«Ich bin Angestellte bei der Haushaltsabteilung der Spitex. Mein Beruf ist es, zu hilfsbedürftigen Menschen nach Hause zu gehen und ihnen beim Haushalt zu helfen. Das geht natürlich von Zuhause aus nicht. Dass ich weiter arbeiten muss, macht mir Angst, aber es macht mich auch stolz auf meine Arbeit.» Eine Spitex-Angestellte im Interview über ihre Arbeit während der Corona-Krise.

Welche Massnahmen wurden getroffen?

Die Weisungen ändern sich fast jeden Tag. Wir tragen Handschuhe und Atemmaske bei der Arbeit und dürfen nicht mehr mit dem öV zur Arbeit kommen. Nach der Arbeit sollen wir ausdrücklich direkt nach Hause gehen und niemanden treffen, den wir anstecken könnten. Falls wir zu einem Klienten müssen, der infiziert ist, müssen wir die volle Montur (Hygienehauben, Kittel, Atemmaske) tragen.

Des Weiteren wurden vor allem Überstunden angekündigt. Mitarbeiter mit Kindern oder Risikofälle fallen aus, auch diese Arbeit müssen wir irgendwie abdecken. Bei uns herrscht zu normalen Zeiten chronischer Personalmangel, und die Qualität unserer Arbeit leidet schon lange darunter. Nach Hause zu kommen und gerade noch Energie für eine Dusche und etwas Kochen zu haben gehört für mich zum Alltag. Aber nun werde ich wirklich an meine Grenzen gebracht. Lange kann das kein Arbeiter so aushalten.

Du gehst also ungern weiterhin zur Arbeit?

Jein. Es ist ein privilegierter Standpunkt, aber ich gehöre nicht zur Risikogruppe, deswegen geht das. Ich persönlich habe keine Angst vor dem Virus.
Vielmehr hätte ich Angst davor, nach Hause geschickt zu werden und meine Rechnungen, meine Miete und meine Krankenkassenprämien nicht mehr bezahlen zu können. So geht es zum Beispiel einer Freundin von mir. Zum Glück sind meine Kinder schon gross, sonst müsste ich zu Hause bleiben. Ich verdiene bereits quasi den Mindestlohn, mit Kurzarbeit komme ich nicht über die Runden. Und die Kurzarbeit ist ja auch nicht garantiert. Mein Bruder ist Maurer und dem geht es genau so.

Rubrik: Virus at Work

Wir veröffentlichen Berichte aus dem Alltagsleben der Lohnabhängigen, die trotz dem Coronavirus zur Arbeit gehen müssen – unabhängig davon, ob ihre Arbeit lebensnotwendig ist oder nicht. Dies soll aufzeigen, wie inkonsequent die Massnahmen des Bundes sind. Die Corona-Krise soll nicht auf den Schultern der Lohnabhängigen abgewälzt werden!

Wir fordern, dass alle, die nicht-essentielle Arbeit machen müssen, zu Hause bleiben dürfen. Nur so kann die Pandemie eingedämmt werden. Leben vor Profite!

Wenn du auch deine Geschichte erzählen möchtest, meldet dich bei info@derfunke.ch. Es ist wichtig zu streuen, wie fahrlässig mit unserer Gesundheit umgegangen wird! Schreib uns, schick uns zwei oder drei Sätze, ausführliche Berichte, oder melde dich, wenn du dies persönlich besprechen willst!

Du hast anfangs gesagt, dass du weiterarbeiten musst, mache dich stolz. Wieso?

Weil meine Arbeit wichtig ist. Auf uns kann man auch in einer Krise nicht verzichten. Während die Banker und Manager zuhause hocken, braucht es uns immer noch. In Zeiten wie diesen können das zur Abwechslung mal alle sehen, denn wir bekommen plötzlich eine Stimme.
Das Weiterarbeiten hat auch eine gute Seite, nämlich dieses Gefühl von Solidarität im Betrieb. Unsere Branche ist seit Jahren von prekären Arbeitsbedingungen geprägt. Was neu ist, ist die grosse Solidarität von Aussen. Die Öffentlichkeit hat ihren Fokus heute auf uns Arbeitern und sieht, wie wichtig wir sind. Daraus schöpfe ich Stolz, aber auch Selbstvertrauen, für meine Rechte zu kämpfen.

Würdest du für mehr Anerkennung der Arbeiter mitmachen?

Auf jeden Fall. Aber leider keine Zeit, das zu organisieren.

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