Die Coronavirus-Krise trifft die grossen Fluggesellschaften des Landes hart. Diese fordern beim Staat finanzielle Unterstützung ein.

Die Coronavirus-Krise hat den Himmel buchstäblich entvölkert. Seit Ende März haben Easyjet Switzerland und Swiss, die beiden wichtigsten, in der Schweiz operierenden Fluggesellschaften, ihre Flotten zum Stillstand gebracht und fast alle Flüge gestrichen. An den Flughäfen Zürich und Genf wurden nur noch wenige Rückführungsflüge erwartet. Dies ist wahrscheinlich der grösste Schlag für den Luftfahrtsektor in den letzten Jahren. Nach Angaben der International Air Transport Association (IATA) könnten sich die Verluste auf 300 Milliarden CHF belaufen, was dem jährlichen BIP Portugals entspricht.

Unter Hinweis auf ihre mangelnde Liquidität und ihre Unfähigkeit, die laufenden Kosten und Gehälter zu decken, haben sich die beiden Unternehmen mit der Bitte um finanzielle Unterstützung an den Bundesrat gewandt. Für den Chef von Swiss, Thomas Klür, wäre das Überleben des Flaggschiff-Unternehmens ohne staatliche Unterstützung unmöglich. Der IATA-Chef fordert, dass der Staat den Unternehmen hilft, wie er es “den Banken im Jahr 2008” getan hat.

Privatisierung der Gewinne, Sozialisierung der Verluste?

Es scheint fast unglaublich, dass Unternehmen, die in den letzten Jahren auf dem Rücken der Mitarbeiter riesige Gewinne erwirtschaftet haben, von heute auf morgen absolut nichts mehr zum Überleben haben. Was ist aus den Hunderten von Millionen Profit geworden, die sie jedes Jahr erzielen? Heute behaupten sie, dass jeder und jede, ob Chefin oder Angestellter, in gleicher Weise von der Krise betroffen wäre. Aber während sich die Angestellten bestenfalls in Kurzarbeit und in Unsicherheit über ihren Arbeitsplatz wiederfinden, hat der Easyjet-Chef gerade Dividenden in Höhe von 72 Millionen Franken erhalten. Die Gewinne des Unternehmens haben in den letzten Jahren jeweils 400 Millionen Franken überschritten. Während die gigantischen Gewinne privatisiert werden, muss die Gesellschaft die Verluste tragen. Diese Logik scheint dem Bundesrat offensichtlich stichhaltig. Deswegen kündigte er an, dass Beihilfen zur Unterstützung der Fluggesellschaften in Betracht gezogen werden.

Kontrollieren, was uns nicht gehört?

In einer Zeit, in der wir mit einem Mangel an Masken, Spitalbetten und dergleichen konfrontiert sind, bietet der Bundesrat privaten Unternehmen Liquiditätshilfe an. Das Bundesparlament hat eine Summe von fast 2 Milliarden Franken allein für den Luftfahrtsektor beschlossen. Diese Hilfe hat jedoch in der politischen Welt für viel Diskussion gesorgt.

Einige auf der linken Seite, vor allem die Grünen, aber auch der Klimastreik, möchten, dass diese Hilfe von konkreten Maßnahmen der Unternehmen zur Reduzierung ihrer Treibhausgasemissionen abhängig gemacht wird. Es stimmt, dass der Luftverkehr für 20% der CO2-Emissionen in der Schweiz verantwortlich ist und dass es möglich wäre, gewisse kurzfristige Ziele mit weniger umweltschädlichen Verkehrsmitteln, insbesondere der Bahn, zu erreichen. Nach Ansicht der Grünen sollte sich der Bundesrat für die Einführung einer internationalen Kerosinsteuer und ein Moratorium für den Ausbau der Flughafeninfrastruktur einsetzen.

Ihre Vorschläge treffen jedoch auf drei wichtige Hindernisse. Zunächst ist bekannt, dass der Bundesrat und das Bundesparlament, die im Interesse der Bourgeoisie handeln, eine klare Vorstellung davon haben, wer für diese Steuern zahlen soll. Das erkennt man anhand verschiedener Beschlüsse: Es sind keineswegs die wirklichen Verursacher, d.h. die Fluggesellschaften, sondern die Verbraucher und damit die Lohnabhängigen, die dafür zahlen werden: Der Preis der Tickets wird steigen. Zweitens, was ist mit der privaten Luftfahrt, deren Umweltverschmutzung pro Person weitaus grösser ist? Und schliesslich: Wie können wir eine Koordination sicherstellen, um nachhaltigere Verkehrsmittel zu fördern? Letzten Endes können wir nicht wirklich kontrollieren, was wir nicht haben. Diese Einschränkungen machen uns einen zentralen Widerspruch im Herzen des Kapitalismus bewusst, nämlich die Anarchie des Marktes und damit der Produktion.

