Eine Konditorin erzählt über den neu entstandenen Teamgeist in der Backstube und über ihre Ängste und Sorgen in Zeiten von Corona.

Ich arbeite als Konditorin in einer Bäckerei/Konditorei. Neben unserem Laden haben wir auch noch ein Restaurant und ein Hotel. Zusätzlich stellen wir auch Produkte für einen Detailhändler her (Brot und Süsswaren) und liefern verschiedene Produkte an andere Betriebe, z.B. Altersheime, Spitäler und Tankstellenshops.

Der Laden ist im Moment noch geöffnet, wenn auch mit einem kleineren Sortiment. Das Restaurant ist natürlich geschlossen. Man kann aber noch einzelne Menus als Take-away abholen oder liefern lassen. Das Hotel dürfte zwar noch offen sein, ist aber ebenfalls geschlossen, da im Moment verständlicherweise keine Gäste da sind.

Am Morgen, nachdem der Bundesrat die Schliessung aller Restaurants verfügt hatte, wurden alle Angestellten versammelt und über die Änderungen informiert. Für mich persönlich war die gravierendste Auswirkung, dass bis auf weiteres alle Ferien gestrichen werden. Ich hätte eigentlich diese Woche Ferien gehabt, muss jetzt aber arbeiten. Auch wenn ich die Ferien später im Jahr einmal nachholen kann und ich jetzt sowieso nichts unternehmen könnte (alle meine Pläne habe ich selbst oder wurden von anderen abgesagt), hatte ich mich natürlich sehr über eine Auszeit gefreut.

Wir konnten/sollten auch alle wegen Kurzarbeit unterschreiben. Für uns in der Produktion (Konditorei und Bäckerei) hat das zwar noch keine Auswirkung, unsere Arbeit läuft im Moment auch dank den Produkten für den Detailhändler mehr oder weniger normal weiter. Die anderen Teams (Küche, Service, Laden und Reinigung) leisten nun aber bereits Kurzarbeit und sind nur noch mit ein oder maximal zwei Personen anwesend.

Unser Team ist im Moment etwas kleiner, da meine Kollegin zu einer Risikogruppe gehört und nicht mehr arbeitet. Auch haben wir teilweise andere Arbeitszeiten, einerseits um die Menge an Leuten, die gleichzeitig arbeitet, etwas zu verringern, andererseits auch weil einige zuhause Kinder betreuen müssen.

Rubrik: Virus at Work

Wir veröffentlichen Berichte aus dem Alltagsleben der Lohnabhängigen, die trotz dem Coronavirus zur Arbeit gehen müssen – unabhängig davon, ob ihre Arbeit lebensnotwendig ist oder nicht. Dies soll aufzeigen, wie inkonsequent die Massnahmen des Bundes sind. Die Corona-Krise soll nicht auf den Schultern der Lohnabhängigen abgewälzt werden!

Wir fordern, dass alle, die nicht-essentielle Arbeit machen müssen, zu Hause bleiben dürfen. Nur so kann die Pandemie eingedämmt werden. Leben vor Profite!

Wenn du auch deine Geschichte erzählen möchtest, meldet dich bei info@derfunke.ch. Es ist wichtig zu streuen, wie fahrlässig mit unserer Gesundheit umgegangen wird! Schreib uns, schick uns zwei oder drei Sätze, ausführliche Berichte, oder melde dich, wenn du dies persönlich besprechen willst!

Abgesehen von der Anweisung einander nicht zu nah zu kommen und häufigem Händewaschen und Desinfizieren (was bei unserer Arbeit sowieso normal ist) haben wir keine weiteren Schutzmassnahmen. Bei unserem Team funktioniert das bis jetzt recht gut, da wir durch die veränderten Arbeitszeiten meistens genügend Platz haben, um nicht allzu dicht nebeneinander zu arbeiten (auch wenn 2 Meter oft illusorisch sind). Die Bäcker hingegen stehen immer noch genau gleich eng um ihren Arbeitstisch herum, wenn sie die Brote formen.

Die Stimmung ist zwar einerseits angespannt, da niemand wirklich weiss, was als nächstes passiert oder was noch alles auf uns zukommt, gleichzeitig aber auch irgendwie entspannt, da wir im Moment doch etwas weniger Arbeit haben. Unter uns, die wir immer noch arbeiten, hat sich ein neuer Teamgeist entwickelt. Das finde ich eigentlich ziemlich cool. Wir sprechen auch mit Leuten aus anderen Teams viel mehr bzw. über andere Dinge als normalerweise. Corona ist im Moment natürlich das Hauptthema. Wir sprechen untereinander aber eher über die Entscheidungen des Bundesrats, die Lage in den Läden etc. und eigentlich nie darüber, wie wir uns selbst schützen oder was der Betrieb machen müsste, um uns zu schützen. Ich bin nicht sicher, ob sich die anderen überhaupt Gedanken darüber machen und merke es auch bei mir selbst oft, dass ich es irgendwie Verdränge, dass ich mich bei der Arbeit anstecken könnte. Ich weiss auch gar nicht, was für Schutzmassnahmen noch ergriffen werden könnten. Über die Wirksamkeit von Schutzmasken habe ich unterschiedliche Dinge gelesen und anders als z.B. Baustellen, die meiner Meinung nach definitiv schliessen müssten, stellen wir ja Lebensmittel her, die gebraucht werden. Natürlich könnten wir dennoch ganz schliessen oder nur noch Brot (Grundnahrungsmittel) herstellen. Niemand wird verhungern, wenn es keine Erdbeertörtchen oder Cremeschnitten mehr gibt. Aber dann müsste auch ich Kurzarbeit machen und würde 20% weniger Lohn kriegen. Ich verdiene nur knapp mehr als der GAV-Mindestlohn, da würden diese 20% ziemlich viel ausmachen, davor habe ich etwas Angst. Ich hoffe im Moment einfach, dass das Ganze möglichst bald vorbei ist.

Zum Schutz der Autoren werden die Berichte anonymisiert. 

#VirusAtWork

#WirWollnNachHauseGehn