Die ArbeiterInnen der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM) treten in den Kampf für ihren neuen Gesamtarbeitsvertrag. Mit der nationalen Demo vom 22. September wird der Auftakt gelegt für einen Konflikt, welcher die aktuellen Interessensgegensätze zwischen Unternehmer und Arbeiter wohl wie kein anderer offen zeigt. Ein konsequenter Kampf ist der einzige Weg, mit welchem die Forderungen der Arbeitenden realisiert werden können.


Willkür in den Fabriken
Die ArbeiterInnen der MEM-Industrie mussten in den Jahren seit dem Krisenausbruch vielAchterbahn einstecken. Man kann von einer wahren Achterbahnfahrt sprechen, bei welcher wohl vielen Arbeiterinnen und Arbeitern schwindlig werden musste. Zunächst kam es bei Krisenausbruch zu Kurzarbeit, Werksschliessungen und Massenentlassungen. Dann wurde die Produktion im Zuge des schwachen Zwischenaufschwungs wieder hochgefahren. Und nun sind sie, seit dem der Wert des Franken vor über einem Jahr ziemlich abrupt anstieg, dem permanenten Druck von ihren Chefs ausgesetzt. Diese konnten in einer Fabrik nach der anderen längere Arbeitszeiten bei gleichbleibendem Lohn durchsetzten und mit anderen Mitteln die Ausbeutung verstärken.

Der Swissmem (Unternehmerverband der MEM-Industrie), rühmte sich kürzlich, seine Mitglieder hätten „alle Register des unternehmerischen Instrumentariums“ gezogen, um die Auswirkungen der Frankenstärke abzuschwächen. Sie erhöhten nicht nur die Ausbeutung ihrer ArbeiterInnen, sondern sie mussten auch Preisabschläge vornehmen, um ihre Güter auf dem Welt- und besonders dem europäischen Markt verkaufen zu können. Dieses Selbstlob kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass in den letzten Monaten, neben den Angriffen auf die Arbeitsbedingungen auch vermehrt wieder Versuche unternommen oder gar durchgesetzt wurden, welche Massenentlassungen und/oder Produktionsauslagerungen vorsahen. Dabei blieb die gewerkschaftliche Reaktion auf der Betriebsebene immer extrem zahm. Es wurden keine konsequenten Abwehrkämpfe geführt. Dies kommt auch daher, dass die ArbeiterInnen tatsächlich um ihre Arbeitsplätze zu sehr fürchteten.

Jetzt geht es aber um den Gesamtarbeitsvertrag. Diesem sehen sich 330’000 IndustriearbeiterInnen unterstellt, welche nun die Gelegenheit haben, sich gemeinsam gegen die Willkürherrschaft ihrer Chefs in den Fabriken zur Wehr zu setzen.

Der Kampf wird heiss – für kämpferische und demokratische Gewerkschaften
Die MEM-Unternehmer machten von beginn an klar, dass sie keine Lohnerhöhungen hinnehmen würden. Sie argumentieren immer mit den „wirtschaftlichen Zwängen“, welchen sie sich ausgesetzt sähen. Dabei geht es ihnen nicht darum, Arbeitsplätze zu sichern, sondern ihren Profit zu realisieren.

Korrekterweise beschlossen die MEM-ArbeiterInnen an der Delegiertenversammlungen die Forderung nach der Streichung des „Krisenartikels“ 57 im GAV. Dieser erlaubt es den Unternehmern, die Arbeitsbedingungen unter Berufung auf die „wirtschaftlichen Notsituationen“ quasi nach ihrem Gutdünken zu verändern.

Auch die Forderung nach im GAV festgeschriebenen Mindestlöhnen ist absolut korrekt. Dies hätte schon vor langer Zeit geschehen sollen und ist angesichts der in letzter Zeit vorgenommenen Auszahlung von Euro-Löhnen an GrenzgängerInnen nötiger denn je. Dass die Löhne nicht im GAV geregelt sind, ist ein schweres Erbe des Friedensvertrages von 1937 (siehe Artikel Funke Nr. 21).

Wir müssen uns im klaren darüber sein, dass die Unternehmer sich weder von einer nationalen Grosskundgebung, noch von „guten Argumenten“ der gewerkschaftlichen Verhandlungsdelegation überzeugen lassen, stehen doch ihre Profite auf dem Spiel. Streiks sind unausweichlich, um die legitimen Forderungen der ArbeiterInnen durchsetzen zu können. Daher muss die nationale Kundgebung als Auftakt zur Schaffung von Komitees in den Fabriken genutzt werden. Aktionsfähige Fabrikkomitees müssen alle Schritte in den Verhandlungen mitverfolgen und über die Resultate abstimmen. Dies ist die Aufgabe der gewerkschaftlichen Vertrauensleute, welche in den Fabriken arbeiten. Einen besseren Kündigungschutz dieser zu fordern ist absolut zentral. Umso wichtiger ist aber auch, dass diese Vertrauensleute dann auch in den Fabriken gewerkschaftliche Aufbauarbeit betreiben und Versammlungen der Belegschaft organisieren. Die ArbeiterInnen sollen mehr sein als blosse Manövriermasse der Gewerkschaftsbürokratie, welche man bei bedarf aktiviert. Ein kämpferischer und demokratischer Kampf muss her.

