In einer Zeit von plötzlichen und radikalen Entwicklungen des Klassenkampfes stellt sich die Frage der Führung. Es ist die Aufgabe der revolutionären Partei diese Frage zu beantworten und konsequent die Interessen der ArbeiterInnenklasse zu vertreten. Wie sie das erreicht, steht und fällt mit der Taktik der Einheitsfront.

Ohne Einheitsfront keine revolutionäre Partei

«Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Kommunismus.» Mit diesen Worten eröffneten Marx und Engels 1848 ihre wohl berühmteste Schrift, das Kommunistische Manifest. Auch 60 Jahre später hatten ihre Worte keinen Funken an Wahrheit verloren. Rund um den Ersten Weltkrieg erfasste eine Revolutionäre Welle erneut ganz Europa. Nach der verpassten Möglichkeit zur Revolution in Deutschland 1923 wurde Frankreich zum Leuchtturm des internationalen Klassenkampfes. Somit lag die Zukunft der ArbeiterInnenklasse in den Händen der frisch gegründeten Parti Communiste Français (PCF).


Eine historische Phase beginnt

Die Partie Communiste Français war selbst Resultat der unvergleichlichen neuorientierung nach Links innerhalb der ArbeiterInnenklasse. Dieses Phänomen beobachtete man in ganz Europa. Ein Teil der ArbeiterInnenklasse radikalisierte sich und begann sich politisch neu zu orientieren. Der dafür ausschlaggebende Punkt war die Russische Revolution. Der rechte Rand der traditionellen Linken Parteien war nicht bereit sie zu unterstützen und sich ihrer – der bolschewistischen – III. Internationale anzuschliessen.

Die bewussten ArbeiterInnen benötigten ein revolutionäres Programm, welches ihre Bedürfnisse aufnahm und eine echte Alternative aus der kapitalistischen Misere aufzeigte – die Revolution. Dieses Bedürfnis kristallisierte sich in Frankreich in der Parti Communiste Français. Am Parteitag der Sozialdemokratischen SFIO 1920 stimmte eine Mehrheit von 70% der Delegierten für einen Anschluss an die III. Internationale. Diese historische Wahl bedeutete die Geburt der kommunistischen Partei durch die Abspaltung der Parteirechten. Die Spaltung war somit keine Zerstückelung der linken Kräfte, sondern ein bewusster Ausdruck des Erwachens der ArbeiterInnenklasse in einem Prozess der allgemeinen Radikalisierung und Organisierung. Eine unabhängige revolutionäre Partei ermöglichte ihr erstmals organisiert ein Programm zu vertreten, welches die wirklichen Interessen der ArbeiterInnen in Frankreich reflektierte. Das war vorher, vereint mit den rechten SozialdemokratInnen, unmöglich gewesen.


Eine Findungsphase

Nach der Spaltung war die PCF mit ca. 110’000 Mitgliedern die grösste linke Partei in Frankreich. Verglichen mit den 40 Millionen EinwohnerInnen jedoch immer noch eine kleine Zahl. Doch das Potential um eine revolutionäre Massenpartei zu aufzubauen war in Frankreich mehr als vorhanden. Allein in den Jahren 1919/20 fanden Streiks mit mehr als 1.2 Millionen ArbeiterInnen in ganz Frankreich statt. Die wirtschaftlich desolate Lage trieb die Massen auf die Strasse. Nach dem erstmaligen politischen Aufwachen orientierten sich die breiten Schichten nach links, blickten aber zuerst zum Reformismus, also zu den rechten Sozialdemokraten der SFIO auf. Das zeigte sich  in den Wahlen 1924. Die SFIO erzielte 18% der Stimmen während die kommunistische Partei lediglich knapp 5% erhielt. 

Die Sozialdemokratie hatte den ArbeiterInnen aber keine Perspektive zu bieten. Während die Arbeiter massenhaft streikten, suchten die SFIO lediglich den Kompromiss mit den Bürgerlichen in den Hinterzimmern der Paläste. Ihrer Politik musste ein revolutionäres Programm entgegengestellt werden, um den Unterschied aufzuzeigen und die radikalisierten ArbeiterInnen weg von der bremsenden, reformistischen SFIO und hin zur PCF zu gewinnen. Deshalb schlug das Exekutivkomitee der III. Internationale gegenüber der PCF im Jahre 1920 folgendes vor: Die Einheitsfronttaktik.


