Lukas Nyffeler kandidiert als Mitglied der marxistischen Strömung der funke für die Geschäftsleitung der JUSO. In seinem Programm erklärt er, wie wir mit der JUSO die Überwindung des Kapitalismus vorantreiben können. Lukas sagt, dass dafür sowohl „die Analyse der ökonomischen, sozialen und politischen Lage“ als auch die aktive Beteiligung anallen „Kämpfen“ und Widerstandsbewegungen unabdingbar sei. Er nennt dies die „Einheit von Theorie und Praxis“. Doch was heisst das?

Die verheerenden Auswirkungen der Krise des Kapitalismus spüren heute auch die Menschen in der Schweiz sei dies direkt am eigenen Leib wie beispielsweise durch Sparmassnahmen oder indirekt über Berichte zu Flüchtlingselend und imperialistischen Kriegen.

Durch diese Erfahrungen beginnen sie das System in Frage zu stellen und nach neuen Antworten zu suchen. Als Sozialist*innen wissen wir, dass wir uns zusammentun, uns organisieren müssen. Denn deshalb sind wir alle der JUSO beigetreten: Um gemeinsam für den Sozialismus zu kämpfen. Dass bisher nur eine kleine Minderheit der Jugendlichen und Lohnabhängigen zu dieser Einsicht gekommen ist, überrascht uns Sozialist*innen allerdings nicht. Denn der Kapitalismus ist ein System, welches überall auf Konkurrenz zwischen den Menschen beruht, auf dem Arbeitsmarkt, an der Schule und an der Uni, Konkurrenz überall. Aus den 99% werden so Milliarden Einzelkämpfer*innen. Wir nennen das Entfremdung.[1]

Doch wir JUSOs wissen, dass diese Menschen zusammengehören und gemeinsame Interessen vertreten. Wir wollen eine gute Ausbildung, sichere Arbeitsplätze, Sexismus und Rassismus ein Ende setzen. Doch der Kapitalismus kann uns das nicht bieten. Es ist die Aufgabe der JUSO, diese Menschen im Kampf gegen die Kapitalist*innen zu vereinen.

Bildung als politische Dringlichkeit

Um diese Menschen von unserer Partei überzeugen zu können, müssen wir verstehen wofür und gegen was wir kämpfen. Niemand wird als ausgebildete*r Sozialist*in geboren. Doch im Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung können wir es uns schlicht nicht leisten, auf die Bildung auch nur einer*s Genoss*in zu verzichten. Genau das meint Lukas, wenn er die Forderung aufstellt, dass „Politische Selbstbildung und Mitgliedergewinnung die Sache aller JUSOs sind“. Dabei bedingen sich das Lernen und das Beibringen gegenseitig: Wer einen Inhalt erklärt, lernt dabei von den Reaktionen der Lernenden und wer einen Inhalt lernt, entwickelt dabei das Potential, ihn zu erklären. Konkret heisst das: In sämtlichen AGs, VVs, MVs, Workshops, usw. nimmt die Bildung einen wichtigen Platz ein. Möglichst alle JUSOs sollen an der Gestaltung der Bildungsteile beteiligt sein, als Lernende und als Lehrende.

Wenn die Überwindung des Kapitalismus eine politische Dringlichkeit darstellt, dann ist die politische Bildung dazu der erste und dringendste Schritt. Aber welche politische Bildung wollen wir denn?

Wie Lukas im ersten Kapitel seines Programmes aufzeigt, können innerhalb des Systems kaum mehr soziale Fortschritte erzielt werden – die Grundlage für den Reformismus und seine Basis in der Gesellschaft schwinden. Allerdings haben die Reformist*innen der Vergangenheit innerhalb der Linken tiefe Spuren hinterlassen. Während des einmaligen Wirtschaftsaufschwunges nach dem Zweiten Weltkrieg konnte die Arbeiter*innenbewegung der herrschenden Klasse grosse Zugeständnisse abringen. Der grosse Ausbau des Wohlfahrtstaates liess einige Linke glauben, dass die Krisentendenz des Kapitalismus nun vorbei sei.

Die WSWS müssen demokratisch überarbeitet werden!

