung, die politische Macht der KapitalistInnen, die Machtlosigkeit der Demokratie usw. aufzunehmen. Die marxistische Strömung der Funke/l’étincelle wird sich energisch an dieser Kampagne beteiligen. Unserer Ansicht nach birgt „Kapital statt Arbeit besteuern“ die Fähigkeit, diese Diskussionen, an denen sich unsere Strömung seit ihrer Existenz regelmässig und fundiert beteiligt, an die Leute zu tragen. Als sozialistische Organisation darf sich die JUSO nicht erlauben, diese Chance zu verpassen. Dazu werden auch wir unser Bestes beitragen.