Die Notwendigkeit der Einheitsfront

Anfangs der 20er änderte sich die Situation in Frankreich rasant. 1919-1920 war eine Zeit intensiver Klassenkämpfe. Die Erkämpfung des Achtstundentages, sowie unzählige Streiks, hatten die ArbeiterInnen momentan ihrer Energiereserven beraubt. Aus dieser Position heraus versuchten die Kapitalisten, im Zuge der wirtschaftlichen Krise, den Achtstundentag wieder abzuschaffen. 

Die ArbeiterInnen sahen sich also in der Position, die Errungenschaften des letzten Jahres verteidigen zu müssen. Für die junge PCF wäre dies eine gute Ausgangslage gewesen, den Massen den verräterischen Charakter der Sozialdemokratie aufzuzeigen. Jedoch nicht aus der Distanz, sondern im gemeinsamen, praktischen Kampf – in einer Einheitsfront.

Konkret hätte dies für die PCF bedeutet, mit der SFIO ein Kampfbündnis einzugehen. Gegen die Offensive des Kapitals kann sich die ArbeiterInnenklasse nur geeint verteidigen. Dafür hätte sich die KP in jedem Moment einsetzen sollen, speziell auch gegenüber der sozialdemorkatischen Basis. Gerade weil die breiten, neu erwachten Teile der ArbeiterInnenklasse  sich an der traditionelle Sozialdemokratie orientierten. Die meisten verstanden die Unterschiede der Parteien nach der Spaltung nämlich nicht. Sie unterstützten instinktiv die SFIO, weil sie Ihnen bekannter war.  Auf sie zielte die Einheitsfront ab und versuchte aufzuzeigen, dass nur die kommunistische Partei bereit ist, ihre Interessen bis zum Ende zu verteidigen. 

Durch die Passivität der SFIO war es aber schwierig, dies den ArbeiterInnen aufzuzeigen. Die SFIO unternahm kaum nennenswerte Schritte, der ArbeiterInnenklasse aus ihrer Paralysierung zu helfen und die existierenden Kämpfe zu unterstützen.

Wenn die kommunistische Partei aber den gemeinsamen Kampf vorschlägt und organisert, muss sie mitziehen. Tut sie dies nicht, verliert sie das Vertrauen derer, die noch zu ihr aufgeblickt hatten. Willigt sie zu, entsteht eine Bühne, auf der die beiden Programme verglichen werden können. Jene Bühne ermöglicht, im konkreten, gemeinsamen Kampf die Differenzen zwischen den Programmen und die Überlegenheit marxistischer Ideen aufzuzeigen. Dies war in jenem Moment lebensnotwendig für die PCF und zeigt die Notwendigkeit der Einheitsfront.


Eine verpasste Chance

Die Wichtigkeit dieser Taktik können wir heute leider nur durch das Versagen der PCF verstehen. Sie hatte kaum Schritte in Richtung der Basis der SFIO unternommen. Die Führung der PCF verstand die Methode der Einheitsfront nicht. Unter dem stalinistischen Einfluss wurde die Einheitsfronttaktik dann komplett abgelehnt. So blieben die kämpfenden ArbeiterInnen einer von sozialdemokratischen Ideen getränkten Führung ausgeliefert und die revolutionäre Welle verlierte sich im bürgerlichen Kompromiss. Obwohl sie mehrmals heroisch kämpfte verlor die ArbeiterInnenklasse den Kampf. Es wäre die Aufgabe der Kommunistischen Partei gewesen, den ArbeiterInnen zu zeigen, dass die Niederlage weder der eigenen Schwäche, noch der Allmacht des Gegners geschuldet war, sondern eine Frage der Führung und des Programmes ist.

Die Einheitsfront wäre die einzige sinnvolle Herangehensweise gewesen, um dies den ArbeiterInnen zu beweisen. Denn die ArbeiterInnenklasse hat damals wie heute die Macht die Welt zu verändern. Die Wahl der Methode des Klassenkampfes ist deshalb in der Geschichte wie auch heute massgebend für dessen Verlauf. Denn nur mit einer bewussten Führung kann die ArbeiterInnenklasse konsequent für ihre Interessen einstehen, bis und mit der Revolution. 

Nick Haefeli,
JUSO Bern

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