Wie wir bereits in der letzten Ausgabe berichtet haben, spitzt sich die Lage auf dem Bau wieder zu. Falls die Baumeister und ihr Verband SBV (Schweizerischer Baumeisterverband) nicht bald wieder in Verhandlungen einlenken, könnten ein heisser Herbst und dann ein noch heisserer Frühling bevorstehen. Wir berichten nun über die aktuelle Lage und die Perspektiven für die BauarbeiterInnen.

LMVDie Gewerkschaften Unia und Syna und die in ihnen organisierte Arbeiterschaft haben drei Kernforderungen aufgestellt, die sie im neuen Landesmantelvertrag (LMV) enthalten haben möchten. Der jetzige LMV wird Ende des Jahres auslaufen. Die Forderungen sind: Schutz bei Schlechtwetter ohne Lohneinbussen, wirksame Massnahmen gegen Lohndumping und weiterhin die Rente mit 60 (in einem separaten GAV geregelt). Zusätzlich wird für die Lohnrunde im Herbst 150 Franken mehr gefordert. Doch wie bereits im Herbst 2014, verweigert der SBV nach wie vor sämtliche Verhandlungen. In einer Presseaussendung vom 19. Mai 2015 erklärt er: „Die Delegierten des SBV haben beschlossen, mit der Gewerkschaft Unia erst dann Verhandlungen über den Landesmantelvertrag Bau zu führen, wenn diese ihre «Fachstelle Risikoanalyse» [siehe Funke Nr. 41] stilllegt. Um einen vertragslosen Zustand zu verhindern, sind die Baumeister aber bereit, den Gewerkschaften die Verlängerung des auslaufenden Landesmantelvertrags über 2015 hinaus anzubieten.“ Die Gewerkschaften ihrerseits betonen, dass es ohne Neuverhandlungen und Verbesserungen des LMV’s keine Verlängerung des jetzigen Vertrages geben wird. Dabei pokern sie aber darauf, dass die Arbeitgeberseite (durch ihre Gespaltenheit) eher den vertragslosen Zustand fürchtet als die Gewerkschaft.

Erste Grossmobilisierung

In dieser Pattsituation müssen die Gewerkschaften massiven Druck auf die Baumeister aufbauen, um Verhandlungen und vor allem Verbesserungen zu erzwingen. Der SBV, dessen Mehrheit der Delegierten aus radikalen Kleinbourgeoisen besteht, wird nur einlenken, wenn sie die Macht der organisierten Arbeiterschaft zu spüren bekommen. Die Unia und Syna mobilisieren nun als ersten Schritt auf eine Grossdemonstration am 27. Juni nach Zürich. Diese Demo wird der erste Gradmesser des Kräfteverhältnisses werden. Folgendes können wir mit Bestimmtheit sagen: Je grösser diese Demo wird, desto höher wird die Wahrscheinlichkeit, den SBV in die Knie zu zwingen. Diese Demo alleine wird natürlich noch nichts bringen, aber wenn 20‘000 Bauarbeiter marschieren, kann dies eine Welle von weiteren Mobilisierungen auslösen. Auf der anderen Seite mindert ein erster Misserfolg, wie schon bei den letztjährigen Lohnverhandlungen, die Streikwilligkeit und es wird auf eine Verlängerung des jetzigen Vertrages, also auf ein vollständiges Einknicken der Gewerkschaften, hinauslaufen. Die schleichende Aushöhlung (seit vier Jahren sind Sand- und Kiestransporte ausgenommen) wird dabei fortschreiten, denn der nächste Streitpunkt des Geltungsbereiches ist mit den Lastwagenfahrern schon da.

Von der gelben Gewerkschaft

Während die Gewerkschaften Unia und Syna die Grossdemonstration vorbereiten, versucht die Gegenseite die neue Unternehmergewerkschaft Novatrava aufzubauen. Doch trotz Lockangeboten scheint der Erfolg auszubleiben. Auf telefonische Nachfrage sprechen sie von „bereits einigen hundert Mitgliedern“. Anfang des Jahres waren es laut der Unia Zeitung Work etwa hundert. Der Versuch, eine von Unternehmern kontrollierte Gegengewerkschaft aufzubauen, wird wohl kläglich scheitern. Es zeigt aber, dass sich die Baumeister aller Methoden bedienen werden, um ihre Unternehmerinteressen durchsetzen. Daher wird es umso wichtiger sein, sich auf den vertragslosen Zustand vorzubereiten.

Vertragsloser Zustand vorbereitet

Nach einer erfolgreichen Demonstration im Juni muss der Kampf unbedingt intensiviert werden. Die Gewerkschaften werden sich zwar bis Ende Jahr scheuen, offene Streiks zu organisieren, da sie die im LMV vorhandene Friedenspflicht fürchten. Es müssen jedoch in jeder Region „Protestpausen“ durchgeführt und lokale BauarbeiterInnenkomitees in den wichtigen Betrieben aufgebaut werden. Die Mobilisierungs- und Streikfähigkeit unterscheidet sich leider stark in den jeweiligen Regionen. In der Westschweiz besteht diese immer noch, im Kanton Waadt wurde sie sogar verbessert. Auch die Region Zürich hat durch das konsequente Thematisieren des alltäglichen Lohndumpings für die Lohnverhandlungen im letzten Herbst besser mobilisiert als noch vor vier Jahren. Es scheint als wurden hier die Hausaufgaben gemacht. Das Tessin war lange eine kämpferische Hochburg. Doch laut Beobachtern hat sich dort das Kräfteverhältnis eher etwas verschlechtert. Doch ohne das Druckmittel des Streikes während des vertragslosen Zustandes werden sich die Baumeister kaum bewegen. Den aktiven BauarbeiterInnen und dem Gewerkschaftsapparat bleiben nun ein halbes Jahr, um Kampfmassnahmen gründlich vorzubereiten. Diese Zeit muss genutzt werden.