Doch die heftigen Weltwirtschaftskrisen der 70er Jahre und die neoliberale Konterrevolution trieb Millionen von Lohnabhängige mit grosser Wucht in die jahrzehntelange Prekarität. Dabei spielten insbesondere die Kommunistischen Parteien eine schändliche Rolle, denn sie schwenkten zwischen tiefstem Reformismus und Stalinismus hin und her. Und so wendeten sich die Menschen enttäuscht von den reformistischen Organisationen ab, da diese ihnen keine Perspektive bieten konnten. Übrig blieben unzusammenhängende Kleinkämpfe und theoretisches Stückwerk.

Wir finden heute auch in der JUSO zahlreiche Überbleibsel davon: So wird Rosa Luxemburg in den WSWS-Workshops als „Mittelding“ zwischen Reform und Revolution dargestellt. Dabei widmet Luxemburg eigentlich ihren ganzen dazugehörigen Artikel („Sozialreform und Revolution“) der entgegengestellten Analyse, dass es eben kein „Mittelding“ gibt: Sämtliche Handlungen innerhalb des bürgerlichen Systems (sogenannte Reformen) haben ausschliesslich zum Ziel, die Revolution näherzubringen.

Wie schon vorhin erwähnt, spielt der Stalinismus eine wichtige Rolle in der Entwicklung der linken Organisationen und ihrer politischen Arbeit. Wenn wir der bürgerlichen Ideologie und deren Gleichsetzung von Sozialismus und Stalinismus („Sozialismus hat ja noch nie funktioniert“) entgegenwirken wollen, müssen wir uns in der JUSO mit der Russischen Revolution und deren stalinistischen Degenerierung auseinandersetzen. Der Analyse dieser Ereignisse gebührt deshalb ein besonderer Platz in den WSWS.

Lukas fordert in seinem Programm: „Überarbeiten der WSWS auf Grundlage demokratisch gefasster Positionen.“ Das ist eine gänzlich richtige und notwendige Forderung. Wir müssen unsere Bildungsinhalte regelmässig in der ganzen Partei diskutieren. Die aktuelle Wirtschaftskrise zeigt noch einmal alle Grenzen des Reformismus auf. An diese Realität müssen wir unsere politische Bildung und Praxis anpassen. Die Überwindung des Kapitalismus ist eine revolutionäre Aufgabe. Wenn wir die Bürgerlichen in die Knie zwingen wollen, brauchen wir ein umfassendes marxistisches Rüstzeug. Jedes JUSO-Mitglied sollte befähigt sein, die aktuellen politischen und wirtschaftlichen Vorgänge im Kapitalismus zu analysieren. Revolutionäre politische Bildung ist also notwendig, damit wir gemeinsam die politischen Konsequenzen aus den Analysen ziehen und dann konkret in aktuelle und zukünftige soziale Kämpfe intervenieren zu können.

Die JUSO steht in der Pflicht

Die reformistischen Theorien werden also in Krisenzeiten entkräftet. Gleichzeitig führt aber insbesondere die, seit ihrem Ausbruch 2007 bereits ein Jahrzehnt andauernde Krise, zu einer grossen Radikalisierung und Polarisierung innerhalb der Gesellschaft. Die traditionellen Parteien werden zunehmend in Frage gestellt, denn die Menschen suchen nach echten Alternativen. Bernie Sanders in den USA, Mélenchon in Frankreich oder Corbyn in Grossbritannien sind die letzten Ausdrücke davon. Auch die letzten Fortschritte der JUSO hatten beispielsweise die enormenUngleichheiten (1:12) oder die Flüchtlingsfrage als Ausgangspunkt.

Diese Bewegungen erheben teilweise radikale Forderungen und haben mit ihrer Massenbasis durchaus revolutionäres Potenzial. In Krisenzeiten ist aber der Handlungsspielraum für Verbesserungen innerhalb des Systems (“Reformen”) sehr klein. Wenn wir die Kapitalist*innen in dieser Situation wirklich herausfordern und ihnen Konzessionen (Bildung, Wohnung, Rente, usw.) abringen wollen, dann brauchen wir ein revolutionäres Programm. Anders gesagt: Der Kampf für Reformen hat heute revolutionäre Konsequenzen.