Die heutigen Transportsysteme unterliegen einer Marktlogik, bei der es einen Wettlauf um Gewinnmaximierung und Kostenminimierung gibt. Es ist dieselbe Marktlogik, die zu schädlichem und irrationalem Wettbewerb führt, indem sie die Nutzung umweltverschmutzender Verkehrsmittel fördert, solange diese rentabler sind als andere. Sicherlich gibt es einen Preis, den es für einen ökologischen Übergang zu bezahlen gilt, aber gerade die Kapitalisten sind nicht bereit, ihn zu zahlen.

Verstaatlichung unter Arbeiterkontrolle

Die Krise im Luftfahrtsektor wird wahrscheinlich fatale Folgen für die ArbeiterInnenklasse haben. Viele Unternehmen, darunter Ryanair, Air France-KLM und andere, haben bereits einen drastischen Personalabbau angekündigt, mit der Behauptung, sie hätten kein Geld, um Löhne zu zahlen, und seien gezwungen, Personal zu entlassen. Während viele von ihnen staatliche Beihilfen erhalten, wollen sie die schwere Last der Krise auf die Lohnabhängigen, d.h. auf diejenigen abwälzen, auf denen das gesamte System basiert. In diesem Zusammenhang taucht die Idee der Verstaatlichung oder zumindest einer minimalen Beteiligung des Staates wieder auf. In den Vereinigten Staaten hat sich die Regierung das Recht eingeräumt, Aktien der Unternehmen zu erwerben, denen sie helfen will. In der Schweiz sind einige ParlamentarierInnen von der Idee angetan, dass die Swiss ein „echtes schweizerisches Unternehmen“ werden könnte.

Die Forderung nach der Schaffung von Sonderfonds kam auf. Einerseits soll Temporärangestellten, Opfern von Privatisierung und prekarisierenden Verträgen geholfen werden. Andererseits könnten Entlassene mit Umschulungen, möglicherweise im Eisenbahnsektor, unterstützt werden. Doch das wirft wiederum das Problem der Anarchie der Produktion im Kapitalismus auf. Wäre eine Verstaatlichung in diesem Sinne eine mögliche Lösung für die Krise?

Unserer Meinung nach kann es keine wirkliche Verstaatlichung ohne die Beteiligung der Arbeiterinnen und Arbeiter an der Leitung und Kontrolle von Unternehmen geben. Kommerzielle Luftfahrtunternehmen, Flughäfen, alle Bodenabfertigungsdienste und Sektoren, die ausgelagert wurden, müssen wieder verstaatlicht werden und der Kontrolle der ArbeiterInnen unterliegen: Die betroffenen ArbeiterInnen sollten die Möglichkeit haben, demokratisch über die zu ergreifenden Maßnahmen zu entscheiden. In einem ersten Schritt sollte daher für folgendes gekämpft werden:

  • Keine Entlassungen, vollumfängliche Lohngarantien und Kontrolle der Unternehmenskonten durch die in Ausschüssen organisierten ArbeiterInnen.

Zweitens ist ein ökologischer Wandel von entscheidender Bedeutung. Aber um erfolgreich zu sein, müssen die ArbeiterInnen das Recht haben, sich auf allen Ebenen zu beteiligen und mitzubestimmen. Dies ist die einzige Garantie für die Nachhaltigkeit der Beschäftigung und damit für eine lebenswerte Zukunft. Fordern und kämpfen wir zu diesem Zweck für die Wiederverstaatlichung aller Personenverkehrsunternehmen unter demokratischer Kontrolle. Fordern wir die Vereinigung aller Verkehrsbetriebe und die Organisation eines flächendeckenden und umfassenden Verkehrnetzes, mit einer nachhaltige Strategie für den Personen- und Güterverkehr in der Schweiz und darüber hinaus.

  • Verstaatlichung von im Luftfahrtsektor tätigen Unternehmen unter Kontrolle der ArbeiterInnen
  • Verkehrsplanung für einen echten ökologischen Wandel

Juan C., Employé à l’Aéroport de Genève