Eine gewerkschaftliche Politik für alle ArbeiterInnen und nicht für die Profite der Unternehmer!
Weitere zentrale Forderungen der Gewerkschaftsspitze betreffen den Wechselkurs zum Euro (seine Erhöhung auf 1.40 CHF pro Euro), sowie eine aktive Industriepolitik. Diese Forderungen gehören kritisch hinterfragt. Die Konsequenzen der Intervention der Nationalbank (SNB) um den Wechselkurs bei 1.20 zu halten sind bereits so beachtlich, dass die Gewinnausschüttungen an die Kantone drastisch reduziert wurden. Dies übersetzt sich bereits in erste Sparmassnahmen in den Kantonen, besonders auf Kosten der Angestellten. Eine Erhöhung des Wechselkurses würde eine weitere kostspielige Intervention der SNB bedeuten und die Situation der kantonalen Finanzen weiter verschlechtern. Dies hätte noch stärkere Angriffe auf die kantonalen Angestellten zur Folge. Wir dürfen nicht die Arbeitsbedingungen der IndustriearbeiterInnen auf Kosten der öffentlichen Angestellten verbessern. Es darf niemals eine Kategorie von ArbeiterInnen gegen eine andere ausgespielt werden.

Die von der Gewerkschaftsbürokratie vorgeschlagene Industriepolitik, auch wenn sie durch einen paritätischen Investitionsfonds finanziert würde, hat zum Ziel, die Unternehmer an Bord zu holen. Sein paritätischer Charakter darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass er nur zustande kommt, wenn den Unternehmern saftige Profit versprochen werden. Die Unternehmer hätten sich längst selbst daran gemacht, eine umweltverträgliche Ökonomie zu entwickeln, könnte eine im Rahmen der Marktwirtschaft profitable „Re-Industrialisierung“ auf dieser Grundlage stattfinden, wie sie von der Gewerkschaftsspitze propagiert wird. Eine solche ist bei der Aufrechterhaltung der Herrschaft der Kapitalisten in der Industrie und in der Politik nicht möglich.

Die Unternehmer haben mal um mal gezeigt, dass ihnen der Werkplatz Schweiz und die Arbeitsbedingungen gleichgültig sind. Mit eben diesen profitgierigen Leuten nun eine neue, gemeinsame und prosperierende Zukunft zu prophezeien, führt die ArbeiterInnen nur hinters Licht. Vielmehr muss eine gewerkschaftliche Politik von den offensichtlichen Interessensgegensätzen zwischen den Unternehmern und ArbeiterInnen ausgehen und diese aufzeigen. Auf der einen Seite der Profitzwang, welchem mit allen zur Verfügung stehend Mitteln, bevorzugterweise jedoch auf Kosten der ArbeiterInnen, nachgegangen wird. Dem gegenüber steht das Streben nach sicheren und würdigen Arbeitsbedingungen. Im engen Rahmen der kapitalistischen Besitzverhältnisse und der Marktwirtschaft ist eine Lösung dieser Gegensätze nicht möglich und in der aktuellen Periode der Krise des Kapitalismus schon gar nicht.

Wir können nicht auf der einen Seite, den Unternehmern aufzeigen, wie sie wieder besser Profite aus den ArbeiterInnen schlagen können und gleichzeitig ihre Interessen in den GAV-Verhandlungen frontal angreifen. Dies ist nicht nur inkonsequent, sondern auch heuchlerisch; sie ist letztendlich die Konsequenz einer Tradition der Klassenkollaboration, welche heute keine materielle Grundlage mehr hat. Es ist ja schön zu sehen, dass in den Gewerkschaftsspitzen Ideen zur Zukunft der Industrie entwickelt werden. Diese können jedoch nur ohne Unternehmer, mit einer unter ArbeiterInnenkontrolle stehend Wirtschaft, zum Durchbruch gelangen.

Eine Gewerkschaft ist eine Klassenorganisation und muss die Interessen der gesamten ArbeiterInnenklasse verteidigen. Eine fortschrittliche Gewerkschaftspolitik muss heute kämpferisch und demokratisch sein. Eine fortschrittliche Industriepolitik muss heute eine revolutionäre Politik sein.

Schluss mit der Willkürherrschaft in den Fabriken – Weg mit dem Artikel 57!

Für gewerkschaftliche Aktionskomitees in den Fabriken

Schluss mit der Klassenkollaboration – wir sind die fortschrittliche Klasse!