[dropcap]A[/dropcap]nstatt den Migrationsdiskurs aktiv mitzugestalten, beschränkt sich die Linke auf die Verteidigung der „humanitären Tradition“ und versucht den Abbau von Menschlichkeit in Grenzen zu halten. Die JUSO hat richtigerweise erkannt, dass sich dies ändern muss und möchte mit dem Migrationspapier, welches an der kommenden Jahresversammlung behandelt wird, eine Alternative zum rassistischen Diskurs der bürgerlichen Kräfte und eine Handlungsanleitung präsentierten.

Das Papier der JUSO beginnt mit der Analyse der Fluchtursachen. Richtigerweise wird hier die Verbindung von Migration/Flucht mit dem globalen Kapitalismus gemacht. Dieser fördert die Ungleichheit zwischen den Regionen und den Klimawandel, durch welchen viele Leute in Entwicklungsländern ihre Existenzgrundlage verlieren. Zudem führen Interventionen imperialistischer Grossmächte zur Sicherung von Rohstoffquellen und Absatzmärkten regelmässig zu Instabilität und kriegerischen Auseinandersetzungen.

Leider wird dieser Ansatz nicht konsequent weitergeführt. Anstatt klare Forderungen aus dieser Erkenntnis abzuleiten, besteht der Katalog aus nicht zusammenhängenden Punkten, die sich auf einzelne Aspekte und Folgen des globalisierten Kapitalismus beziehen. So werden zum Beispiel Kriegsmaterialexporte kritisiert, internationale Konzerne zur Einhaltung von Gesetzen und den Menschenrechten angehalten, und mehr Umweltschutz gefordert. Damit wird suggeriert, dass es möglich ist, unter kapitalistischen Bedingungen die grossen Konzerne zu verantwortungsvollem Handeln zu bewegen. Eine Annahme die der antikapitalistischen Analyse im Papier diametral widerspricht. Auch die übrigen Forderungen gehen von einer Reformierbarkeit des Systems aus. Selbstverständlich unterstützen wir alle Massnahmen, welche das Leben der MigrantInnen verbessern und darauf abzielen Konflikte zu verhindern. Jedoch müssem neben der konkreten Hilfe auch die Mechanismen hinter der sozialen Ungleichheit benannt und aufgegriffen werden.

Imperialismus und seine Auswirkungen
Zu diesen Mechanismen zählt der Imperialismus. Diese Tatsache wird im Papier zwar aufgegriffen. Aber die Analyse bezieht sich vor allem auf Handlungen von Staaten und es wird ausser Acht gelassen, dass der Imperialismus heutzutage nicht mehr primär durch direkte Beherrschung und Intervention, sondern durch wirtschaftliche Abhängigkeit ausgeübt wird. Es ist wichtig zu verstehen, wie diese Abhängigkeit überhaupt entsteht. Die Konkurrenz zwischen den KapitalistInnen, gepaart mit zyklisch wiederkehrenden Überproduktionskrisen, führt über die Zeit zu einer immer stärkeren Konzentration von Kapital. Die weniger erfolgreichen Unternehmen werden übernommen oder geschlossen, was zur Bildung von Monopolen führt. Wir leben heute in einer Welt, deren Wirtschaft von wenigen Grossbanken und multinationalen Konzernen, welche grösstenteils in den Industrienationen beheimatet sind, kontrolliert wird. Diese dominieren weniger entwickelte Staaten und beuten dort ArbeiterInnen schamlos aus, wobei sie von ihren „Heimatländern“ tatkräftig durch günstige Bedingungen, wie tiefe Steuern und gute Infrastruktur, unterstützt werden. Selbst wenn viele Entwicklungsländer demokratische Strukturen aufweisen, sind ihrer Politik enge Grenzen gesteckt. In vielen Länder streitet sich die Bourgeoisie mehrheitlich darüber, wer die „Bestechungsgelder“ der internationalen Bourgeoisie einstecken und vom Ausverkauf an Land und Rohstoffen profitieren darf. Versuchen diese Staaten trotzdem, sich von der wirtschaftlichen Abhängigkeit zu lösen, sehen sie sich mit internationalen Patentrechten, Schiedsgerichten und diskriminierenden Freihandelsabkommen konfrontiert, was dies schlussendlich verunmöglicht. Schlimmstenfalls müssen sie gar damit rechnen, durch militärische Interventionen in Gewalt und Chaos gestürzt zu werden, wie die Fälle von Syrien oder Lybien zeigten.

Auf zum letzten Gefecht!
Internationale Konzerne wie Nestlé oder Glencore richten in Entwicklungsländern enormen Schaden an, ohne dass man sie – im Rahmen des Kapitalismus – zur Verantwortung ziehen kann. Allein durch Reformen kann weder in Entwicklungsländern noch in den Industrienationen das verursachte Leid verhindert werden. Damit die arbeitende Bevölkerung in Entwicklungsländern ihre Situation vor Ort verbessern kann und nicht länger Migration als einzigen Ausweg sieht, reicht es nicht, die dortigen Regierungen auszuwechseln. Vielmehr müssen internationale Konzerne übernommen und unter ArbeiterInnenkontrolle gestellt werden. Damit die JUSO eine breitere Masse für diesen Kampf gewinnen kann, sollte sie ein zusammenhängendes Programm verabschieden, das darauf abzielt die revolutionären Kräfte aufzubauen. Dazu müssen wir Forderungen aufstellen, welche die Brücke schlagen zwischen den brennendsten Problemen der Flüchtenden und allen anderen vom Kapitalismus ausgebeuteten Menschen. Denn letztendlich ist nur ein gemeinsamer Kampf aller ArbeiterInnen in der Lage, das System zu stürzen und damit das Elend zu beenden. Kern eines solchen Programms müssen die Forderungen nach der Enteignung der Multinationalen Konzerne, nach dem freien Niederlassungsrecht und nach gleichen Rechten für MigrantInnen sein. So könnten wir dazu beitragen, dass die konkrete Lebenssituation von Geflüchteten besser wird und eine klare antikapitalistische Perspektive aufgestellt wird. Um dies zu können, ist es nicht wie im JUSO Papier genügend, zu internationaler Solidarität aufzurufen. Stattdessen sollten wir daran arbeiten, eine starke revolutionäre Internationale aufzubauen und uns darauf vorbereiten, den Kampf unserer GenossInnen zu unterstützen, indem wir Konzerne wie Nestle unter unsere Kontrolle bringen und ihr gesamtes produktives Potential durch eine demokratische Planung der Menschheit zur Verfügung stellen.

Julia Münch & Lukas Schuhmacher
JUSO Stadt Bern & Sursee