[dropcap]A[/dropcap]n insgesamt sieben Streiktagen demonstrierten im vergangenen November und Dezember jeweils zwischen 5’000 und 11’000 Genfer FunktionärInnen gegen die extremen Budgetkürzungen auf kantonaler sowie kommunaler Ebene. Seit Ende Dezember lenkt eine Vereinbarung zwischen den Gewerkschaften und der Kantonsregierung die Aufmerksamkeit und die Hoffnungen der ArbeiterInnen und deren Organisationen auf verschiedene Referenden und die Verhandlungen der Vertragspartner.

Bild © Flickr – Annette Dubois

Das Kantonsbudget 2016, welches die Lohnkosten um rekordverdächtige 5% senken sollte, löste eine als historisch zu bezeichnende Streikbewegung aus. Die föderalistische Vorbereitung auf die dritte Unternehmenssteuerreform (USR III) der Stadt Genf motivierte die Bürgerlichen, ihre Austeritätspolitik weiter voranzutreiben. In der Euphorie nach den Streiks gelang es den Linksparteien, Gewerkschaften und Vereinen innert kürzester Zeit, die doppelte Anzahl der nötigen Unterschriften für drei verschiedene Kantons- und Gemeindereferenden zu sammeln. Insbesondere die kommunalen Bewegungen sind bemerkenswert, da sie unter den frontal attackierten Kulturschaffenden eine grosse Mobilisationskraft entfaltet hatten. So wurden teilweise hochstehende politische Diskussionen über das widersprüchliche Verhältnis zwischen der Diversität und Notwendigkeit der Kulturarbeit und der kapitalistischen Profitlogik ermöglicht.

Durch das abrupte Abflachen der Bewegung nach sechs Streiktagen fühlten sich die Gewerkschaftsspitzen gezwungen, einen Deal mit dem kantonalen Regierungsrat einzugehen. Dieser hinterlässt einen mehrdeutigen Eindruck. Einerseits wurden die bereits auf Anfang 2016 einführbaren strukturellen Massnahmen (beispielsweise die Erhöhung der Arbeitszeiten für Staatsangestellte) bis Mitte März ausgesetzt. Zudem rang man der Regierung das Versprechen „zu verhandeln“ ab. Daür mussten aber die Streiks unterbrochen sowie auf die jährliche Lohnerhöhung verzichtet werden. Was von den Verantwortlichen als Etappensieg und als aufgegangene Rechnung verkauft wurde, ist viel eher als verschenkte Möglichkeit zu betrachten, denn der Regierung wurden keinerlei zwingende Verpflichtungen abgerungen. Während die Gewerkschaftsführungen den durch die USR III vermeintlich nicht vorhandenen Handlungsspielraum des Regierungsrates legitimieren, ist für uns MarxistInnen klar, dass Vereinbarungen immer nur die hervorgebrachten Machtverhältnisse reflektieren und dass in diesem Fall das Potential der Genfer Massenbewegung nicht realisiert wurde.

Im direkten Anschluss an den Deal wies das Kantonsparlament das Budget praktisch einstimmig zurück, womit Genf der einzige Kanton ohne Budget 2016 ist. Im laufenden Jahr muss man mit monatlich einem Zwölftel des Budgets 2015 sowie allfälligen vom Regierungsrat genehmigten Sonderzahlungen auskommen. Nun liegt der Verdacht nahe, dass die von FDP-Hardlinern dominierte Regierung spätestens seit Beginn der Streikbewegungen auf diese für den Abbau des Service Public effizienteste Form der Budgetverwaltung hingearbeitet hat. Auch ihr Verhalten während den Verhandlungen nach dem Deal mit den Gewerkschaften nährt diese Vermutung, schliesslich weigert sich die Regierung, auf sämtliche vorgebrachten Vorschläge nur im Ansatz einzugehen und macht die sogenannten Verhandlungen somit zur Farce. Zu guter Letzt wurde während der jüngsten Runde die Vereinbarung (und somit das Streikverbot) bis Ende April verlängert.

Um eine vorübergehende Bilanz zu ziehen, gilt es die noch offene Frage nach den Gründen für das Abflachen der Bewegung zu beantworten. Als erster Grund ist wohl der Mangel an Erfahrung aller beteiligten Akteure aufzuführen, denn sowohl für die meisten Streikenden als auch für die Gewerkschaftsführungen war es die erste Bewegung einer solchen Grössenordnung. Das macht die gelungene Mobilisationsarbeit umso löblicher. Allerdings ist es essentiell, auch die Schwächen zu betonen, die in Genf einerseits in der Absenz einer eskalierenden Mobilisierung, aber auch im Fehlen von Analysen der allgemeinen Tendenzen liegen. Insbesondere der abstrakte Begriff der Staatsverschuldung wird gänzlich den bürgerlichen Ökonomen überlassen und somit als zwingend abzuzahlende Folge von haushälterischer Misswirtschaft dargestellt. Auch die offensichtliche Aufspaltung des Arbeitskampfes – sei es gemäss den Prinzipien des Föderalismus, der Xenophobie gegen Grenzgänger oder der Trennung zwischen öffentlichem und privatem Sektor – wird nicht ausreichend thematisiert. So schleicht sich in der Folge bei den kämpfenden Lohnabhängigen allzu schnell ein Gefühl der Entmutigung und Hilflosigkeit ein.

Schlussendlich bleiben von der Genfer Streiks momentan nur die Referenden übrig, die auf längere Sicht wohl vor allem einen mobilisierenden Charakter haben werden. Das Wichtigste bleibt aber die Erfahrung, welche tausende von öffentlichen Angestellten, SchülerInnen und StudentenInnen diesen Winter gemacht haben. Auch wenn es anfangs durch das magere Resultat zu einer Demoralisierung kommen mag, werden die daraus gezogenen Schlussfolgerungen sehr wichtigen Einfluss auf die kommenden Massenbewegungen haben.

Dersu Heri
Vorstand Juso Genf