In der Schweiz haben sich in den vergangenen Jahren im europaweiten Vergleich kleine, aber dennoch kämpferische Jugendbewegungen gebildet. Im Zentrum steht ganz klar der Kampf gegen die Sparmassnahmen. So entstand in Genf 2015 mit der AJE eine Schüler*innengewerkschaft, die nach wenigen Wochen einen Streik mit 1000 Teilnehmenden gegen die Vergrösserung der Klassen und die Schliessung eines Gymnasiums organisierten. 2016, erneut in Genf, besetzten Studierende das Rektorat und zwangen die Uniführung die Erhöhung der Studiengebühren zurückzuziehen. In Zürich bildete sich zunächst das breite Bündnis „Abbau stoppen“ und im Februar besetzten 500 Schüler*innen ein städtisches Gymnasium. Im vergangenen April organisierten sich tausende Schüler*innen in fünf Schweizer Städten, um unter dem Slogan #KeLoscht gegen Sparmassnahmen in der Bildung zu demonstrieren. Und kürzlich entschied die studentische Vollversammlung in Basel, sich vehement gegen jeglichen Leistungsabbau und Gebührenerhöhung zur Wehr zu setzen.

Die JUSO ist die einzige politische Kraft, welche die Möglichkeit hat, diese zahlreichen kleinen Bewegungen zu vereinen. Diese Vereinigung ist zwingend notwendig, schliesslich entwickeln sie sich nicht zeitgleich und auch nicht gleich stark. Nur eine national gut verankerte Organisation wie die Juso kann diese vereinzelt aufflammenden Regungen zu einer wirklichen Bewegung zusammenschweissen und koordinieren. Die JUSO besitzt bereits Strukturen in allen Städten und Regionen der Schweiz und könnte so die Koordination sicherstellen. Die Bewegungen brauchen eine gemeinsame politische Linie und gemeinsame Forderungen, nur so können sie ihre Kraft entfalten. Die JUSO steht dabei in der Pflicht. Genau dies hat Lukas festgestellt. Er fordert: „Wo wir präsent sind (Berufs- und Hochschulen, etc.), bauen wir feste JUSO-Gruppen auf.“

Die Massen ergreifen

Wir müssen aber die aktive Beteiligung an allen Kämpfen auch dazu nutzen, den Aufbau unserer Partei weiter voranzutreiben. Dazu lesen wir in Lukas’ Programm: „Aus den Kämpfen und unseren Interventionen lernen wir wiederum, ob unsere politische Praxis korrekt war oder ob wir Fehler in der Analyse, der Strategie oder unserer Taktik gemacht haben – ein Wissen, welches wiederum unsere Analyse und Positionen bei der nächsten Intervention verbessert.“

Marx sagte dazu: „Theorie wird zur materiellen Gewalt, sobald sie die Massen ergreift.“ Wir müssen also am Bewusstsein der Menschen anknüpfen. Das bedeutet in bestehende Kämpfe und Mobilisierungen intervenieren. Wir müssen die Forderungen der Menschen aufnehmen, konsequent für sie kämpfen und damit offenlegen, dass das kapitalistische System nicht in der Lage ist, ihnen die einfachsten Forderungen nach Wohnung, Rente und menschlichen Lebensbedingungen für Flüchtlinge zu erfüllen. So zeigen wir ihnen die Notwendigkeit für den gemeinsamen Kampf gegen den Kapitalismus auf. Gleichzeitig beweisen wir, dass wir als kollektive Kraft handlungsfähig sind und eine echte Alternative bieten können.

Die Einheit der Arbeiter*innenklasse und der unterdrückten Schichten für den Sozialismus ist das einzig wirklich emanzipatorische Projekt. Es ist eine Mammutaufgabe, die jedoch ausser uns selbst niemand für uns erledigen wird. Besser wir fangen sofort damit an.

Dersu Heri
JUSO Genf

 

[1] https://www.derfunke.ch/htm/de/deutsch/theorie/entfremdung-unsere-fremde-welt/