Am 31. August 2019 wählt die Juso ihre neue Präsidentin. Zur Wahl stehen Ronja Jansen und Mia Jenni. Wir setzen uns kritisch mit der Praxis der Juso der letzten Monate auseinander und wollen sehen, ob die Kandidatinnen bereit sind, sich den kommenden Herausforderungen zu stellen.

Die Juso scheint im Moment in durchaus guter Verfassung zu sein. Die Juso-Präsidentin Tamara Funiciello ist in den Medien präsent und liefert sowohl in der Arena als auch beim Frauenstreik auf der Bühne beeindruckende Auftritte. Zudem konnten einzelne Juso-Kandidaten lokale Wahlerfolge verzeichnen. 

Eine Bilanz

Aber wie sieht es hinter den Kulissen aus? Auffällig ist: Aktuell läuft die grösste Jugendbewegung der letzten Jahrzehnte in der Schweiz. Die Klimabewegung drängt mit dem Slogan “System Change, not Climate Change!” mehrere 100’000 Jugendliche auf die Strassen. Diese Bewegung findet in der Juso aber keinen Ausdruck. Beispielsweise hat die Juso – trotz der Politisierung der Jugend – nicht merklich mehr Neumitglieder. Und zwar obwohl sie als antikapitalistische Partei die perfekte politische Heimat für Jugendliche wäre, die diesen System Change fordern. Auch der Frauenstreik führte nicht zu einem Aufwind in der Juso. Als «die feministische Partei» wäre sie doch der naheliegende Ort für junge Frauen, welche die Frauenunterdrückung bekämpfen wollen. Die Juso ist die Partei, die das Potenzial hätte, den radikalisierten Jugendlichen den Weg zu weisen und sie von einem sozialistischen Programm zu überzeugen. Bisher aber hat die Juso sich geweigert, als Partei organisiert, offen und mit einem sozialistischen Programm in diesen Bewegungen zu intervenieren.

Die Juso Schweiz kriselt seit einiger Zeit. Die Delegiertenversammlungen sind schlechter besucht als noch vor zwei Jahren. Das politische Niveau der Debatten sinkt: Im Vordergrund stehen redaktionelle Anträge an zu verabschiedende Dokumente, in den Hintergrund rückt die inhaltliche Diskussion. Aber auch Anlässe der Juso wie beispielsweise das Sommerlager sind nicht mehr Wochen im Voraus ausgebucht, im Gegenteil können nicht mehr alle Plätze belegt werden. All dies sind keine guten Zeichen für die Juso. Die Neuwahl erfolgt also zu einem Zeitpunkt, an dem eine intensive Debatte über die politischen Positionen und die Strategie und Taktik der Partei stattfinden müsste. Eine unbedingte Notwendigkeit, um die Flaute zu beenden!

Was braucht ein Wahlkampf

Ronja Jansen und Mia Jenni stellen sich zur Wahl. Sie sehen sich selber als die Person, welche die Juso weiterentwickeln kann. Problematisch ist, dass sie kein handfestes politisches Programm vorweisen. Angesichts der Flaute in der Juso müssten sie konkrete Vorschläge bringen, welche die Partei stabilisieren und stärken. Was ist ihr politisches Programm? Wofür kämpfen sie? Welche Strategie verfolgen sie, um ihre Ziele zu erreichen? Wohin soll die Juso und wie kommt sie dahin? Nur auf dieser Grundlage kann ihre Wahl eine politische sein. In ihren Bewerbungsschreiben für das Präsidium fehlt jedoch eine kritische Auseinandersetzung mit der bisherigen Praxis und eine konkrete Stossrichtung. Vergleichen wir dies mit den Präsidiumswahlen von 2016, als Tamara Funiciello und Samira Marti kandidierten, können wir sagen: Die heutigen Kandidaturen sind ein weiterer Ausdruck des sinkenden politischen Niveaus der Juso. Denn die früheren Kandidatinnen hatten ihre Positionen beide so klar formuliert, dass ernsthafte Debatten möglich waren. Politische Wahlen können nur über politische Positionen geführt werden! 

Zwei Kandidatinnen im Niemandsland

In ihrem Motivationsschreiben machen beide deutlich, dass sie gegen die Unterdrückung der Frau, die Klimakrise und gegen den Imperialismus sind. Dies steht aber im luftleeren Raum. Wie muss dieser Kampf in der Schweiz geführt werden? Um diese Probleme zu lösen, sind die Lohnabhängigen in der Schweiz unabdingbar. Sie sind die einzigen, die den kriminellen Rollen der Kapitalisten in der Klimakrise, der Frauenunterdrückung und der Ausbeutung des Globalen Südens Einhalt gebieten können. Um diese ArbeiterInnen zu gewinnen, muss sich die Juso klar als sozialistische Partei positionieren. Sie muss aufzeigen, dass der Klassenkampf existiert und dass die Lohnabhängigen diesen Kampf gewinnen müssen. Von diesem Standpunkt aus muss sich die Juso als Partei bewusst aufbauen und weiterentwickeln. Folgende Frage gilt es also zu beantworten: Wie kann die Juso die Lohnabhängigen davon überzeugen, dass sie für die Befreiung der Frau, für das Klima und für den globalen Süden kämpfen können und müssen? Darüber verlieren die Kandidatinnen leider kein Wort. 

