Die Corona-Pandemie entblösst brutal, wie der Kapitalismus das Leben der Lohnabhängigen missachtet, nur um sich selbst zu retten. Besonders die am meisten unterdrückten und ausgebeuteten Schichten werden frontal von den Bürgerlichen angegriffen.

Die Bedingungen in den Asylzentren sind verheerend. Die Gesundheit ihrer BewohnerInnen sowie auch der Angestellten können nicht garantiert werden. Die Geflüchteten leben auf engstem Raum, schlafen in Massenschlägen, stehen eng in der Küche für das Essen an; «Social Distancing» kann nicht in Ansätzen eingehalten werden. Die wenigen Massnahmen, die getroffen wurden, sind klar unzureichend und kamen zu spät. Auch für die Sans-Papiers (circa 100’000 in der Schweiz) ist die Corona-Epidemie ein Schlag ins Gesicht: Von einem Tag auf den anderen verlieren sie massenhaft ihre Arbeit und somit ihre eh schon prekäre Existenzgrundlage. Nur wenige sind krankenversichert. Zynisch heisst es vom Bundesrat: «Die Stärke des Volkes misst sich am Wohl der Schwachen» – während diese auf keinste Weise vom Staat unterstützt werden.

Mit Anlauf gegen die Schwächsten

Derselbe Bundesrat redet ständig davon, dass der Schweizer «Rechtsstaat» in der Krise aufrechterhalten werden müsse. Was bedeutet das konkret? Die Grenzen wurden für Asylsuchende geschlossen. Flüchtenden, die sich bis zur Schweizer Grenze vorkämpfen konnten, wird nun ohne Verfahren die Einreise verweigert. Auch den Asylsuchenden, die bereits in einem Asylverfahren stecken, werden ihre bescheidenen Rechte genommen: Asylverfahren – die frohlockend einfach weiterlaufen – werden nun ohne Rechtsbeistand durchgeführt werden. Die AsylanträgerInnen werden der völligen Willkür des Staatsapparats ausgeliefert. Bei Abweisungen von Asylgesuchen wurden zwar die Fristen für die freiwillige (!) Ausreise verlängert (neu 30 Tage). Da man momentan aber niemanden ausschaffen kann, lässt der Staat sie einfach in Ausschaffungshaft schmoren.

Also: Den «Rechtsstaat» in der Krise aufrechterhalten bedeutet, dass der bürgerliche Staat Rechte und Gesundheit der Schwächsten und Unterdrückten mit Füssen tritt!

«Rechtsstaat»: Klassenstaat!

Zu Recht kritisieren die JUSO und einige NGOs, dass diese Massnahmen des Staats nicht nur unzureichend, sondern auch völlig asozial sind. Jedoch rufen sie lediglich denselben Staat dazu auf, sich gefälligst an die Menschenrechte zu halten. Der Staat verteidigt die kapitalistische Produktionsweise, alles andere ist zweitrangig. Wir dürfen keine Illusionen darin haben, dass es einen «wahren» oder «besseren» Rechtsstaat im Kapitalismus geben kann. Im Gegenteil: Dieser zeigt heute sein wahres Gesicht!

Sans-Papiers und Arbeitende ohne Bürgerrechte sind gefundenes Fressen für die Kapitalisten. Wenn Nachfrage nach Arbeitskräften besteht, liefert der bürgerliche Staat durch seine Migrationspolitik hart ausbeutbare MigrantInnen auf dem Silbertablett. Und in der Krise, wenn diese Nachfrage schwindet, sind sie die ersten, auf die man die Krise abwälzen kann. Die Sans-Papiers werden heute ohne jeglichen Stossdämpfer aufs Pflaster geworfen. Der bürgerliche Staat unternimmt ganz konsequent rein gar nichts, um sie davor zu bewahren. Flüchtenden wird die Grenze vor der Nase zugeschlagen: der bürgerliche Staat hält sich die vom kapitalistischen System Vertriebenen einfach vom Leib.

Nationale Einheit? Klasseneinheit!

Es fehlt nicht an Ressourcen, um die jetzt drängendsten Bedürfnisse aller Lohnabhängigen zu befriedigen: Gesundheit, Stilllegung aller nicht-existenziellen Produktion, Lohnfortzahlungen und Umstrukturierung der Produktion auf das jetzt Lebenswichtige. Asylsuchende und Sans-papiers brauchen jetzt unmittelbar Bleibe- und Asylrecht, richtige «Corona-gerechte» Unterkünfte und gratis medizinische Betreuung. In der Schweiz stehen Hotels, Schulen und 75’000 Wohnungen leer. Die Ressourcen sind nur in den falschen Händen: in den Händen der Kapitalisten!

Der Bundesrat will uns glauben lassen, dass «wir Schweizer», Kapitalisten wie Lohnabhängige, alle im gleichen Boot sitzen. In Wahrheit sitzen Schweizer und ausländische Lohnabhängige und Sans-Papiers im selben Boot – während die Kapitalisten mitsamt ihrem bürgerlichen Staat dieses Boot von ihrer Jacht aus bombardieren! Wir halten dem Bundesrat entgegen: Nicht die «Stärke des Volkes», sondern die Existenzberechtigung der kapitalistischen Gesellschaft misst sich am Wohl der Schwachen! Solidarität mit Flüchtenden und Sans-Papiers: für den gemeinsamen Kampf aller Lohnabhängigen gegen den Kapitalismus!

Sereina Weber,
Juso Genf