Fünf Tage vor den Wahlen publiziert der Blick einen Artikel über Jansen. “Juso-Kandidatin will UBS und CS verstaatlichen”. Die marxistische Strömung geht völlig mit der Kandidatin einher und gratuliert ihr zum fassen einer korrekten Position. Es sind genau solche Forderungen, welche die Juso und die Klimastreik-Bewegung weiter bringen könnten. Schade hat sie so eine klare Forderung nicht in ihr Motivationsschreiben eingearbeitet. Schade erklärt sie uns nirgends, wie man die Verstaatlichung der UBS und CS erreichen kann. Denn es braucht nicht nur eine korrekte Forderung, sondern einen Weg dahin, damit die Forderung nicht nur eine gute, aber niemals zu erreichende Idee bleibt. 

Die Kandidatinnen begnügen sich damit, zu sagen, dass sie die Welt scheisse finden. Sie erklären aber nicht, wie sie die Welt ändern möchten und welche Rolle die Juso darin einnehmen muss. Diese passive “der Welt geht es schlecht”-Herangehensweise ist die Herangehensweise einer NGO und nicht einer politischen Partei. 

Währenddessen schreitet die SP hoch erhobenen Hauptes nach rechts. Diese Politik entfremdet sie weiter von den Lohnabhängigen: Vor kurzem boxte sie eine Verschlechterung der Pensionen und die Erhöhung des Frauenrentenalters durch. Das ist nur ein Beispiel einer langen Geschichte der Konterreformen. Hier wären einerseits klare Positionen, andererseits konkrete Vorschläge der Kandidatinnen, wie sie es mit der SP aufnehmen wollen, zwingend nötig gewesen. Denn die SP wieder auf einen Linkskurs zu bringen ist ein notwendiger Schritt, um die Lohnabhängigen zurück zu gewinnen. 

Was die Juso unbedingt machen muss

Die Klimastreikbewegung drückt sich nicht in der Juso aus. Aber wie kann die Juso die Jugendlichen der Klimastreikbewegung für ein sozialistisches Programm gewinnen?

Bewegungen entstehen anhand von konkreten Fragen, eine Partei hingegen besteht langfristig. Es ist die Aufgabe der Juso, den Jugendlichen, die sich rund um die Klimafrage radikalisiert haben, aufzuzeigen, dass man sich langfristig organisieren muss. Der Slogan “System Change statt Climate Change” läuft auf den Sturz des Kapitalismus hinaus. Um diesen zu erreichen, braucht es eine langfristige Strategie. 

Die Juso hat zwar ein Klimaprogramm. Doch dieses Programm geht weniger weit als die Klimastreikenden. Während die SchülerInnen vom Klimastreik richtigerweise einen System Change fordern, reichen die Forderungen der Juso nicht mal ansatzweise, um das Klimaproblem zu lösen. Der Fokus des Juso-Programms liegt auf Verboten, Gesetzen und Verhandlungen, die von ParlamentarierInnen geführt werden müssen. Die Klimastreikbewegung aber existiert heute, weil die SchülerInnen genau verstanden haben, dass man sich nicht auf etablierte Parteien, Parlamente, den bürgerlichen Staat verlassen kann. Sie haben verstanden, dass sie die Dinge selbst in die Hand nehmen müssen. Das Juso-Programm hinkt den SchülerInnen also hinterher. 

Es geht nicht darum, dem Klimastreik eine Meinung aufzuzwingen. Wohl aber braucht der Klimastreik eine klare sozialistische Linie, um seine eigenen Ziele zu erreichen. Die Juso hat hier eine klare Verantwortung: Sie muss aufzeigen, wie wir zu einem System Change kommen und was die nächsten Schritte sein müssen. Sie muss den SchülerInnen nicht nachrennen, sondern sie vorantreiben. Beispielsweise hätte die Juso aufzeigen müssen, dass der Kampf fürs Klima nur erfolgreich sein kann, wenn die ArbeiterInnen daran teilnehmen. Klar ist: Nur mit einem revolutionären Programm, das eine Verbindung zur Arbeiterklasse schlägt, kann der Klimastreik erfolgreich sein. So müsste sich die Juso als Partei in der Klimastreikbewegung präsentieren. Nicht als vereinzelte Individuen, sondern als Organisation, die geeint für den System Change kämpft. 

Aus den Motivationsschreiben können wir folgende Schlüsse ziehen: Die fehlende Selbstkritik an der eigenen Partei und die Herangehensweisen beider Kandidatinnen zeugt davon, dass sie die Partei nicht weiterentwickeln können. Ein bewusster Parteiaufbau wird nicht angestrebt, sondern es wird dem Zufall überlassen, ob sich die Partei leert oder füllt. Beide Kandidatinnen sprechen vom «Kämpfe verbinden», können aber nicht vorweisen, wie das gemacht werden soll. 

Aus diesen Gründen unterstützt die marxistische Strömung der Funke keine der Kandidatinnen. Stattdessen kämpfen wir weiterhin für revolutionäre Positionen in der Juso! Die marxistische Strömung Der Funke zeigt im Aktionsprogramm, wie der Kampf gegen Frauenunterdrückung, Klimakatastrophe, Rassismus und die Ausbeutung der Schweizer Lohnabhängigen in einen Kampf gegen den Kapitalismus eingebunden werden müssen. Ein solches revolutionäres Programm ist die Hauptachse des Parteiaufbaus. Wir laden alle ernsthaften Revolutionäre dazu ein, bei uns mitzumachen und in der Juso für revolutionäre Positionen zu kämpfen.

Sarah-Sophia Varela
Juso Stadt Bern